Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Bonn/Rhein-Sieg
Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Bonn/Rhein-Sieg unterstützt seit über 10 Jahren kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) hier in der Region dabei, sich durch eine lebensphasenorientierte Personalpolitik sowie familienfreundliche Unternehmenskultur als attraktive Arbeitgebende zu positionieren und langfristig Fachkräfte zu sichern. Es wird als Kooperationsprojekt der Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Mit bedarfsgerechtem Blick unterstützt das Kompetenzzentrum in der bis Ende 2027 festgeschriebenen Förderperiode in den Kernbereichen:
- Rekrutierung,
- Karriereentwicklung und Mentoring,
- lebensphasenorientierte Personalpolitik sowie
- Unterstützung des Unternehmerinnentums.
In Workshops, Vorträgen oder den Mentoring-Programmen können Mitarbeitende, Unternehmerinnen und Unternehmer Impulse und Anregungen für sich mitnehmen, sich untereinander vernetzen und die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens durch den Austausch mit Gleichgesinnten stützen.
Braucht es eine explizite „Frauenförderung“?
Die schwarz-grüne Landesregierung hat im Koalitionsvertrag die Fortführung der Kompetenzzentren verankert und damit verdeutlicht, wie wichtig das Thema der Gleichstellung im gesellschaftspolitischen Kontext angesiedelt ist. Denn dass die Unterstützung von Frauen im Wirtschaftsleben aus gesellschaftspolitischer, demografischer sowie ökonomischer Sicht von großer Relevanz ist, zeigen Studien seit Jahren. Frauen haben im Jahr 2023 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Oft hängt das mit ihrem Karriereweg – häufig unterbrochen durch „Sorgearbeit“ – zusammen. Frauen in Deutschland sind bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich rund 30 Jahre alt. Ab diesem Alter stagniert ihr durchschnittlicher Bruttostundenverdienst, während er bei Männern mit zunehmendem Alter eher ansteigt. Frauen unterbrechen im Laufe ihres Erwerbslebens weit häufiger als Männer ihre Karriere und arbeiten wesentlich öfter in Teilzeit; Karrieresprünge und Lohnerhöhungen werden für Frauen also seltener, weil sie das Gros der Care-Arbeit übernehmen; sie leisten im privaten Kontext durchschnittlich 44,3 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. 34 Prozent aller berufstätigen Frauen sind im Fürsorgebereich tätig, aber nur 8 Prozent der Männer, selbst hier gibt es also ein Verhältnis von gut vier zu eins. Über 50 Prozent der Frauen im Alter zwischen 30 und 65 Jahren arbeiten in Teilzeit, doch nur gut 7 Prozent der berufstätigen Männer. Es bedarf also auch weiterhin des Augenmerks auf dieses Thema – und einer gezielten Förderung von Frauen, gerade vor dem Hintergrund der primär Frauen betreffenden Altersarmut.
Projektschwerpunkte
Rekrutierung weiblicher Fach- und Führungskräfte
In diesem Projektschwerpunkt widmet sich das Kompetenzzentrum dem Fachkräftemangel und dem enormen Potential, das Frauen für den Arbeitsmarkt bereithalten. Das Kompetenzzentrum arbeitet eng mit den regionalen Akteuren des Arbeitsmarktes zusammen, unter anderem im Bündnis für Fachkräfte, agiert als Informationsvermittler und zeigt Möglichkeiten auf, wie Unternehmen Frauen besser adressieren, gewinnen und halten können. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der Digitalisierung, Dekarbonisierung und Deglobalisierungsbestrebungen stehen Unternehmen mehr denn je vor Herausforderungen, auf die es schnell zu reagieren gilt. In den nächsten 15 Jahren werden beispielsweise rund 15,4 Mio. Erwerbstätige in Rente gehen – dies ist nicht allein durch die „nachwachsende“ Jugend zu kompensieren. Unternehmen müssen sich zunehmend von dem Gedanken, die „passgenaue“ Fachkraft „in time and budget“ am Markt zu finden, verabschieden. Es gilt, kreativ und flexibel auf die Veränderungen zu reagieren – und zum Beispiel durch gezielte Qualifizierung der Mitarbeitenden „on the job“ das eigene Fachkräftepotential zu entwickeln. Und auch hier lenkt das Kompetenzzentrum den Blick auf das ungenutzte Erwerbspotential von Frauen: Sie sind vielfach unfreiwillig in Teilzeit tätig. Auch die Chef-Volkswirtin der KfW, Dr. Fritzi Köhler-Geib, konstatiert, dass die Zukunft in entscheidendem Maße davon abhinge, wie wir die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Zuwanderung und bedarfsgerechte Qualifizierung im Job gestalten. Die Gleichstellungsthematik betrifft aber nicht nur Frauen. Auch Männer können – je nach beruflichem Hintergrund – nicht immer in dem von ihnen gewünschten Maß an der Familien- und Sorgearbeit teilnehmen.
Familienbewusste bzw. lebensphasenorientierte Personalpolitik
Die Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit ist eines der ausschlaggebenden Argumente auf dem Arbeitsmarkt, um Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben häufig keine eigene Personalabteilung. Hier unterstützt das Kompetenzzentrum Frau & Beruf KMU aus der Region dabei, ihre Kultur familienfreundlicher bzw. lebensphasenorientierter zu gestalten, dies nach außen zu kommunizieren und so auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu machen. Im „Netzwerk familienbewusste Unternehmen Bonn/Rhein-Sieg“ – mit rund 80 Unternehmen – sorgt das Team des Kompetenzzentrums mit Vorträgen, Workshops und Seminaren (digital oder analog) dafür, Unternehmen miteinander zu vernetzen und mit relevanten Inhalten zur Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit zu informieren. Mitgliedsunternehmen erhalten nach dem Aufnahmeprozess die Auszeichnung „Mitglied im Netzwerk familienbewusste Unternehmen Bonn/Rhein-Sieg“ und werden auf der Seite des Kompetenzzentrums mit Link zur eigenen Webpräsenz aufgeführt. Im Juni fand das 34. Treffen des Netzwerks statt, in welchem die Erarbeitung von Themen- und Handlungsfeldern, die dem gesamten Netzwerk für die aktuelle Förderphase Mehrwert bringen können, im Vordergrund standen.
Karriereentwicklung und Mentoring
Mit Blick auf die verschiedenen Berufsbereiche zeigt eine Auswertung des Zensus 2022 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, dass in Bonn rund 39 Prozent der Frauen Führungspositionen belegen, bei den Männern sind es 61 Prozent. Im Rhein-Sieg-Kreis beträgt das Verhältnis 30 zu 70 Prozent.
Das Kompetenzzentrum möchte für ein „Mehr“ von Frauen in Führungspositionen sorgen und richtet sich mit dem einjährigen, kostenfreien Cross-Mentoring- Programm „mentoring4women“ an weibliche Fachkräfte aus KMU, die entweder eine Führungsposition anstreben, sich in ihrer bestehenden Führungsrolle festigen oder sich zur Spezialistin entwickeln möchten. Das Kompetenzzentrum bietet den Rahmen für das Programm, organisiert die Veranstaltungen (Auftakt-/Abschlussveranstaltung sowie das Halbzeittreffen), akquiriert Mentees sowie Mentorinnen und Mentoren und sorgt für einen vertrauensvollen Austausch.
Ziel ist es, Frauen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen und ihnen bei Herausforderungen im beruflichen Voranschreiten zur Seite zu stehen. „mentoring4women“ ist in der Region zu einer Marke geworden. Zu den Unterstützerinnen und Unterstützern gehören die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, die Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg und die Handwerkskammer zu Köln. Das nächste Programm wird zum fünften Mal im November 2024 starten.
Unterstützung des Unternehmerinnentums
Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Bonn/Rhein-Sieg hat es sich auch zum Ziel gesetzt, das Unternehmerinnentum in der Region zu unterstützen. Die Anzahl der „weiblichen Gründungen“ steigt bundesweit stetig, und vor allem junge Frauen entscheiden sich für eine Existenzgründung. Zahlreiche Angebote hier in der Region ermutigen Frauen zum Gründen und bieten Unterstützung in der Gründungsphase. Das Kompetenzzentrum engagiert sich in der aktuellen Förderphase im BeraterinnenNetzwerk Bonn/Rhein-Sieg und richtet im September z. B. den Gründerinnentag zusammen mit den anderen Kooperationspartnern aus. Die Historie zeigt, dass etwa ein Drittel der Gründerinnen und Gründer in den ersten fünf Jahren wieder die Selbständigkeit beendet, sei es aus familiären Gründen, Krankheit oder einfach, weil die Einkommensgrößen in einem Angestelltenverhältnis doch höher eingeschätzt werden. Die Gefahr, ein junges Unternehmen ab dem dritten Jahr des Bestands doch wieder aufzugeben, ist gerade bei Frauen hoch. Hier setzt das Kompetenzzentrum an und legt in 2025 erstmalig ein Mentoring-Programm auf, mit dem es die jüngeren Bestandsunternehmen in den Fokus nimmt – im Speziellen Unternehmerinnen zwischen dem dritten und fünften Jahr nach ihrer Gründung. Durch das Programm sollen die Unternehmerinnen mit Mentorinnen und Mentoren, die selbst erfolgreich gegründet hatten, vernetzt und so unterstützt werden.
Entwicklung des Kompetenzzentrums
Die Kompetenzzentren sorgen – über alle Lebens- und Arbeitsbereiche hinweg – für einen starken Fokus auf Frauen und deren Erwerbspotential für die Region. Auch, wenn viele Arbeitsmarktbeteiligte diese Zeichen erkannt und Angebote speziell für Frauen entwickelt haben (AA, JC, HWK, IHK…), liegt der Schwerpunkt beim Kompetenzzentrum darin, genau hier zu kooperieren, Wissen weiterzugeben, Kompetenzen zu bündeln und die jahrelange Erfahrung zum Wohle aller Arbeitsmarktakteure zu multiplizieren und Handlungsbedarfe sichtbar zu machen.
Zukünftig wollen die Kompetenzzentren in NRW noch stärker kooperieren, sich – unabhängig von regionalen Schwerpunktsetzungen – auch mit gemeinsamen digitalen Angeboten an die Zielgruppen richten. Ein Beispiel dafür bildet die digitale Fachkräftewoche im Februar 2025. Die Bündelung der Expertise und die größere Reichweite werden für einen höheren Wirkungsgrad sorgen. Competentia Köln und Bonn/Rhein-Sieg werden ab Herbst 2024 eine Neuauflage des Ratgebers „Female Recruiting“ in Angriff nehmen.
Die Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Nachhaltige Veränderungen können nur durch gemeinsame Anstrengungen von Politik, Gesellschaft und Unternehmen erreicht werden. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben ist unumgänglich, wenn Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die Kompetenzzentren Frau & Beruf leisten genau dafür einen entscheidenden Beitrag – sie sorgen für „Awareness“ und das kontinuierliche Sensibilisieren dieser Themenbereiche.
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