Januar 2018: Erster Empfang der Sternsinger beim Bundespräsidenten
Seit dem Jahre 1983 heißt der Bundespräsident jedes Jahr am Dreikönigstag eine Sternsinger-Gruppe willkommen. Die Sternsinger sind zwischen Weihnachten und dem 6. Januar unterwegs, um Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln und mit Kreide ihren Segen – zwischen den Zahlen des neuen Jahres die Buchstaben C M B – an der Haustüre anzubringen.
Es war Karl Carstens, der als erster Bundespräsident die als Heilige Drei Könige verkleideten Kinder in der Villa Hammerschmidt begrüßte und diese Tradition initiierte. Diesen Auftakt belegt unsere Archivalie des Monats, aufgenommen vom Bonner Fotografen Camillo Fischer.
Camillo Fischer
Der studierte Landwirt Camillo Fischer (* 23. Juni 1920 in Zittau/Sachsen; † 2. November 2009 in Straubing) begann 1959 – also erst mit fast vierzig Jahren – seine fotografische Tätigkeit und arbeitete seitdem als freier Bildjournalist. Er entwickelte seinen ganz eigenen Stil: Fischers Markenzeichen war das Fotografieren ohne „störenden“ Blitz. Dies und vor allem auch seine diskrete Art öffneten ihm häufig Türen zu jenen Veranstaltungen von Politikern und Prominenten der ehemaligen Bundeshauptstadt, die der Presse ansonsten verwehrt waren. So konnte er während seiner vierzigjährigen Arbeit sehr viele internationale Persönlichkeiten ablichten: Er schuf unter anderem Momentaufnahmen von Adenauer – der ihn „Don Camillo“ nannte –, Brandt, Schmidt, Kennedy, Breschnew, Chruschtschow sowie von Johannes Paul II., Mutter Teresa, dem Dalai Lama, den Rolling Stones, Warhol und Beuys.
Fischer prägte das Bild des politischen und kulturellen Geschehens der „Bonner Republik“, seine Fotos sind zu einem wichtigen Teil des visuellen Erbes der neueren Geschichte Deutschlands geworden.
Das Stadtarchiv Bonn besitzt seit dem Jahr 2010 den gesamten Nachlass von Camillo Fischer. Mit über zweieinhalb Millionen Negativen handelt es sich um den größten Bestand des Bildarchivs, der zurzeit umgebettet und dessen Verzeichnung überarbeitet wird.
Februar 2018: Geschichte des Bonner Stadtarchivs
Das Bonner Stadtarchiv – Gedächtnis der Stadt Bonn – übernimmt, bewertet, erschließt, verwahrt und macht nutzbar. Eine erste Erwähnung stammt aus dem Jahre 1284, und zwar als „scrinium seu archivum publicum scabinorum Bonnensium“ („Schrein oder öffentliches Archiv der Bonner Schöffen“). Es wird vermutet, dass die Entstehung dieser Einrichtung mit der rechtlichen Stadtwerdung Bonns in der Mitte des 13. Jahrhunderts im Zusammenhang steht. Bonn ist demnach eine der vier ersten niederrheinischen Städte, die über ein Archiv verfügten. Auch in der Bonner „Policey-Ordnung“ von 1585 werden das Stadtarchiv und seine Aufgaben ausdrücklich erwähnt.
Im Jahre 1689 kam es zu einem sehr großen Verlust: Bei der Beschießung Bonns im Pfälzischen Erbfolgekrieg verbrannte auch das Archiv: Vom „verbrenten Archivio“ ist die Rede und noch 1709 davon, dass durch den Verlust der Unterlagen „alles in eußerste Confusion gestellet worden“. Ein Neuaufbau wurde eingeleitet. Während das Archiv über Jahrhunderte vornehmlich der eigenen Verwaltung diente, wurden 1899 Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek als wissenschaftliche Einrichtung und eigenes Kulturinstitut gegründet. Es kam zu einer Neuordnung der Bestände und die Unterlagen waren nun allen Bürgerinnen und Bürgern zu wissenschaftlichen Zwecken zugänglich. Bis 1942 war das Archiv im Alten Rathaus untergebracht, ehe die Archivalien in Bunkern – vor allem im Gronaubunker – ausgelagert wurden.
Nach dem Krieg zog das Stadtarchiv in die Quantiusstraße 9. Die abgebildete Fotografie der städtischen Bildstelle, entstanden um 1960, zeigt das Magazin des Archivs: Es ist bis unter die ausgesprochen hohe Decke mit Archivalien angefüllt. Auf der linken Bildseite erkennt man Aktenbündel aus dem Bestand „Preußische Zeit“; die Akten waren noch in Packpapier gewickelt und mit einer Kordel verschnürt, die bei jeder Benutzung aufwendig geöffnet werden musste. Rechts sieht man die Bonner Melderegisterkarteikarten, die in Pappkartons untergebracht waren.
1977 erfolgte der Umzug ins Stadthaus. Dieser war nötig geworden, nachdem im Zuge der kommunalen Neuordnung von 1969 auch die Stadt- bzw. Gemeindearchive von Bonn, Bad Godesberg, Beuel, Duisdorf und Oberkassel vereinigt wurden. Mittlerweile steht ein erneuter Umzug für das in den letzten Jahrzehnten enorm angewachsene Archiv bevor: Im Juli 2017 beschloss der Rat der Stadt die Verlagerung von Stadtarchiv und Stadthistorischer Bibliothek auf das Gelände der Pestalozzischule an der Budapester Straße. Hierfür sind jedoch umfangreichere Um- und
Neubaumaßnahmen erforderlich, so dass mit einem Bezug der neuen Räumlichkeiten erst im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zu rechnen ist.
Um die oft im Verborgenen stattfindende Archivarbeit bekannter und transparenter zu machen, findet seit 2001 regelmäßig bundesweit ein „Tag der Archive“ statt, an dem die Archive ihre Türen noch weiter öffnen als üblich. Seit 2010 findet dieser „Tag der offenen Tür“ immer im März statt, zum Gedenken an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009. In diesem Jahr präsentiert sich das Bonner Stadtarchiv der Öffentlichkeit mit dem Thema „Demokratie und Bürgerrechte“, und zwar am Samstag, den 3. März 2018.
März 2018: Der Parlamentarische Rat in Bonn 1948
Im Sommer des Jahres 1948 entscheiden die Ministerpräsidenten der Länder, dass die Stadt Bonn der Sitz des neuen Parlamentarischen Rates wird. Die Beratungen sind zunächst für den Zeitraum September bis Dezember geplant und stellen die Stadt vor einige Herausforderungen, was die Unterbringung der Abgeordneten und ihre Verpflegung betrifft. Die Akten des Werbe- und Verkehrsamtes der Stadt Bonn mit der Signatur N 03/5 stellen eine umfangreiche Dokumentation dieser kurzfristigen Vorbereitungen dar. Instandsetzungen der Pädagogischen Akademie und des Museums Koenig gehören ebenso dazu wie die Aufforderung an die Bonner Bürger, für ein ordentliches Stadtbild zu sorgen, indem sie Bürgersteige und Vorgärten pflegen.
Die Zusammenkunft des Parlamentarischen Rates fällt bezeichnenderweise in das Jahr des 100. Jubiläums der Deutschen Revolution von 1848 und die darauffolgende Verkündung der Grundrechte des Deutschen Volkes durch die Frankfurter Nationalversammlung. Dementsprechend findet sich in den Akten auch das Anschreiben des Florestan Verlags Gummersbach Rheinland an die Bonner Stadtverwaltung mit dem Vorschlag, die Veröffentlichung „des bekannten Bonner Historikers Prof. Dr. Heinrich Neu ,Die Revolution von 1848'“ den anwesenden Politikern und Journalisten als Geschenk zu überreichen; mit dem Hinweis, dass sie „besonders die Bedeutung Bonns für das erste Deutsche Parlament herausstellt“.
Dieser freundliche Vorschlag des Verlags wird „mit Rücksicht auf die Finanzlage“ von der Stadt abgelehnt, die Publikation findet aber immerhin ihren Weg in die Verwaltungsbücherei und in den Katalog der Stadthistorischen Bibliothek. Dort kann sie unter der Signatur IIa 1214 eingesehen werden.
Die 65 Vertreter der Länderparlamente treffen sich dieser Episode ungeachtet am 1. September 1948 im Lichthof des Museums Koenig zur feierlichen Eröffnung des Parlamentarischen Rates. Unser Bild zeigt den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Karl Arnold am Rednerpult stehend. Ihm gegenüber in der ersten Reihe sitzen unter anderem der zukünftige erste Bundespräsident Theodor Heuss und der ehemalige Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer, der 1949 zum ersten Bundeskanzler gewählt wird.
Dieses Zeitfenster zeigt deutlich, wie sich die Bestände des Stadtarchivs thematisch ergänzen. Akten aus dem Archiv, Publikationen aus der Stadthistorischen Bibliothek und die Bildbestände der Dokumentation ermöglichen dadurch umfangreiche wissenschaftliche Forschung. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich davon zum Beispiel beim bundesweit stattfindenden Tag der Archive am 3. März 2018 selbst ein Bild machen. Vorträge, Magazinführungen und Ausstellungen unter dem bundesweiten Thema „Demokratie und Bürgerrechte“ geben Einblick in die Arbeit des Stadtarchivs und die Vielfalt seiner Bestände.
April 2019: Aenne Gausebeck (1890-1969)
Aenne Gausebeck war eine charismatische Referentin und Publizistin sowie Verfechterin für Verbesserungen und Fortschritt im Landfrauenleben. Im April wird im Zeitfenster eine kleine Auswahl Schriften von Aenne Gausebeck aus dem Bestand der Stadthistorischen Bibliothek vorgestellt. Diese Schriften wurden antiquarisch im Jahr 2015 erworben.
Die aus Everswinkel (Münsterland, Westfalen) stammende Aenne Gausebeck war ab 1910 acht Jahre lang als Lehrerin in ländlichen Gegenden, hauptsächlich in Westfalen und im Rheinland, tätig. 1918 bekam sie eine Stelle bei der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz (später Landwirtschaftskammer Rheinland) in Bonn. Sie wurde Referentin und Publizistin für ländliche Themen, die vor allem Frauen, Kinder und Familien betrafen: Weiterbildung der Landfrauen, Arbeitserleichterung, Haushaltsmodernisierung sowie Verbesserung der Wohnverhältnisse und Ernährung, aber auch Einbindung von Kunst, Kultur, Schönheit und Genuss in das ländliche Alltagsleben. Sie veröffentlichte bis in die 1960er Jahre zahlreiche Schriften, die sehr erfolgreich wurden und teilweise jahrzehntelang immer wieder als Neuauflagen veröffentlicht wurden.
Sie ermutigte Landfrauen oft sehr persönlich und humorvoll, sich weiterzubilden, Baumaßnahmen am Haus und Stall (mit-)zu planen und zu verwirklichen, Landwirtschafts- und Haushaltsmaschinen zu bedienen, Ordnung zu halten, Kräuter beim Kochen zu benutzen, den Tisch schön zu decken und bei der Auswahl einer neuen Milchkanne nicht nur an die praktische Seite zu denken, sondern auch schöne Formen und Farben zu berücksichtigen.
Gausebeck achtete sehr auf eine hochwertige und ausdrucksstarke Illustration ihrer Veröffentlichungen und ließ häufig den Bonner Fotografen Gerhard Sachsse Sonderaufnahmen für ihre Schriften anfertigen.
Die Westfalin studierte an der Universität Bonn nebenberuflich Philosophie, Kunstgeschichte und Literatur und promovierte über „Liebe und Ehe im Anschauungswandel des internationalen Frauenromans seit der Frauenbewegung“. Sie selbst heiratete nie und hatte keine Kinder.
Das Berufsleben von Aenne Gausebeck dauerte bis 1955, aber auch nach der Pensionierung blieb sie publizistisch tätig und wirkte aktiv in Landfrauenvereinigungen mit. 1962 überreichte ihr der Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels den Bundesverdienstorden.
Literatur von Aenne Gausebeck in der Stadthistorischen Bibliothek Bonn:
- Rheinische Volkstänze. Hrsg. von Aenne Gausebeck. Klaviersatz von Klaviersatz von Heinrich Oberbach. 1929 ; Sign.: II b 2617.
- Haushaltspflege aus dem Herzen : mit 156 Bildern von Arbeitserleichterungen für die Hausarbeit. 1943 ; Sign.: 2015/547.
- Landfrau und Kamerad Maschine. 1950 ; Sign.: 2015/542.
- Liebe deckt die Tische, oder Familien feiern im Jahreskreislauf. [1951] ; Sign.: 2015/543.
- Denen, die das Land lieben : ein Hausbuch für Kultur und Leben. Hrsg. von Aenne Gausebeck ...1955 ; Sign.: 2015/546.
- Die Landfrau zwischen gestern und morgen : Erlebtes, Erschautes und Gedachtes. 1960. ; Sign.: 2015/517.
Quellen:
- Akte: N 10/179 (Bundesverdienstorden)
- Literatur: Sawhan, Anke: Wir Frauen vom Land : wie couragierte Landfrauen den Aufbruch wagten. 2010 ; Sign.: 2015/518
Außerdem:
- Fotografensammlung Gerhard Sachsse, Bestand DC 02
Mai 2018: Zum 110. Todestag des Bonner Philologen Franz Bücheler (1837-1908)
Am 3. Mai 1908 starb in Bonn der Philologe Franz Bücheler. Er gilt als bedeutender Vertreter der unter seinem Lehrer Friedrich Ritschl begründeten ‚Bonner Schule‘ der klassischen Philologie, die sich vor allem durch ihre methodische Textkritik auszeichnete und das Bonner Philologische Seminar bis zum Zweiten Weltkrieg zu einem der renommiertesten Institute Mitteleuropas machte. Gemeinsam mit dem Gräzisten Hermann Usener leitete Bücheler dieses bis zu seiner Emeritierung 1906. Der bei seinen Fachkollegen hochangesehene Latinist machte sich während dieser Zeit nicht zuletzt durch seine maßgebliche Mitarbeit am „Thesaurus linguae Latinae“ – einem bis heute noch nicht abgeschlossenen Wörterbuch des antiken Latein von den Anfängen bis 600 n. Chr. – einen Namen weit über Bonn hinaus.
Bücheler, der am 3. Juni 1837 in Rheinberg als Sohn des Friedensrichters Anton Bücheler geboren wurde, studierte ab 1852 in Bonn Klassische Philologie, Archäologie und Alte Geschichte, unter anderem bei Friedrich Gottlieb Welcker, Ludwig Schopen und Friedrich Ritschl. Nach seiner Promotion 1856 arbeitete Bücheler zunächst als wissenschaftlicher Hilfslehrer am Königlichen Gymnasium in Bonn (heute Beethoven-Gymnasium). Im Anschluss an seine Habilitation wurde er als Universitätsprofessor zunächst nach Freiburg i. Br. (1858) und Greifswald (1866) berufen, bevor er 1870 als Nachfolger von Otto Jahn an die Bonner Universität zurückkehrte. Bis zu seinem Tod lebte Bücheler in Bonn-Kessenich, wo sich auf dem Alten Friedhof noch heute sein Grab befindet und seit 1953 zudem eine Straße nach ihm benannt ist.
Der umfangreiche wissenschaftliche und persönliche Nachlass Franz Büchelers befindet sich im Stadtarchiv Bonn, wo er derzeit erstmalig umfassend verzeichnet und über ein Online-Findbuch zugänglich gemacht wird. Ein erster Nachlassteil wurde bereits 1936 von der Ehefrau des jüngsten Sohnes und Bonner Landgerichtsrates Emil Bücheler als Schenkung abgegeben. Umfangmäßig den größten Anteil macht neben Familiendokumenten der Ehefrau Manuela Schleiden, Tochter eines Bergwerksdirektors, die wissenschaftliche Korrespondenz aus (insgesamt 1.153 Briefe). Unter den etwa 365 Schreibern finden sich nicht wenige bedeutende Persönlichkeiten wie etwa die Althistoriker Theodor Mommsen und Otto Hirschfeld oder auch speziell aus Büchelers Bonner Kollegen- bzw. Schülerkreis die Klassischen Philologen Friedrich Ritschl, Hermann Usener, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Friedrich Marx oder Eduard Norden. Im Bestand befinden sich nur wenige persönliche Materialien – die meisten Dokumente stammen aus Büchelers Wirkungszeit in Bonn bzw. seiner Lehrtätigkeit an der Bonner Universität ab 1870.
Eine Ausnahme stellt ein im Quartformat gehaltenes Notizbuch aus Büchelers Bonner Studienzeit dar, das eigenhändige Mitschriften zu mehreren von Bücheler zwischen 1852 und 1854 gehörten Vorlesungen enthält, darunter etwa zur „Encyclopädie der Philologie“ von Friedrich Ritschl oder zur „Griechischen Mythologie“ von Friedrich Gottlieb Welcker.
Juni 2018: Der Bonner Box-Champion Adolf Heuser
Adolf Heuser wurde am 3. Oktober 1907 in Bonn-Buschdorf geboren. Der Sohn eines Maurers hatte 16 Geschwister und war nach der Schule zunächst auf dem Gut Buschdorfer Burg tätig. Im Jahre 1926 wurde er Mitglied des Bonner Boxclubs und 1929 Berufsboxer, nachdem er 30 Amateurkämpfe absolviert hatte. Schon zwei Jahre später besiegte Heuser den Europameister Martinez de Alfara durch K.o. und gewann so dessen Titel. Im selben Jahr trat er eine Reise in die USA an, wo er in 15 Monaten 13 von 14 Boxkämpfen gewann und aufgrund dieser Erfolge den Beinamen „Deutsche Bulldogge“ bekam.
Schließlich wurde Heuser Deutscher Meister und gewann 1938 von Gustav Roth den Welt- und den Europameistertitel im Halbschwergewicht. Im nächsten Jahr wurde er Europameister im Schwergewicht, als er Heinz Lazek besiegte - es war das erste Mal, dass dieser vorzeitig durch K.o. verlor.
Am 2. Juli 1939 verlor Adolf Heuser jedoch gegen Max Schmeling, Weltmeister im Schwergewicht, durch K.o. in der 71. Sekunde. 1949 beendete er seine sportliche Karriere aufgrund zunehmender gesundheitlicher Probleme.
Heuser bestritt insgesamt 127 Kämpfe, von denen er 88 gewann und nur 21 verlor; ein Kampf wurde nicht gewertet und 17 Kämpfe endeten unentschieden. Von den 88 Siegen gewann Heuser 43 Mal durch K.o. und verlor durch K.o. zwölf der 21 Niederlagen. Als erster und bisher einziger Welt- und Europameister im Boxen geht er in die Bonner Sportgeschichte ein.
Die Fotografie zeigt eine Autogrammkarte. Heuser ist in der Boxgrundposition mit Boxhandschuhen, -shorts und -schuhen zu sehen. Außerdem sind die handschriftlichen Zeilen „Greetings from America, März 1932, A. Heuser“ zu lesen. In jenem Jahr besiegte er durch K.o. den amtierenden Weltranglistenersten George Manley.
Juli 2018: Digitalisierung der historischen Zeitungen in Nordrhein-Westfalen und das Bonner Wochenblatt
Am 29.06.2018 geht das LVR-Portal für historische Zeitungen in NRW online. Über das Portal werden die Ergebnisse eines vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Projekts zur Digitalisierung historischer Zeitungen präsentiert. Langfristiges Ziel des Projekts ist die Digitalisierung und kostenfreie Online-Veröffentlichung des gesamten Spektrums historischer Zeitungen aus Archiven und Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen. Das Projekt wurde 2014 von der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB) gestartet, bekam 2017 die Förderung durch das Land NRW und wurde in enger Abstimmung mit dem Landschaftsverband Rheinland auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgeweitet. Bis 2019 sollen ca. 5000 Zeitungsmikrofilme (ca. 6 000 000 Zeitungsseiten) digitalisiert und im Internet einsehbar sein. Das Stadtarchiv und die Stadthistorische Bibliothek Bonn gehören zu den ersten Einrichtungen, die an diesem Projekt teilnehmen.
Aus dem Bestand des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek sind bisher 11 Titel im Rahmen dieses Projekts digitalisiert worden, zuletzt die Jahrgänge 1913 – 1942 der Godesberger Volkszeitung. Aus Anlass der Freischaltung des Portals wird im Zeitfenster das Bonner Wochenblatt als ein Beispiel der digitalisierten Zeitungen aus der Sammlung der Stadthistorischen Bibliothek vorgestellt und ein kurzer Einblick in die Bonner Zeitungsgeschichte gegeben. Von 1808 bis 1811 erschien die Zeitung als Wochenblatt des Bönnischen Bezirks und ab 1812 als Feuille d’affiches. Bonner Nachrichts-und Anzeige-Blatt, dessen letzte zweisprachige Nummer am 14.01.1814 erschien. Die Folgenummern hießen nur noch Bonner Wochenblatt.
Der Herausgeber war Peter Neusser, der 1801 durch Heirat in die Familie Rommelskirchen in den Besitz der ehemaligen Hofdruckerei kam. Seitdem ist die Familie Neusser als Zeitungsherausgeber und Verleger tätig. 1840 wurde das Bonner Wochenblatt von Peter Neussers Sohn, Johann, übernommen. Das Bonner Wochenblatt erschien in wechselnden Formaten anfangs zweimal in der Woche (sonntags und donnerstags), ab 1836 dreimal in der Woche (sonntags, dienstags und freitags) und seit dem 01.07.1843 täglich.
Nachdem die Franzosen Bonn verlassen hatten und die Stadt am 05.04.1815 an Preußen angeschlossen worden war, begann eine wechselvolle Übergangszeit. Das Wirtschaftsleben erholte sich langsam und die Einwohnerzahl begann zu steigen. Die 1818 gegründete Universität wirkte sich positiv auf das gesamte Stadtleben aus. Auch Verleger, Buchdruckereien und Buchhandlungen bekamen neue Aufträge, zudem wurden neue Unternehmen gegründet. Das Bonner Wochenblatt berichtete strengen preußischen Zensurauflagen gemäß über lokale und regionale Ereignisse, veröffentlichte aktuelle Nachrichten, offizielle Meldungen, unterhaltende Beiträge und Anzeigen. Politische Themen kamen hingegen nicht vor. Das Bonner Wochenblatt bewahrte diesen Charakter jahrzehntelang praktisch ohne konkurrierende Zeitungsunternehmen. Diesbezügliche Pläne der Buchhändler Adolf Marcus und Heinrich Büschler sowie des Universitäts-Kurators Philipp Joseph Rehfues wurden von der Behörde abgelehnt.
Schließlich gelang es Heinrich Büschler im Jahr 1824, eine viertägige Bonner Zeitung herauszugeben. Die Zeitung mit harmlosen politischen Nachrichten und Unterhaltung erschien bis 1829. Danach wurde sie von Emil Thormann herausgegeben, nachgewiesen ist der Jahrgang 1830. Das Revolutionsjahr 1848 befreite zwar die Presse aus der Zensur, brachte aber auch neue Herausforderungen an das politisch und religiös zurückhaltende, konservative Zeitungsunternehmen mit sich.
Gottfried Kinkel begründete 1848 die demokratische Neue Bonner Zeitung mit der Spartacus-Beilage und forderte auch die Bonner Zeitung heraus. Johann Neusser hielt sich über die turbulente Zeit vollkommen zurück und rettete so sein Unternehmen in die Reaktionszeit hinüber. Seit dem 01.09.1850 hieß das Blatt Bonner Zeitung verbunden mit dem Bonner Wochenblatt und seit dem 01.10.1859 Bonner Zeitung. Ab 01.12.1889 lief die Zeitung unter dem Namen General-Anzeiger für Bonn und Umgegend.
Ab dem 16.08.1944 erfolgte auf Einwirkung der Reichspressestelle eine erneute Änderung des Titels in Bonner Nachrichten, Tageszeitung für Bonn und Umgebung. Nach der Zerstörung des Verlagshauses bei dem Bombenangriff auf Bonn am 18. Oktober 1944 und mehreren Versuchen einer Herstellung der Zeitung in anderen Betrieben wurde schließlich der Druck der Zeitung am 02.03.1945 eingestellt und erst wieder am 01.10.1949 unter dem alten Titel General-Anzeiger neu aufgenommen.
Literatur und Links:
- Henseler, Theodor Anton: Beiträge zur Geschichte des Bonner Buch- und Zeitungsverlages
In: Bonner Geschichtsblätter; Bd. 7 (1953). S. 7 - 131. - Wenig, Otto: Buchdruck und Buchhandel in Bonn, 1968.
- Vogt, Helmut: Familie Neusser: Verlegerfamilie (seit 1772)
(27.06.2018).
August 2018: Zum 90. Todestag des Bonner Musikdirektors Hugo Grüters (1851-1928)
Vor 120 Jahren, am 25. Juli 1898, trat Hugo Grüters seine Stelle als Städtischer Musikdirektor in Bonn an, auf die er sich genau drei Monate zuvor beworben hatte. Während seiner fast 25-jährigen Amtszeit fanden in Bonn zahlreiche bedeutende Musikfeste statt, darunter das Händel-Fest (1900), das Bonner Schumann-Fest (1906), das Brahms-Schumann-Fest (1910) und das Mittelrheinische Musikfest der Städte Bonn und Koblenz (1914). Auch die Gründung des Beethovenorchesters im Jahr 1907 fällt in diese Zeit.
Zu Grüters bedeutendsten Schülern zählten der Dirigent Fritz Busch und dessen Bruder, der Violinist Adolf Busch. Außerdem war er engagierter Förderer von jungen Talenten wie dem Musiker Rudolf Peters und vor allem dem Komponisten Max Reger, mit dem ihn auch eine enge Freundschaft verband. Geboren wurde Hugo Grüters am 8. Oktober 1851 in Uerdingen als Sohn des Organisten und Chorleiters Matthäus Grüters. Nach vierjährigem Besuch des Konservatoriums in Köln trat er 1871 seine erste Stelle als Musikdirektor in Zieriksee/Holland an. 1873 wechselte Grüters nach Hamm in Westfalen und wiederum 1877 für ein Jahr nach Zweibrücken. Anschließend war er als Musikdirektor in Saarbrücken und ab 1884 in gleicher Position in Duisburg tätig.
Anfang Oktober 1922 trat Grüters in den Ruhestand und starb – vor genau 90 Jahren – am 19. August 1928 während eines Erholungsaufenthaltes in Leukerbad in der Schweiz. Seine Beisetzung erfolgte wenige Tage später auf dem Poppelsdorfer Friedhof, wo sich auch heute noch sein Grab befindet. Der mit über vier laufenden Regalmetern sehr umfangreiche Nachlass Hugo Grüters (SN 70) befindet sich im Stadtarchiv Bonn und umfasst neben persönlichen Dokumenten sowie einer Sammlung von Konzertprogrammen aus den Jahren 1898 bis 1925 die nahezu vollständige Familienkorrespondenz von Hugo Grüters und seinen Kindern.
September 2018: Der Bonner Marktplatz um die Jahrhundertwende
Diese seltene Ansicht des Bonner Marktplatzes um die Wende zum 20. Jahrhundert ist Teil der aktuellen Ausstellung „Bonn. Fotografien von 1850 bis 1970“. Die Fotografie stammt von Carl Schaaf und lenkt den Blick über den Marktplatz durch die Marktbrücke auf die Türme des Münsters. Im Vordergrund herrscht geschäftiges Markttreiben an einem Spätsommertag. Lieferanten, Pferdedroschken und Karren transportieren Personen und Waren durch die Menge. Es gibt nur wenige feste Marktstände. Viele Händlerinnen, darunter vor allem Bäuerinnen aus der Voreifel in ihrer typischen Tracht, bieten ihre Waren in großen Körben und Kiepen auf dem Kopfsteinpflaster an, darunter Kohl, Äpfel, Kartoffeln und Blumen. Die zumeist weibliche Kundschaft betrachtet die angebotenen Produkte genau und lässt sich die Waren präsentieren.
Die drei großen Geschäfte Mundorf, Blömer und Alsberg säumen den Marktplatz. Während Mundorf auf „Mädchen- und Knaben-Confection“ spezialisiert ist, bietet das Kaufhaus Blömer ein breiteres Spektrum an Bekleidung, Manufakturwaren und Wäsche an. Das Modehaus Alsberg ist auch auf internationale Kundschaft, insbesondere britische Touristen, eingestellt und offeriert „Ready made Costumes“. Die eindrückliche Aufnahme von Carl Schaaf (1857-1920) gewährt einen unnachahmlichen Einblick in das Bonner Alltagsleben. Carl Schaaf zählte zu den bedeutendsten Bonner Fotografen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. In einem späteren Nachruf der Bonner Rundschau vom 3. Oktober 1965 ist über Carl Schaaf zu lesen:
Weitere fünf Bilder von Carl Schaaf werden in der anfangs genannten Ausstellung gezeigt. „Bonn. Fotografien von 1850 bis 1970“ wurde von Rolf Sachsse kuratiert und ist vom 4. September bis 26. Oktober in der Volkshochschule im Haus der Bildung zu sehen (Mülheimer Platz 1, 53111 Bonn). Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 8-20 Uhr, am Wochenende zu den Kurszeiten. Der Eintritt ist frei.
Zum Thema der Ausstellung ist das Buch „Bonn. Von der Rheinreise zu den Ostverträgen. Fotografien 1850-1970“ im Greven Verlag Köln erschienen.
Oktober 2018: Die Konditorkunst in der Küche. Ein praktisches Hand- und Hausbuch von Carl Rittershaus
Das „süße Handwerk“ wurde früher gerne Sonntagnachmittag mit der ganzen Familie zelebriert. Konditoreien hatten immer viel zu bieten, guten Kuchen und leckeren Kaffee, aber auch viel Klatsch und Tratsch. Im Bonner Stadtgebiet gab es vor dem zweiten Weltkrieg noch 70 Cafés, die mit ihrem Angebot die Bonner Bürger verwöhnten. Eins davon war die Hofkonditorei Rittershaus in der Kaiserstraße. Gegründet 1898 von Carl Rittershaus, belieferte sie auch Kronprinzen Wilhelm von Preußen mit Köstlichkeiten. Nach dem Krieg konnte sich das Café wieder etablieren, wechselte hin und wieder seine Inhaber, aber war immer eine sehr gute Adresse für Leckereien. Ludwig Erhard hat hier Pralinen für sich gekauft und Herbert Wehner trank samstags seinen Kaffee und setze das ganze Lokal mit seinem Pfeifenqualm in ein rauchiges Dickicht.
Aber nicht nur Inhaber und Konditormeister war Carl Rittershaus, sondern auch Autor des Buches „Die Konditorkunst in der Küche. Ein praktisches Hand- und Hausbuch“. Es gab Anfang des 20. Jahrhundert zwar genug Rezeptbücher, er kam aber den Bitten seiner Kundschaft nach und verfasste ein eigenes, nach seiner Meinung „vorteilhaftes, zur wesentlichen Erleichterung dienendes Hilfsmittel für jede Küche“. Außerdem bemängelte er die Durchführbarkeit der angegeben Rezepte in anderen Werken oder den hohen Preis der zuverlässigen Fachschriften.
In dem 1909 erschienenen Buch war ihm die „Appetitlichkeit und gute Bekömmlichkeit“, wichtig, aber vor allem, dass auch Frauen mit einfacher Küchenausstattung die Rezepte umsetzen können. Auf 269 Seiten beschreibt Carl Rittershaus die Welt der Sahnetorten, Cremetorten und Obsttorten, die Vielfalt von Gebäck, Baumkuchen und Mandelbergen sowie kleinere Backwerke, Waffeln, Zwieback und Biskuits. Aber auch Liebhaber von Eisspeisen, Pudding, Marmelade und sogar herzhaften Pasteten, Fleischgerichten und Saucen werden in diesem Buch fündig. Die Rezepte sind kurz und knapp, aber sehr genau und verständlich für die Zubereitung geschrieben. Damit jeder mit diesem Exemplar arbeiten kann, wird zu Beginn erst noch ein Glossar mit Utensilien und Fachausdrücken aufgezählt. Das Buch endet mit Darstellungen von Tortenvorlagen und -garnierungen, mit Designvorschlägen für Eisbomben und Schriftvorlagen für eine gelungene Gestaltung besonderer Backwerke.
November 2018: Hausakte Tempelstraße 2-6 (Pr 24/56)
Am „hellichten Tag“ des 10. November 1938 brannten in Mehlem, Bad Godesberg, Poppelsdorf, Beuel und Bonn die Synagogen. Bereits in der Nacht zuvor waren in ganz Deutschland vermeintlich „spontane“ Aufwallungen des Volkszorns seitens NSDAP und SA regelrecht angeordnet und organisiert worden. Am 7. November 1938 hatte der in Paris lebende 17-jährige Herschel Grynszpan den Mitarbeiter der Deutschen Botschaft, Ernst Eduard vom Rath, erschossen. Dieses als „Attentat“ propagandistisch genutzte Geschehen wurde für die nun einsetzende antijüdische Hetzkampagne, das so genannte „Novemberpogrom“, regelrecht instrumentalisiert. Die Zerstörung der Synagogen war ein weiterer Schritt auf einem 1933 begonnenen Weg, der in Auschwitz und in anderen Vernichtungslagern enden sollte.
Die größte und architektonisch bedeutsamste jener Synagogen war die Bonner. Sie war am 31. Januar 1879 am Rheinufer an der damaligen Judengasse 2-6 (1886 in Tempelstraße umbenannt) feierlich eingeweiht worden. Der Bonner Oberbürgermeister hatte in einer symbolischen Geste das Portal aufgeschlossen. Der imposante Bau mit seiner Schauseite zum Rheinufer hin war im neoromanischen Stil und unter Verwendung orientalischer („maurischer“) Schmuckelemente errichtet worden.
Der Entwurf stammt vom damals in Bonn tätigen Architekten Eduard Hermann Maertens (1823-1898).Das Grundstück, auf dem die Synagoge und die ebenfalls von der jüdischen Gemeinde genutzten Nachbargebäude gestanden hatten, lag jahrzehntelang brach und wurde als Parkplatz genutzt. Die alte Tempelstraße war verschwunden. Auf dem Grundstück der alten Synagoge befindet sich heute ein Hotelkomplex. Am 11. Januar 1963 wurde auf einen Ratsbeschluss hin am westlichen Widerlager der Rheinbrücke unmittelbar neben der zerstörten Synagoge eine bronzene Gedenktafel zur Erinnerung an dieses Gotteshaus enthüllt.
Zu jedem Gebäude gehört seit etwa den 1880er Jahren eine sogenannte „Hausakte“, die jedes Bauwerk von der Bauantragstellung bis zu ihrem Abriss begleitet und von der zuständigen Bauverwaltung geführt wird. Diese Hausakten enthalten unter anderem Entwurfszeichnungen, Pläne sowie Gesuche bezüglich Um- und Anbauten. Diese Akten gelten als laufendes Verwaltungsgeschäft, solange die Gebäude existieren. Erst nach deren Zerstörung oder Abriss gelangen die Akten ins Archiv.
Und während die Hausakten der 1938 ebenfalls niedergelegten Nebengebäude der Synagoge in der Tempelstraße 10 und 12 seit etwa den 1950er Jahren ordnungsgemäß Archivgut geworden waren (Signatur: Pr 24/1685), galt die Hausakte der Synagoge selbst als verschollen. Durch einen glücklichen Umstand wurde diese materiell wie ideell so wertvolle Akte im November 2017 wiedergefunden und dem Stadtarchiv übergeben. Das Dokument war seinerzeit im Zusammenhang mit der Herstellung der Gedenktafel von der Bauverwaltung zur Verfügung gestellt worden und in Vergessenheit geraten.
Inhalte der Schriftstücke sind etwa die Beantragung des Neubaus vom 12. Dezember 1876, Entwurfszeichnungen, Grund- und Aufrisse, Bauskizzen, Anträge zu baulichen Veränderungen und eine lapidare Notiz von 1955, dass die in Rede stehenden Grundstücke an der früheren Tempelstraße im Rahmen eines „Umlegungsverfahrens“ in das Eigentum der Stadt Bonn übergegangen seien. Der neu entstandenen jüdischen Gemeinde in Bonn war übrigens bereits 1950 ein Grundstück an der Wörthstraße (heute Tempelstraße) übereignet worden, auf dem 1959 die heutige Bonner Synagoge entstand. Die Geschehnisse vom November 1938 haben übrigens keinen unmittelbaren Niederschlag in der Hausakte der Synagoge gefunden. Lediglich der Aktendeckel weist den zwar korrekten aber dennoch zynisch klingenden Vermerk „niedergelegt Ende 1938“ auf.
Dezember 2018: Das Magazin „Ohrenkuss... da rein, da raus“
Das Magazin „Ohrenkuss“ feierte im November 2018 sein 20-jähriges Bestehen. 1998 gegründet als Projekt der downtown Werkstatt für Kultur und Wissenschaft, sollte es laut der offiziellen Homepage zeigen, dass auch Menschen mit Down-Syndrom lesen und schreiben und daher auch Autoren sein können. Das Magazin erscheint zweimal im Jahr und befasst sich mit einem Thema, welches auf 28 Seiten widergespiegelt wird. Dafür schreiben die ständigen Ohrenkuss-Autoren, die sich regelmäßig treffen - aber auch Menschen mit Down-Syndrom aus aller Welt schicken ihre Artikel per Post, per Mail oder per Sprachnachricht. Das Magazin ist seit 20 Jahren dem Layout des ersten Heftes treu geblieben: der Titel oben in einem Querbalken gedruckt, das Heftthema in einem unteren Querbalken fotografisch abgebildet und auch verschriftlicht.
Es ist ein Magazin von jungen Menschen mit Behinderung, die Ihre Behinderung aber gar nicht als solche darstellen. Sie schreiben über das Thema, wie jeder andere Jugendliche oder junge Erwachsene über interessante Themen schreibt. Dabei werden ihre Texte nicht zensiert, denn alle Geschichten und Gedichte der Autoren sollen original wiedergegeben werden. Dazu lassen sie sich ganz natürlich fotografieren oder sogar ganze Fotostrecken von sich erstellen.
Die erste Ausgabe von November 1998 behandelt das Thema Liebe. Hier wird eine Liebesgeschichte erzählt, die in Wien stattfand. Fotos zeigen, wie die zwei Autoren sich treffen, wie man zusammen lacht, sich berührt und sogar küsst. Genau wie in jeder „Bravo Love Story“ wird ein glückliches Paar gezeigt, was Ende der 90er Jahre trotzdem noch eine Besonderheit darstellte, da es sich um zwei Menschen mit geistiger Behinderung handelte. Auf weiteren Seiten erklären die Autoren, welche Arten von Liebe es gibt, zum Beispiel die Liebe zwischen Mutter und Kind oder zwischen Freunden. Sie ergänzen das Thema mit Gedichten und erzählen ganz selbstverständlich von ihrem Liebesleben.
In der Jubiläumsausgabe geht es um das Thema Ozean. Es wird gezeigt, wie das Ohrenkuss-Team das Ozeaneum in Stralsund besucht und den dortigen Leiter zum Interview bittet. Zudem wird auch eine Mitarbeiterin von Mission Lifeline interviewt - eine Nichtregierungsorganisation, deren Anliegen es ist, Menschen in Seenot zu retten. Das Interview wird begleitet von kurzen Texten der Autoren.
Eine Fotostrecke zeigt einen jungen Mann nur in Badehose, dazu viele Kurzgeschichten und Gedanken zum Thema Meer und Wasser. Immer wieder wechseln sich Fotografien von Tieren, Küstenpanoramen oder Häfen ab. Weitere Themen des Magazins waren unter anderem: Arbeit, Musik, Sport, Frau und Mann, Mode, Mongolei, Wohnen, Baby, Luxus, Humor, Anfang der Welt.
Alle Themenhefte sind im Bestand der Stadthistorischen Bibliothek und können bei Interesse ausgeliehen werden.