Januar 2019: Vor hundert Jahren: Frauen dürfen in Deutschland erstmals wählen
Der 19. Januar 1919 stellt eine historische Zäsur für die Frauen in Deutschland dar: Zum ersten Mal durften sie wählen. Dies war eine der entscheidenden Neuerungen, die die revolutionäre Übergangsregierung, der Rat der Volksbeauftragten, am 12. November als Teil ihres Regierungsprogramms durchgesetzt hatte. Als verfassungsmäßiges Recht wurde das Frauenwahlrecht in Artikel 109 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung verankert.
Wie groß das Bedürfnis nach politischer Beteiligung war, zeigt die mit 82 Prozent hohe Wahlbeteiligung der Frauen (im Vergleich 2017: 76 Prozent). Der Weg dahin war lang und beschwerlich. Bereits 1791 hatte Olympe de Gouges mit ihrer „Deklaration der Rechte der Frau und Bürgerin“ im revolutionären Frankreich einen Anfang gemacht (Artikel 6). Dieser blieb allerdings zunächst folgenlos; in Frankreich erlangten die Frauen sogar erst 1944 das Wahlrecht. In Deutschland kämpften viele Frauengenerationen politisch unterstützt von dem SPD-Vorsitzenden August Bebel und später der gesamten SPD für die Durchsetzung dieses Rechts.
Vorkämpferinnen waren auf bürgerlicher Seite zum Beispiel Luise Otto-Peters als Gründerin des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ (1865), der sich die berufliche und politische Gleichstellung der Frau zum Ziel gesetzt hatte, die Schriftstellerin Hedwig Dohm als engagierte Einzelkämpferin („Der Frauen Natur und Recht“, 1876), die auch ihre Geschlechtsgenossinnen wegen ihrer zumeist unpolitischen Haltung kritisierte, Helene Lange, deren Zeitschrift „Die Frau“ das wichtigste publizistische Forum der Frauenrechtsbewegung darstellte, sowie Anita Augspurg, die 1902 den „Deutschen Verein für Frauenstimmrecht“ gründete, der schließlich in den „Weltbund für Frauenstimmrecht“ mündete, und viele andere.
Auf Seiten der Sozialdemokratie ist an herausragender Stelle Clara Zetkin zu nennen, die allerdings nur mittels einer Revolution die Emanzipation der Frauen für möglich hielt. Die Begründerin des Spartakusbundes und der späteren KPD, Rosa Luxemburg, sah das Frauenwahlrecht ausschließlich unter dem Aspekt des proletarischen Klassenkampfs und nicht als davon unabhängige emanzipatorische Forderung.
Der Interessenkonflikt zwischen den bürgerlichen und den sozialdemokratischen Frauenvereinen erschwerte die Durchsetzung der Forderungen ebenso wie das preußische Vereinsgesetz, das Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen verbot. Dies änderte sich auch nicht im Ersten Weltkrieg, in dessen Verlauf der Kampf gegen den Krieg und die sozialen Aufgaben an der sogenannten Heimatfront vorrangig wurden. Erst gegen Kriegsende lebte die Wahlrechtsbewegung wieder auf und gipfelte Ende Oktober 1918 in einem Schreiben von 58 Frauenorganisationen an den letzten kaiserlichen Reichskanzler Max von Baden. Die revolutionären Ereignisse im November 1918 brachten dann endlich den Durchbruch. In der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung in Weimar betrug der Frauenanteil 8,5 Prozent, im ersten Deutschen Reichstag der Weimarer Republik 8,7 Prozent. Die NS-Ideologie reduzierte die Frauen wieder auf den häuslichen Bereich. Die Frauenverbände lösten sich im Rahmen der Gleichschaltung auf, das passive Wahlrecht wurde den Frauen entzogen.
Auch wenn die vollständige Gleichberechtigung mit dem Wahlrecht noch lange nicht erreicht war, stellt es einen entscheidenden Fortschritt und eine wichtige Etappe in diesem Kampf dar. Erst das Bonner Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2) brachte nach heftigen Auseinandersetzungen und einer Protestaktion tausender Frauen aller Schichten im männlich dominierten Parlamentarischen Rat die verfassungsrechtlich garantierte Gleichstellung von Frauen und Männern. Deren praktische Umsetzung dauert trotz der Ergänzung nach der Wiedervereinigung („Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“) noch an.
In der reichhaltigen Plakatsammlung des Bonner Stadtarchivs befindet sich nur ein Plakat, das sich ausdrücklich an Frauen wendet. Nur zwei Tage vor der Wahl zur Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung veranstaltete die SPD eine Frauenversammlung, deren Titel auf das berühmte und weitverbreitete Buch von August Bebel von 1879 anspielt: „Die natürliche Stellung der Frau zum Sozialismus“. Die Referentin Hildegard Wegscheider war durch ihren Lebenslauf besonders geeignet, das politische Bewusstsein ihrer Geschlechtsgenossinnen zu wecken: Als erste Frau hatte sie mit Sondergenehmigung in Preußen ihr Abitur gemacht, wurde als eine der ersten Frauen zum Dr. phil. promoviert, gründete das erste private Mädchengymnasium in Berlin und unterrichtete seit 1909 in Bonn. In der Weimarer Zeit war sie Abgeordnete im preußischen Landtag, nachdem sie schon zuvor für die SPD Mitglied der verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung gewesen war. 1933 entließen die Nationalsozialisten die inzwischen in Berlin als Oberschulrätin tätige Frauenrechtlerin.
Dass die SPD als einzige Partei, die sich früh für die politischen Rechte der Frauen eingesetzt hatte, nicht durch ein überwältigendes Votum der Wählerinnen belohnt wurde, liegt wohl an der eher konservativen und kirchlich gebundenen Grundeinstellung vieler Frauen.
Februar 2019: Valentinstag
Das für Februar vorgestellte Foto stammt von dem Bonner Fotografen Georg Munker (*16.09.1918 Schnaittach †19.11.2002 Bonn). Einen Teilnachlass Munkers, der aus mehr als 100.000 Negativen besteht, besitzt das Bonner Stadtarchiv; ein weiterer Teilnachlass befindet sich im Bundesarchiv in Koblenz.
Georg Munker war einer der wenigen ständigen Pressefotografen der frühen Bonner Republik – sein umfangreiches Oeuvre zeichnet sich durch die Dokumentation politischer Ereignisse und aktueller Bonner Themen aus. Das schwarz-weiß Foto (DC17_03432) verdeutlicht, dass er auch ganz romantisch Stimmungen festhalten konnte. Das Bild ist in die Mitte der Sechziger Jahre zu datieren und zeigt ein junges, sich zugewandtes Paar vor dem Hintergrund des nächtlich beleuchteten Springbrunnens am Bonner Kaiserplatz. Kaum mehr als die Silhouetten der beiden Verliebten sind zu sehen und es scheint, dass sich ihre Körper herzförmig vereinen. Die Gesichter sind durch das Gegenlicht scharf umrissen, fast wie ein Scherenschnitt muten sie an, wobei selbst die leicht geöffneten Lippen der beiden herausgearbeitet scheinen: Romantik pur – passend zum Valentinstag am 14. Februar.
Der Valentinstag wird heute weltweit als „Tag der Verliebten“ gefeiert. Wie bei vielen überlieferten Festen gibt es hier die unterschiedlichsten Thesen zur Entstehung und Verbreitung. In Deutschland wurde der Valentinstag erst nach dem Zweiten Weltkrieg „modern“ – so veranstalteten amerikanische Soldaten 1950 in Nürnberg den ersten „Valentinsball“. Wie an keinem anderen Tag im Jahr schnellt am „Fest der Verliebten“ der Blumenverkauf in Deutschland in die Höhe, was darauf schließen lassen könnte, der Valentinstag sei von den Floristen erfunden worden. Doch der romantische Brauch ist alt und wird bereits seit dem 14. Jahrhundert gefeiert. Der Ursprung des Gedenktages geht jedoch noch auf eine viel frühere Zeit zurück und ist in verschiedenen Versionen tradiert, da es mehrere frühchristliche Heilige namens Valentinus gab. Der Überlieferung nach wird er in erster Linie dem Bischof Valentin von Terni zugeschrieben, der, trotz des Verbots von Kaiser Claudius II, Soldaten christlich traute und ihnen dabei Blumen schenkte, was dann im Brauchtum am Valentinstag übernommen wurde. Valentin von Terni soll am 14. Februar 269 wegen seines christlichen Glaubens hingerichtet worden sein, wodurch sich das Datum für den Jahrestag erklärt. Die Valentin-Verehrung ist seit circa 350 nachweisbar. Der Heilige Valentin gilt als Patron der Bienenzüchter, Verliebten und Brautleute und wurde schließlich im Jahre 496 von Papst Gelasius heiliggesprochen.
Der englische Schriftsteller und Staatssekretär Samuel Pepys soll 1667 mit einem vierzeiligen Liebesgedicht, die „valentines“, nämlich die Grußkarten begründet haben; diese handgeschriebenen Valentinsgrüße sind seit dem 19. Jahrhundert dann den in Massen produzierten Karten gewichen. In England erwählen sich Frauen und Männer seit über 500 Jahren am 14. Februar einen „Valentin“ oder eine „Valentine“. So sang bereits Ophelia in Shakespeares „Hamlet“:
Tomorrow is Saint Valentine’s day,
All in the morning betime,
And I a maid at your window,
To be your Valentine.
März 2019: 100. Todestag von Paul Adolf Seehaus (1891-1919)
Auch wenn einem dieser Name nicht sofort in Zusammenhang mit dem Expressionismus einfällt, so war Paul Adolf Seehaus der einzige gebürtige Bonner im Kreis der Rheinischen Expressionisten. Geboren am 7. September 1891 unter dem Namen Paul Adolf Hermann (wohl in der Bornheimer Straße 8), hatte er ein inniges Verhältnis zu seinem Vater, mit dem er oft Zeit in der Natur verbrachte. Mit dreizehn Jahren fesselte ihn vermutlich eine Knochentuberkulose lange Zeit ans Bett, wo Seehaus auch schriftstellerische Versuche zu Papier brachte.
Jedoch entdeckte er schnell die malerische Tätigkeit als besseres Medium. 1911 begann eine innige Bekanntschaft mit dem bekannten Bonner Künstler August Macke. Es entstand ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Da Macke Seehaus schon sehr früh als eigenständigen Künstler ansah, nahm er ihn mit in die „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“, die vom 10. Juli bis 10. August 1913, stattfand sowie zum „Ersten Deutschen Herbstsalon“ vom 20. September bis 1. November 1913. Seehaus mochte die Treffen der Rheinischen Expressionisten, war er dort doch unter Gleichgesinnten, die sich über die neusten Kunstströmungen austauschen konnten.
Ab März 1913 begann Seehaus das Studium der Kunstgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Parallel zu seinem Studium nahm er mehr und mehr an Ausstellungen teil und verbrachte die Semesterferien an verschiedenen Orten, um sich künstlerisch inspirieren zu lassen.
Seine Dissertation ab 1918 behinderte Seehaus stark an seiner künstlerischen Tätigkeit, konnte diese aber nach der Promotion in Hamburg bei seiner Verlobten nachholen. Dort war Seehaus in seinem Element. Er pflegte Kontakte zu anderen Künstlern und malte in seinem Atelier „auf Vorrat“. Ende Februar 1919 befiel Seehaus eine plötzliche, angebliche Lungenentzündung, an der er am 13. März 1919 verstarb.
Trotz seiner damaligen Bekanntheit wird sein Name in der heutigen Zeit kaum mit dem Rheinischen Expressionismus in Verbindung gebracht, was seinem frühen Tod geschuldet ist. Dies wollte der Kunsthistoriker und Kurator Peter Dering ändern.
In einer Kooperation mit dem August-Macke-Haus wurde seine Dissertation als Begleitbuch zu der von Dering konzipierten Ausstellung „Paul Adolf Seehaus (1891-1919) - Leben und Werk“ publiziert, die vom 18. Juni bis 12. September 2004 lief.
Darin stellt er eine umfassende Untersuchung zur Lebensgeschichte dar, analysiert den künstlerischen Ideenreichtum und erstellt passend zu Seehaus' Lebensabschnitten ein umfassendes Werksverzeichnis. Der Ausstellungskatalog zeigt Werke von Künstlern, die Seehaus in seiner Entwicklung inspiriert haben und für ihn große Vorbilder waren, beispielsweise Caspar David Friedrich, El Greco und natürlich August Macke. Zudem werden Stilrichtungen beschrieben, die Seehaus mit in seine Werke fließen ließ, zum Beispiel der Kubismus.
Ausführlich wird die Landschaftsmalerei betrachtet, die wohl wichtigste Gattung in Seehaus' Werk. Der Künstler wechselte im Laufe der Zeit seinen Stil von farbenfrohen zu dunklen Landschaftsmalereien. Gebiete, die er in seinen Werken wiederholt malte, waren die Bonner Umgebung, die Eifel sowie die Küsten der Ostsee und Großbritanniens.
Weitere Kataloge zu Ausstellungen, die sich mit Bonner Künstlern und ihren Werken auseinandersetzen, befinden sich im Bestand des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek Bonn.
April 2019: Ein Stadtplan gibt Rätsel auf
Bei diesem handlichen Stadtplan (Blattgröße 22 x 13 cm) mit Straßen- und Häuserverzeichnis in deutscher und englischer Sprache sind Herkunft, Verlag, Zeichner und Jahr der Veröffentlichung unbekannt.
Die Größe des Blattes und die Erklärungen zum Teil in englischer Übersetzung lassen einen touristischen Hintergrund vermuten. Die leicht fehlerhaften Straßenbezeichnungen weisen möglicherweise auf einen ausländischen Herausgeber hin. Vielleicht war der Stadtplan Teil eines englischsprachigen Reiseführers. Britische Touristen und Studenten traf man bis zur Mitte des 19. Jahrhundert in Bonn häufig an (siehe dazu unten genannte Literatur).
Das auf der rechten Seite sichtbare Erklärungsverzeichnis führt in der Nr. 1 bis 21 Institutionen und sonstige relevanten Gebäude in deutscher und englischer Sprache auf. Ab Nr. 22 werden die Straßen im Bonner Zentrum gelistet. Die Bezeichnungen sind dabei nicht immer einwandfrei, so zum Beispiel Diel Kirche statt Dietkirchen.
Hervorzuheben ist das noch vollständig unbebaute „Mühlheimer Feld“ entlang der Poppelsdorfer Allee. Der Flurname ist benannt nach einer alten Wüstung. Die Flur „Auf der Saugasse“ umfasst ungefähr den Bereich der heutigen inneren Nordstadt.
Weitere Besonderheiten sind außerdem der Schützenplatz mit Exerzierplatz auf dem Gelände der ehemaligen Universitäts-Frauenklinik und der heutigen Beethovenhalle sowie die sichtbaren Abschnitte des Godesberger Baches in der Nähe des Stockentores (Nr. 42). Der seit 2018 unter Denkmalschutz stehende Stadtgarten am Alten Zoll ist auch sehr detailreich abgebildet.
Für die Beantwortung einiger Fragen sind also Ansätze vorhanden. Viel Erfolg beim Rätseln!
Für die Auflösung des Rätsels gibt es einige Hilfen
Hinweise auf historische Namen finden Sie im Bonner Stadtplan unter Straßenkataster (Öffnet in einem neuen Tab).
In dieser Literatur finden sich außerdem Hinweise zur Topografie Bonns:
- Dietz, Josef: Topographie der Stadt Bonn, 2 Bde., Bonn 1962-1963. In: Bonner Geschichtsblätter, Bd. 16 und 17.
- Bonner Sackkalender 1804-1855.
- Berger, Arno: Blick auf Bonn in sechs Jahrhunderten.
und zu den Briten in Bonn im 19. Jahrhundert:
- Schloßmacher Norbert: „It is difficult to imagine a more agreeable spot than this for a residence...“. Briten in Bonn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Bonner Geschichtsblätter Bd. 47/48 (1998), S. 273-301.
- ten Haaf, Julia; Die Bonner Studenten zwischen Revolution und Reichsgründung, in: Bonna Perl am grünen Rheine: Studieren in Bonn von 1818 bis zur Gegenwart, hrsg. von Thomas Becker u.a.. (2013), S. 68.
Mai 2019: Das Paul Magar-Gedenkjahr
Der rheinische Künstler Paul Magar (1909 bis 2000) hätte am 14. November 2019 seinen 110. Geburtstag gefeiert. Ihm zu Ehren veranstaltet der Verein Kunst und Kultur Bad Godesberg (KuKuG e.V.) ein Magar-Gedenkjahr. Von Magar, dessen bekanntes Oeuvre in Bonn-Bad Godesberg entstand, besitzt das Stadtarchiv einige Grafiken. Aus dem Mappenwerk „Bonn. 12 Originallithographien“ soll das Blatt „Münster“ vorgestellt werden.
Der in Altenahr geborene Paul Magar studierte an verschiedenen Werkkunstschulen und an der Kunstakademie in Berlin; sein früher Stil war akademisch. Nach Krieg, russischer Gefangenschaft und Verlust sämtlicher Werke in Berlin begann er im Jahre 1947 in Bad Godesberg einen Neuanfang. Dort fand er in Auseinandersetzung mit der Malerei von Macke, Marc, Feininger und vor allem Delaunay seinen eigenen, unverwechselbaren Stil fand. Magars Kunst ist vor allem durch den Kubismus und die geometrische Abstraktion geprägt – die grafische Struktur ist für sein Werk bestimmend.
In den 1960er Jahren bekam Magar in Bonn mehrere große öffentliche Auftragsarbeiten, unter anderem das große Wandbild im Altarraum der Kirche Sankt Bernhard in Bonn-Auerberg, das großflächige Mosaik am Bad Godesberger Verkehrspavillon und das Glasmosaik für die Stirnseite des Kurfürstenbades in Bad Godesberg. Im Jahre 1973 erschien Paul Magars Mappenwerk „Bonn. 12 Originallithographien“. Der Mappe mit Blättern in den Maßen 53 x 63 Zentimeter liegt ein Begleittext bei, den der Bonner Kunsthistoriker Prof. Heinrich Lützeler verfasste. Die Inspiration zu diesem kubistisch geprägten Bonner Bilderzyklus bekam Magar von Eberhard Marx, dem ehemaligen Direktor des Bonner Kunstmuseums. Nachdem Marx Magars Mappenoeuvre „Dome am Rhein“ (12 Bleistiftzeichnungen im Offsetdruck, 1970) sah, bewegte er ihn dazu, ein ähnliches Projekt für Bonn in Angriff zu nehmen und so entstand Magars Mappenwerk mit den Bonn-Motiven. Dieses schenkte die Stadt Bonn Willy Brandt anlässlich seines 60. Geburtstags, wobei die zwölf Lithografien auf Brandt einen so großen Eindruck machten, dass er daraufhin Magar einen Besuch in seinem Atelier abstattete.
Blatt 6 der Bonn-Mappe mit dem Titel „Münster“ zeigt eine bekannte Bonner Szene, für die Magar eine ganz ungewöhnliche Perspektive gewählt hat. Das Beethovendenkmal – zentral im Bildvordergrund – ist von der Rückseite zu sehen und gibt den Blick auf das Bonner Münster frei.
Der Betrachterstandpunkt ist nicht real: Magar verringert hier Abstände, wodurch die Weite des Platzes verloren geht; er konzentriert die Objekte, indem er starke Hell-Dunkel-Kontraste einsetzt. Er lässt Hintergründe durchscheinen, sodass architektonische Gebilde und Figuren „durchsichtig“ erscheinen, was an Magars Studien der Glasmalerei erinnert; auch die scharf abgegrenzten Formen verweisen auf die Technik der Glasmalerei. Der Münsterplatz ist mit zahlreichen Personen bevölkert, die jedoch nur Staffagefunktion haben – als Silhouetten wirken sie vollkommen anonym. Diese stets anonymen Figuren baute Magar seit den 1970er-Jahren in seine überwiegend strukturell-architektonischen Bilder mit ein. Vegetation ist im Werk Magars nur andeutungsweise vorhanden, so sind hier die Bäume zu Blütenkelchen stilisiert.
Im Paul Magar-Jubiläumsjahr finden folgende interessante Veranstaltungen statt, die der KuKuG e.V. in Kooperation mit dem Verein „Bürger. Bad.Godesberg“ organisiert:
5.11 - 1.12.2019: Farb-Sicht, Retrospektive 1
Ausstellung in Bad Godesberg, im Haus an der Redoute
Ab 14.11. 2019: Farb-Sicht, Retrospektive 2
Ausstellung in Konz
10.11.- 2.12.2019: Farb-Sicht, Retrospektive 3
Ausstellung in Bad Godesberg, Kunstverein
16.11.2019: Bus-Exkursion nach Konz zur Besichtigung der Magar-Ausstellung und Bus-Exkursion aus Konz zu den Magar-Ausstellungen in Bad Godesberg
Juni 2019: Kinderbücher
Astrid LindgrenDas Wichtigste ist, dass Kinder Bücher lesen, dass ein Kind mit seinem Buch alleine sein kann. Dagegen sind Film, Fernsehen und Video eine oberflächliche Erfahrung.
Die Entwicklung des Kinderbuchs hat über Jahrhunderte stattgefunden. Einen Einstieg bietet das Mittelalter. Zu jener Zeit gab es kaum Kinderbücher. Der Großteil der Bevölkerung war arm und einen Schulbesuch der Kinder konnten sich nur sehr wenige Menschen leisten. Außerdem mussten Kinder armer Familien früh dem Vater im Handwerk oder der Mutter im Haushalt helfen. Nur Kinder reicher Bürger und Adeliger gingen zur Schule und lernten lesen und schreiben. Jedoch hauptsächlich, um dort streng erzogen und auf privilegierte Aufgaben vorbereitet zu werden. Damals musste jedes Buch von Hand abgeschrieben werden, weshalb nur von den wichtigsten Büchern Abschriften gefertigt wurden. Dazu zählten keine Kinderbücher. Als im Jahr 1450 der Goldschmied Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand, konnten Bücher zwar schneller vervielfältigt werden, aber Kinderbücher waren nicht wichtig genug, um diese neue Entwicklung dafür zu nutzen.
Anfang des 17. Jahrhunderts sollten Kinder dann lesen lernen, um hauptsächlich die Bibel lesen zu können. Nach und nach zeigte man kleine Bilder neben dem ABC, damit die Buchstaben passend zu den Bildern lernbar waren. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurden sogar enzyklopädische Kinderbücher entworfen. Man wollte den Kindern die Welt erklären. Zu jedem Artikel folgte erst ein Bild und dann der Text in zwei Sprachen: Deutsch und Latein. Damit wurde auch die lateinische Sprache gelernt. Im 18. Jahrhundert kam die Frage auf, ob auch Mädchen lesen sollten und wenn ja, was. Erst gab es nur Bücher über Haushalt und Kindererziehung, später setzten sich auch Romane für Mädchen durch. Großen Zuspruch fanden auch Abenteuerbücher für Kinder, ganz berühmt würde „Robinson Cruseo“ von Daniel Defoe (Original schon von 1715). Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte sich immer mehr Unterhaltungsgeschichten für Kinder, was sich bis heute nicht geändert hat.
Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek sind im Besitz einiger sehr besonderer und alter Kinderbücher. Zum Beispiel den Titel „Neues französisches und deutsches, der Fassungskraft der Kinder angemessenes ABC, welches auserlesene, leichte und belehrende Fabeln, Unterhaltungen, &c. enthält, nebst einer Anleitung zur Erleichterung des französischen Unterrichts 1849“ von 1810.
Dieses Buch ist in Deutsch und Französisch verfasst. Interessant ist, warum dieses Buch entstand. Der Autor wurde oft von Lehrern um ein leichtes Buch zur Erlernung der französischen Sprache gebeten. Man wünschte ein kleines Buch, „welches, außer dem ABC, Unterhaltungen für Kinder, Erzählungen, Fabeln etc. enthielte, alles stufenweise, zur Unterhaltung der Kinder und zur Beförderung ihres Geschmacks im Lesen eingerichtet“. Denn, wie der Autor feststellte, waren der Stoff der damaligen ABC Bücher „entweder über die Fassungskraft der Kinder, oder er hat nichts, oder nur sehr wenig Anziehendes für sie“.
Ein weiteres Buch im Bestand der Bibliothek ist der Titel „Dä Hond on dat Eechhohn. Ä Verzellsche für Blahge“ („Der Hund und das Eichhorn. Eine Geschichte für Kinder“). Es wurde 1849 von der Bonnerin Johanna Kinkel auf Rheinischem Dialekt geschrieben. Von 1909 ist der Titel „Arndts Märchen“. Geschrieben von Ernst Moritz Arndt, der viele Jahre in Bonn als Professor an der Universität gelehrt hat, beinhaltet es sechs Märchen. Auch wenn Arndt eher ein Kämpfer war und seine Kampfschriften und Kriegslieder berühmter sind, so sind seine Märchen dagegen „Geschichten voll Anmut und Schalkheit“ und sollen Kinderherzen erfreuen.
Im Bestand der Stadthistorischen Bibliothek befinden sich aber auch neue Kinderbücher. Beispielsweise spezielle Bonn-Kinderbücher. Da wäre das Bonner Märchenbuch für Kinder „Lisa und ihre Freunde der Nacht“ von Ursula Frank, in dem die schlauste Maus von Bonn Lisa die Hauptperson ist. Anhand Ihrer Abenteuer quer durch Bonn lernen Kindern die Stadt, Sehenswürdigkeiten und natürlich Beethoven kennen.
Für ältere Kinder gibt es das Schul- und Kinderbuch „Bonn-Buch für Kinder“ von Barbara Stein. Das Buch führt durch die Bonner Geschichte vom Altertum bis heute und zeigt die bedeutendsten Personen, Baudenkmäler und Wahrzeichen. Zusätzlich gibt es in diesem Buch Malbögen, Quizfragen und Bastelanleitungen, Arbeitsblätter, Such- und Beobachtungs-aufgaben.
Quellen:
- Jacobs, Heiner: Die Bilderwelt im Kinderbuch. Kinder- und Jugendbücher aus fünf Jahrhunderten. Köln: Museen der Stadt Köln, 1988
- Mozin, Abbe: Neues französisches und deutsches, der Fassungskraft der Kinder angemessenes ABC, welches auserlesene, leichte und belehrende Fabeln, Unterhaltungen, &c. enthält, nebst einer Anleitung zur Erleichterung des französischen Unterrichts 1849. Bonn: Kaspar Tilmes, 1810
- Kinkel, Johanna: Dä Hond on dat Eechhohn. Ä Verzellsche für Blahge. Bonn: Sulzbach, 1849
- Arndt, Ernst Moritz: Arndts Märchen. Leipzig: Abel & Müller GmbH, 1909
- Frank, Ursula: Lisa und ihre Freunde der Nacht. Das Bonner Märchenbuch für Kinder. Königswinter: Lempertz, 2013
- Stein, Barbara: Bonn-Buch für Kinder. 8. überarb. Aufl. Bonn: Bouvier, 2017
Juli 2019: Lächeln für Bonn im „amtlichen Mini“ – die ersten „Bonn-Hostessen“ vor 50 Jahren
Heute fast vergessen gehörten Stadthostessen vor 30 Jahren noch zum festen Bild der Bonner Stadtverwaltung: 1969 übernahmen „die elf freundlichen Damen des Informations- und Hostessendienstes“, wie es im Verwaltungsbericht der Stadt heißt, erstmals die Betreuung von Kongress- und Tagungsbesuchern. Die „Bonn-“ bzw. „Bundes-Hostessen“, wie sie auch genannt wurden, sollten in erster Linie den Charme und die Gastlichkeit der noch jungen Bundeshauptstadt repräsentieren und damit vor allem ein positives Image Bonns prägen. Außer auf Kongressen waren die jungen Frauen bei kulturellen Veranstaltungen, Pressekonferenzen, Ratssitzungen, Empfängen bis hin zu Staatsbesuchen und Auslandsveranstaltungen präsent. Besonders gefragt waren sie gelegentlich von Großveranstaltungen, wie etwa der Bundesgartenschau 1979.
Im April 1971 besuchten die städtischen Hostessen auf Einladung des Kanzleramts-ministers Horst Ehmke das Bonner Kanzleramt, was der Nordbayerische Kurier mit der jovialen Schlagzeile „Hübscher Besuch im Kanzleramt“ kommentierte. Mehrere in einer Akte des „Werbe- und Verkehrsamtes“ überlieferte Fotoaufnahmen dokumentieren diesen Besuch, gelegentlich dessen die „Bonn-Hostessen“ der Stadt offenbar auch mit Bundeskanzler Willy Brandt zusammentrafen und diesem eine Bonn-Krawatte überreichten.
Häufig im Fokus der Öffentlichkeit genossen sie eine Sonderrolle unter den städtischen Angestellten und hatten sogar ein eigenes Büro im Godesberger Rathaus. Die sprachlich und stadthistorisch geschulten Frauen waren jedoch seltener am Schreibtisch, sondern vor allem hinter den Theken der städtischen Informationspavillons anzutreffen, wo sie als „wandelnde Lexika in Sachen Bonn“ Hauptstadttouristen aus dem In- und Ausland in wechselnden Schichten Auskünfte erteilten oder auch bei der Hotelsuche halfen.
Nicht nur ihrer Kenntnisse wegen, die die Frauen im Rahmen ihrer Ausbildung und Schulungen im städtischen Werbe- und Verkehrsamt erhielten, sei Hostess ein „Job bei der Stadt mit guten Heiratschancen“, so das zeitgenössische Urteil einer Bonner Zeitung. Das Augenmerk der lokalen und zuweilen auch überregionalen Presse richtete sich nicht selten recht einseitig auf die ‚äußerlichen Qualitäten‘ der uniformierten „Stadtgirls“, „Mädchen in Violett“ oder auch „Mini-Mädchen“, wie sie in entsprechenden Berichten tituliert wurden. Als die Stadt im Herbst 1970 eine neue ‚modischere‘ Hostessen-Uniform einführte, die nicht zuletzt auf Wunsch der Trägerinnen anstelle des kurzen Minis einen wärmeren Midi-Rock und Stiefel vorsah, löste dies eine größere Modediskussion in der lokalen Presse aus, innerhalb der sich sogar der amtierende Oberstadtdirektor Wolfgang Hesse zu Wort meldete.
Der Beruf der Stadthostess – lange nur auf Auftritte als ‚wortlose Flankierung‘ auf Empfängen oder neben Rednerpulten reduziert – ist nicht zuletzt dank des sich wandelnden weiblichen Rollenbildes ein Auslaufmodell. 1989 – dem Jahr der 2000-Jahr-Feier – gab es immerhin noch 55 städtische Bonn-Hostessen. Ein Grund mehr an ein fast vergessenes Stück bundeshauptstädtischer Geschichte zu erinnern.
Quellen
- Bonn 1969 bis 1975. Bericht der Stadtverwaltung Bonn, Bonn 1975.
- Akte des städtischen Werbe- und Verkehrsamtes betr. Arbeit in den Bonner Informationsstellen, Einsatz von Hostessen (1969-1976), Signatur: N 80/240.
August 2019: 70 Jahre Bertha-von-Suttner-Platz Bonn
Der heutige Bertha-von-Suttner-Platz, ehemals das Gebiet westlich der Brückenstraße, war nach dem zweiten Weltkrieg ein Trümmerfeld; es war das Areal mit der größten Zerstörung in Bonn. Hiervon zeugt ein Foto des Stadtarchivs (DA01_04831-a), das diesen Bereich um 1948/1949 zeigt.
Das Bild von Paul Kersten aus der Städtischen Bildstelle zeigt bereits den Rohbau der Samenhandlung Mohr im Kreuzungsbereich Wenzelgasse/Bertha-von-Suttner-Platz, während im Hintergrund die Häuser an der Südseite der Friedrichstraße zu sehen sind. In dieser Zeit, nämlich am 5. August 1949 - also vor genau 70 Jahren -, kam es zu dem Beschluss des Straßenbenennungs-Ausschusses, den neu entstandenen Platz „Bertha-von-Suttner-Platz“ zu nennen. Es gab im Vorfeld jedoch eine heftige Debatte um die Namensgebung des Platzes – einen regelrechten „Taufstreit“. Die Frage nach der Beziehung von Bertha von Suttner zu Bonn wurde unter anderem im Sommer 1951 vom General Anzeiger aufgeworfen:
Aber muß man einem der größten Plätze der Stadt, in der Nähe der alten Beethovenhalle ausgerechnet diesen Namen geben, der jedem Bonner so fremd ist, daß er erst im Lexikon nachsehen muß, wer da überhaupt auf solche Weise den Nachfahren ins Gedächtnis zurückgeworfen wird?
Namensgeberin des Bonner Platzes war die österreichische Pazifistin Bertha Sophia Felicita Freifrau von Suttner, geborene Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau (1843-1914). Sie war im Jahre 1905 die erste weibliche Friedens-Nobelpreisträgerin. Bekannt wurde sie durch ihr Anti-Kriegsbuch „Die Waffen nieder“ aus dem Jahre 1889, das in der pazifistischen Bewegung einen großen Erfolg hatte. Ihr unermüdlicher Beitrag zum Frieden zeigt sich darin, dass sie 1891 die „Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ gründete und auf dem 3. Weltfriedenskongress in Rom desselben Jahres zur Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros gewählt wurde. Ein Jahr später war sie schließlich auch Mitbegründerin der „Deutschen Friedensgesellschaft“, die älteste Organisation der deutschen Friedensbewegung. Die Namensgebung des zentralen Bonner Platzes, einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Bonn, galt somit als Friedensmahnung: Es war ein klares Bekenntnis zu einer Zukunft in Frieden, eine Entscheidung, die mit dem Versprechen „Nie wieder Krieg!“ untermauert wurde.
Dank der Initiative des „Frauennetzwerks für Frieden e.V.“ in Bonn wurde Bertha von Suttner gewürdigt und weiterhin den Bonnern näher gebracht: Die zweieinhalb Meter hohe Edelstahl-Gedenkstele für Bertha von Suttner geht auf diesen Verein zurück, der die Skulptur durch Spendensammlungen finanzierte. Die Stele, von der finnischen Künstlerin Sirpa Masalin mit den Konturen von Bertha von Suttner gestaltet, wurde am 21. September 2013, dem Internationalen Friedenstag der Vereinten Nationen, eingeweiht. Sie befindet sich mitten auf dem Bürgersteig an der Ecke zur Sandkaule. Ein Jahr später, anlässlich des 100. Todestages von Berta von Suttner, organisierte das „Frauennetzwerk für Frieden“ eine Ausstellung unter dem Titel „Bertha von Suttner – Ein Leben für den Frieden“, die im Foyer des Stadthauses gezeigt wurde.
Die 70 Jahre der Platzbenennung nahm der Verein wiederum zum Anlass, Bertha von Suttner zu gedenken: Im Juni wurde eine Schautafel mit historischen Fotos an der Haltestelle „Bertha-von-Suttner-Platz“ enthüllt und von Ende August bis Ende Oktober ist die oben genannte Ausstellung aus dem Jahre 2013 nochmals im Stadthaus zu sehen. Auch das Frauenmuseum ist involviert, es zeigt am 30. August den Spielfilm „Herz der Welt“ (1954) über Bertha von Suttners Leben. Ab dem 21. September 2019 wird die Erstfahrt der „Bertha-Bahn“ (Straßenbahn-Linie 62) starten, die mit dem Konterfei von Bertha von Suttner ein Jahr lang durch Bonn fahren soll. Begleitend dazu wird an diversen Orten über die Pazifistin informiert werden: https://www.frauennetzwerk-fuer-frieden.de/themen/bertha-von-suttner/bertha-bahn-2019.html
Zu guter Letzt wird im Haus der Bildung die Historikerin Alma Hanning einen Vortrag über Suttners Werk „Die Waffen nieder!“ halten, welches vor 130 Jahren erstmals erschien.
September 2019: 200. Geburtstag von Clara Schumann
Am 13. September jährt sich Clara Schumanns Geburtstag zum 200. Mal. Der Festtag bietet Gelegenheit für das Stadtarchiv, im Zeitfenster September ein Exponat mit einer Widmung der Komponistin vorzustellen.
Das optisch ansprechende, aber auf den ersten Eindruck wenig aussagekräftige Exponat enthält indes eine Reihe bemerkenswerter (Bonn-) Bezüge. Das Jahr 1854, in dem die Partitur erschienen ist, bedeutete einen einschneidenden Wendepunkt im Leben der weltberühmten Pianistin. Im März des Jahres war ihr Mann Robert, mit dem sie die Liebesheirat als 21-jährige erst durch einen Prozess gegen ihren Vater Friedrich Wieck erzwungen hatte, nach einem Selbstmordversuch in die Heilanstalt in Bonn Endenich eingeliefert worden, wo er nach zwei Jahren im Beisein von Clara starb.
Von da an war die Künstlerin mit ihren sieben Kindern ganz auf sich selbst gestellt. In den vier Jahrzehnten, die sie ihren Mann überlebte, führte die gefeierte Virtuosin ein unstetes Reiseleben, das sie zu Konzerten durch ganz Europa führte, und verdiente damit den Unterhalt für ihre Familie. Die Vielfalt und Selbständigkeit ihres Lebens als Mutter, Künstlerin, Managerin und gefragte Klavierlehrerin machen sie zu einer in ihrer Zeit ganz außergewöhnlichen, modernen Frau. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Alten Friedhof in Bonn an der Seite ihres Mannes Robert, wie sie es sich gewünscht hatte. Ihrer beider Särge haben sich in der Gruft erhalten.
Joseph Joachim, der Adressat der Widmung, berühmter Geiger und häufiger musikalischer Partner von Clara, war ein enger Freund der Schumanns und kümmerte sich wie auch Johannes Brahms um den psychisch Kranken und stand Clara in dieser schweren Zeit und auch noch lange nach Schumanns Tod bei. Die Widmung, auf einer ihrer Konzertreisen verfasst, mag als Dank für diesen Freundschaftsbeweis zu verstehen sein. Joachim hatte ein besonderes Verhältnis zur Stadt Bonn, vor allem durch seine Beethovenpflege und durch seine Förderung des musikalischen Erbes von Robert Schumann. 1890 organisierte er das erste Kammermusikfest im gerade von einer Bürgerinitiative geretteten Beethovenhaus und wurde der erste Ehrenpräsident des Vereins Beethoven-Haus. Kurz vor seinem Tode wurde er dafür mit der Bonner Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.
Der 1793 gegründete Musikverlag Nikolaus Simrock gab Erst- und Nachdrucke der Partituren von Beethoven, Haydn, Mendelssohn-Bartholdy, Schumann und vor allem Brahms heraus und galt als einer der führenden Verlage in dieser Branche. Bis 1870 war das Stammhaus in Bonn, danach in Berlin. Die Dichtungen Friedrich Hebbels, Autor des Nachtlieds, inspirierten Robert Schumann immer wieder zu Kompositionen, vor allem zu seiner einzigen Oper Genoveva.
Es zeigt sich, dass diese unscheinbare Archivalie einen erstaunlichen Quellenwert besitzt.
Oktober 2019: Helfrich Bernhard Hundeshagen
Eine Karikatur-Zeichnung und eine Grafik aus der Sammlung des Stadtarchivs Bonn, geben Anlass an Helfrich Bernhard Hundeshagen zu denken, der am 18. September 1784 in Hanau geboren und am 9. Oktober 1858 in Endenich (bei Bonn) gestorben ist. Seine Eltern waren der Gymnasialprofessor, Syndikus in Hanau, Geheime Regierungs- und Hofgerichtsrat Johann Balthasar Hundeshagen (1734–1800) und dessen Ehefrau Dorothea Charlotte Stein.
Ab 1802 studierte Hundeshagen Jura in Marburg sowie von 1804 bis 1806 in Göttingen und wurde nach dem Studium „Hofgerichtsadvocat“ in Hanau. Er hatte sehr viele Interessen neben dem Jurastudium: Philosophie, Philologie, Architektur, Archäologie, Topographie, Zeichnen, Malen, Gedichte schreiben und Komponieren. Da ihm keine Karriere im Rechtswesen gelang, konzentrierte er sich mehr und mehr auf mittelalterliche Baukunst und besonders auf topographisch-kunsthistorische Beschreibungen.
Ab 1808 erfolgten seine ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Seit dieser Zeit hatte er Kontakt zu vielen bekannten Persönlichkeiten aus der damaligen Kunst- und Wissenschaftswelt – darunter Jacob und Johann Grimm, Achim von Arnim, Alexander von Humboldt und Sulpiz Boisserée. Während Hundhagens Jahren in Wiesbaden traf er um 1814/15 auf Johann Wolfgang von Goethe, der dort zur Kur war. Der Umgang war scheinbar recht privat – ein Brief von Goethe an Hundeshagen verdeutlicht deren gemeinsames Interesse an einer gewissen Dame.
Bernhard Hundeshagen hat umfangreiche und zeitaufwändige Studien betrieben, viele Entwürfe und Notizen sowie ausgearbeitete Manuskripte hinterlassen. Als sein Hauptwerk gilt "Kaiser Friedrichs I. Barbarossa Palast in der Burg zu Gelnhausen", welches er schon 1808 fertig stellte, aber erst 1818 erscheinen konnte. Die Herausgabe des Werkes verzögerte sich, weil die bereits fertig gedruckten Seiten während eines Brandes, der am 3. Juni 1813 durch Bomben von Napoleonischen Gruppen auf Hanau entstand, zerstört wurden. Bei diesem Brand verlor Bernhard Hundeshagen auch einen großen Teil seines Privateigentums.
1812 wurde er vom Herzog von Nassau für verschiedene Aufgaben im neu errichteten topographischen Büro, in der Bibliothek, im Kunst- und allgemeinen Bauwesen sowie bei dem öffentlichen Unterricht berufen. Offiziell war er Leiter der neuen Nassauischen Landesbibliothek in Wiesbaden mit diversen zum Amt gehörenden Nebentätigkeiten, darunter auch die Beteiligung an archäologischen Ausgrabungen in Wiesbadens Umgebung und die Beaufsichtigung der Auflösung von Klosterbibliotheken.
Im Jahre 1817 erfolgte eine fristlose Kündigung, dafür gab es mehrere Gründe: So ließ Hundeshagen unter anderem ungenehmigte und nicht finanzierte Bauvorhaben für die Bibliothek durchführen und machte Literaturanschaffungen, die die zur Verfügung stehenden Mittel überschritten. Zudem zerstritt er sich mit seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten und verweigerte sich der Aufforderung der Landesregierung den Diensteid zu leisten.
Nachdem er aus dem Öffentlichen Dienst entlassen worden war, kam er 1820 nach Bonn. Hier wurde er der erste Dozent für theoretische und praktische Baukunst in der neugegründeten Universität - heute würde dieses Fach Architektur heißen. Er bezeichnete sich fortan als Baumeister. In den Vorlesungsverzeichnissen wurden die Lehrveranstaltungen „von Architekt, Herr Dr. Hundeshagen“ vom Wintersemester 1820/21 bis Sommersemester 1824 angezeigt.
In der Zwischenzeit war er in eine sehr schwierige finanzielle Lage geraten und konnte seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Iim April 1824 wurde ihm von dem Friedensrichter des Kreises Bonn Kreditunwürdigkeit bescheinigt, was Privatinsolvenz bedeutete. Er hatte nicht einmal Geld, um die Stempelsteuer für diese Bescheinigung zu entrichten. Hundeshagen hatte schon lange an „nervösen“ Anfällen gelitten und galt bereits in seiner Jugend als aufbrausend, nervös und sonderbar. Die neuen Umstände haben seinen Zustand scheinbar noch verschlimmert.
Durch Vermittlung von einigen Wissenschaftlern, mit denen Hundeshagen zusammengearbeitet hatte, z.B. Karl Ruckstuhl, der seine Leistungen bei Ausgrabungen am Bonner Römerlager schätzte, hat er verschiedene Aufträge und Unterstützung bekommen. Hundeshagen arbeitete als Architekt und blieb weiterhin wissenschaftlich und zeichnerisch tätig. Er hat sich als Komponist mit einer Nibelungen-Oper beschäftigt und einige topgraphisch-künstlerische Werke veröffentlicht, z.B. "Die Stadt und Universität Bonn am Rhein: mit ihren Umgebungen und zwölf Ansichten dargestellt", 1832. Bereits 1819/1820 fertigte er große, farbige, teilweise künstlerisch gestaltete Stadtpläne von der Stadt Bonn und ihrer Umgebung. Diese befinden sich im Stadtarchiv Bonn und sind mehrfach nachgedruckt worden.
Hundeshagen setzte sich für die Erhaltung der Schwarz-Rheindorfer Doppelkirche ein, welche schon für das Abtragen zum Verkauf angeboten worden war. Aus diesem Anlass ist eine Straße in Beuel nach Hundeshagen benannt worden. Nach und nach wurde Bernhard Hundeshagen zu einer Art „Stadtoriginal“, das in Zeitungsannoncen, Flugblättern und in sonstigen Aktionen ziemlich unverständlich seine Vorhaben und Beschwerden ankündigte und als Spottfigur der Karnevalisten diente. Schließlich wurden die Nachrichten über ihn seltener. Angeblich hatte er noch geheiratet. Nach dem Tod seiner Frau wurde seine psychische Krankheit so schlimm, dass er 1849 in die Nervenheilanstalt in Endenich eingewiesen werden musste. Dort war er einige Jahre lang Robert Schumanns Mitpatient und starb am 9. Oktobher 1858.
Am bekanntesten ist der mittlerweile sonst fast in Vergessenheit geratene Bernhard Hundeshagen durch den sogenannten „Codex Hundeshagen“. Diese mittelalterliche illustrierte Nibelungen-Handschrift von 1440 ist eine von nur zwei bekannten Exemplaren. Sie gehört heute zur Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Hundeshagen ließ diese Handschrift nicht wissenschaftlich untersuchen und gab nur sehr ungenaue Angaben über deren Erwerbung.
Sein Nachlass, den er gegen Geld an den Bonner Baumeister Christian von der Emden vermacht hatte, wurde in Bonn 1867 auktioniert. Ein Teilnachlass befindet sich im Stadtarchiv Bonn und ist teilweise eine abenteuerlich anmutende und fast beängstigende Sammlung von verschiedenen Schriftstücken, Noten und Zeichnungen, die er teilweise in winzige Schnipsel zerschnitten hat.
Quellen:
- Bernhard Hundeshagen und Jacob Grimm / Ludwig Denecke
In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde. 95 (1990). S. 197 - 206 Signatur: 2011/105-95- - Helfrich Bernhard Hundeshagen und seine Stellung zur Romantik: nebst zwei Beilagen / J. Noll., 1891, Signatur: P 478
- Bernhard Hundeshagens Skizzen von Hirschhorn aus dem Jahre 1804/von Gerda Panofsky-Soergel
- In: Beiträge zur rheinischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege. [1] (1970). (Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes : Beih. ; 16). S. [289] - 304, Signatur: II b 2509-16-
- Helfrich Bernhard Hundeshagen 1784 - 1858 : Leben und Werk eines Romantikers/Wolfgang Wagner
- In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde. 93 (1988). S. 111 - 128, Signatur: 2011/105-93-
- Topographisch-architektonischer Grundriss der Stadt Bonn und Umgebung bis Poppelsdorf. Gewidmet von Bernhard Hundeshagen. 1819 - StABo, Bb 31
- Zwölf malerische Ansichten von der Universitäts-Stadt Bonn und deren nächsten Umgebungen nach der Natur gezeichnet / nach der Natur gezeichnet von Bernhard Hundeshagen. In Kupfer gestochen von E. F. Grünwald ; E. Rauch ; C. Rauch u. J. J. Wagner ; Neudr., hrsg. vom Städt. Kunstmuseum Bonn. - Repr. d. Ausg. Bonn: Habicht 1832. Signatur: I e 1098
November 2019: Vor 150 Jahren - Abriss des Mülheimer Törchens in Bonn
Im Jahre 1869 – also vor 150 Jahren - ist das Mülheimer Törchen bei der Anlage der Münsterstraße abgerissen worden. Es war Teil der mittelalterlichen Stadtmauer im Bereich der heutigen Cassiusbastei und zwar gegenüber vom Kaufhaus Galeria (ehemals Karstadt). Die Stadtmauer, die in Bonn im Zuge der Stadtwerdung seit der Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, hatte neben den drei Haupttoren noch kleinere Tore: So gab es unter anderem das etwas weiter südlich des Sterntors nach Südwesten gelegene Mülheimer Törchen auch „Mülheimer Pförtchen“, „Mülmer thörlen“, „Mülheimer Türlein“ oder „Mülheimer Thürgen“ genannt. Der kleine Platz davor - „Auf dem Kälberdanz“ - wurde erstmals im Jahre 1737 erwähnt.
Im 13. Jahrhundert bei der Ausführung der Ringmauern errichtet, fand das Mülheimer Törchen im Jahre 1372 die erste urkundliche Erwähnung. Seinen Namen erhielt es von dem nahe am Endenicher Bach gelegenen Fronhof von St. Cassius. Durch dieses Törchen gab es nun eine direkte Verbindung zwischen dem Cassiusstift und der kleinen Siedlung Mülheim, die aus einem großen Gehöft, dem Bongartshof (1401-1676) sowie neun Wohnhäusern bestand. Der auch „Molenheim“ genannte Hof mit der am „Bonner Bach“ gelegenen Mühle wurde im Jahre 1143 erstmals erwähnt.
Wie ein Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä. aus dem Jahre 1646 zeigt, lag er vor dem Mülheimer Törchen an einem Wege zwischen heutiger Post- und Meckenheimer Straße und reichte bis zur Quantiusstraße - also im Bereich des Hauptbahnhofes. Bei der Anlage der Festungswerke wurde die Siedlung schließlich im Jahre 1676 abgerissen. Auf Merians Stadtplan von Bonn ist das Mülheimer Törchen als viereckiger Vorbau dargestellt, der von zwei Halbtürmen flankiert wird. Über den Stabgraben führt eine mit Palisaden gedeckte Brücke, an deren Ende ein weiterer Torbau ausgeführt ist.
Der spitzbogige Eingang des Törchens war, ähnlich wie beim Sterntor, von einem Rundstab mit Teilungsringen eingefasst. Im Jahre 1689 wurde das Törchen bei der Brandenburgischen Belagerung Bonns stark beschädigt und kurz darauf mit dem alten Baustoff – nämlich aus Tuff und Basalt- in ziemlich roher weise wiederaufgebaut. Genau zweihundert Jahre später wurde es im März 1869 im Zuge der Stadtsanierung schließlich abgerissen.
Dezember 2019: James Hamilton Stanhope: Bonner Studenten 1819
Unlängst konnte das Bonner Stadtarchiv in einem englischen Antiquariat ein außergewöhnliches Blatt erwerben, das den Bestand des Hauses an „Studentika“ um ein bemerkenswertes Motiv ergänzt. Es handelt sich um ein feines Aquarell mit den Maßen 17,5 (Höhe) x 26 (Breite) cm und ist bezeichnet mit „Students at Bonn“. Es zeigt zwei junge Männer in typischer Biedermeier-Kleidung, helle Hose, eher dunkler Gehrock, und mit dem für Lernwillige notwendigen Schreibzeug unter dem Arm. Einer der beiden ist mit einer auffälligen roten Kopfbedeckung dargestellt, zudem mit einer seinerzeit in Studentenkreisen weitverbreiteten langen Meerschaum-Tabakspfeife.
Das Aquarell stammt von James Hamilton Stanhope (1788-1825). Er war das jüngste Kind von Charles Stanhope, dritter Earl Stanhope, und seiner zweiten Ehefrau Louisa Grenville. Mit fünfzehn Jahren begann er eine Militärlaufbahn, die ihn zu verschiedenen europäischen Kriegsschauplätzen, darunter nach Waterloo, führte, zuletzt stand er im Range eines Oberstleutnants. Von 1817 bis zu seinem frühen Tod war er, mit einer kurzen Unterbrechung, Mitglied des britischen Unterhauses.
Das Bild der Bonner Studenten entstand im Jahre 1819, vor genau 200 Jahren also, während einer Reise auf den Kontinent, die Stanhope gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau und deren Eltern unternahm. Es handelt sich bei den abgebildeten jungen Männern also um Bonner Studenten der ersten „Generation", war die Universität doch erst am 18. Oktober 1818 gegründet worden.
1820 heiratete Stanhope Frederica Louisa Murray, die älteste Tochter des Earls of Mansfield. Ihr früher Tod im Januar 1823 im Zusammenhang mit der Geburt des zweiten Kindes führte den Witwer in eine tiefe Depression; Stanhope zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und lebte zuletzt im Haus der Schwiegereltern, in Kenwood House in London. Dort schied er am 5. März 1825, 36-jährig, freiwillig aus dem Leben.
Bereits 1816 hatte Stanhope die Rückseite des Blattes genutzt: Ebenfalls in Wasserfarben hatte er eine Ansicht der Lahnmündung („View opposite conflux of Lahn and Rhine, July 16“) gefertigt, die in frühromantisch überhöhter Weise einen zentralen Abschnitt des Mittelrheins zeigt. Weitere Arbeiten von Stanhope mit Motiven von Rhein, Mosel und Neckar sind bekannt.
Die Neuerwerbung des Stadtarchivs belegt zweierlei: Zum einen war Stanhope 1819, als er die Bonner Studenten abbildete, keinesfalls zum ersten Mal am Rhein unterwegs gewesen. Zum anderen beweist das Blatt, dass Stanhope zu den unzähligen Briten gehörte, die insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts „vom Zauber des Rheins ergriffen“ waren, wie der Titel einer viel besuchten Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum im Jahre 1992 über die Entdeckung der Rheinlandschaft lautete.