Januar 2015: 175 Jahre „Maikäferbund“ - Ein Dichterkreis im biedermeierlichen Bonn
Der Maikäferbund war ein spätromantischer Dichterkreis, der am 29. Juni 1840 von Johanna Mockel (seit 1843 verh. Kinkel) und Gottfried Kinkel in Bonn gegründet wurde und bis zum März 1847 bestand. Dieser literarische Zirkel des „Vormärz“ hatte den Vortrag und die Besprechung von Lyrik zum Ziel, außerdem sollte er eine Plattform für Veröffentlichungen bieten. Die handschriftliche Vereinszeitschrift der Gruppe „Der Maikäfer, Zeitschrift für Nicht-Philister“ erschien wöchentlich jeweils in einem einzigen Exemplar und war mit vielen farbenfrohen und amüsanten Vignetten ausgeschmückt.
Anfänglich handelte es sich mehr um eine Sammlung satirischer Beiträge, die auf das Bonner Spießbürgertum zielte und wurde schließlich zu einem wichtigen literarischen Organ. Neben den spöttischen Anekdoten und romantischen Liebesgedichten finden sich auch Abhandlungen über philosophischtheologische sowie literatur- und kunstwissenschaftliche Themen. Die Transkription der Zeitschrift wurde übrigens im Jahre 1982 in der Reihe „Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn“ zum hundertsten Todestag von Gottfried Kinkel in vier Bänden herausgegeben.
Dem Maikäferbund gehörten bedeutende Vertreter der jüngeren Rheinromantik an. Mitglieder waren u.a. Karl Simrock, Wolfgang Müller von Königswinter und Nikolaus Becker. Diese gaben sich ausgefallene Spitznamen - so hieß beispielsweise Gottfried Kinkel „Minister“, „Urmaikäfer“ oder „Urmau“, Johanna Kinkel war die „Directrix“, „Königin“ oder auch „Nachtigall“, Karl Simrock nannte sich „Redlich“ und Wolfgang Müller von Königswinter war
der „Gewitteranschieber“.
Um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe zu stärken, gab es nicht nur eine Vereinshymne und ein jährliches Stiftungsfest, sondern auch einen Maikäferorden: Ein circa acht Zentimeter langer handgenähter Maikäfer an einem grünen Seidenband, den man um den Hals tragen konnte und auf dessen Flügeln die Worte „Halli Hallo“ eingestickt waren. Hier kann man sich fragen, ob nicht vielleicht sogar Johanna Kinkel selbst diese Handarbeiten ausgeführt hatte. Ein Exemplar befindet sich in der im Stadtarchiv angelegten Sammlung „Gottfried und Johanna Kinkel“ (SN 098-182), die aus einem Umfang von 238 Einheiten besteht. Darunter befinden sich neben dem Orden persönliche Dokumente (u.a. Visitenkarten, Autogramme), Urkunden, Korrespondenz, Manuskripte von Gedichten, Reden, Erzählungen und Kompositionen sowie Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1830 bis 1876.
Zum zweihundertsten Geburtstag Gottfried Kinkels, der am 11. August 1815 in Oberkassel geboren wurde und der zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Revolution 1848/49 im Rheinland zählt, wird das Stadtarchiv in Kürze das Kinkel-Findbuch überarbeiten und zeitnah online abrufbar machen (www.archive.nrw.de).
Februar 2015: 1000. Todestag der heiligen Adelheid von Vilich
Die heilige Adelheid von Vilich (geb. nach 965 und vor 970, gest. 5. Februar 1015) war die erste Äbtissin des Stiftes Vilich, das 978 von ihren Eltern Megingoz und Geberga gegründet wurde. Adelheid hatte im Kölner Ursulastift die nötige Bildung und Erfahrung für die Leitung eines Stiftes erhalten. Als Äbtissin war ihr die Armenfürsorge und die klösterliche Frauenbildung ein großes Anliegen. Sie gründete ein Krankenhaus und eine Schule, in der die Kinder der Armen unterrichtet und verpflegt wurden. Um 1000 wurde Adelheid auf Drängen des Kaisers als Nachfolgerin ihrer verstorbenen Schwester Bertrada auch Äbtissin von St. Maria im Kapitol in Köln. Sie wurde zu einer geistlichen Ratgeberin des Kölner Erzbischofs Heribert. Nach dem Tod ihrer Eltern wandelte Adelheid das Kanonissenstift Vilich in ein Benediktinerinnenkloster um, was den kirchenrechtlichen Status änderte und Auswirkungen auf den Besitz von Privateigentum sowie Veränderungen in Kleidung und Ernährung mit sich brachte.
Der Legende nach soll Adelheid bei einer großen Dürre um Regen gebeten und dabei mit ihrem Äbtissinnenstab in den Boden gestoßen haben. Dort sei eine Quelle entsprungen, die bis heute Adelheidispützchen (=Quelle der Adelheid) heißt. Dem Wasser wird Heilkraft zugeschrieben und soll aufgrund des hohen Alaungehaltes vor allem bei Augenkrankheiten helfen. Adelheid starb am 5. Februar 1015 nach einer schweren Halserkrankung in Köln. Erzbischof Heribert verweigerte zunächst die Überführung des Leichnams nach Vilich, gab aber schließlich den Bitten der Vilicher Nonnen nach. Der Leichnam wurde per Schiff nach Vilich gebracht und im Kreuzgang des Klosters beigesetzt.
30 Tage nach der Beisetzung fand das erste Heilungswunder an einem Blinden statt. Als sich weitere Wunder an ihrem Grab ereigneten, nahm der Zulauf der Pilger zu, wodurch das klösterliche Leben empfindlich gestört wurde. So kam es zum Bau einer neuen größeren Kirche. Die Gebeine der heiligen Adelheid wurden in die Krypta der Kirche umgebettet. Im 13. Jahrhundert wurde die Kirche umgebaut und für das Grab der Adelheid eine besondere Kapelle errichtet. Die Pilger zogen Händler zur Verpflegung und Schausteller zur Unterhaltung an. Daraus entwickelte sich der „Pützchens Markt“, bis heute einer der größten Jahrmärkte in Deutschland. Als nach Plünderungen im 16. und 17. Jahrhundert der Schrein und die Gebeine der heiligen Adelheid verloren gingen, verlagerte sich der Pilgerstrom immer mehr zur Adelheidisquelle. Die Betreuung der Wallfahrt wurde dem Karmeliterorden übertragen. 1696 erschien das von einem Karmeliter herausgegebene Pilgerbüchlein:
„Heylsamer Brunn auff der Adelichen Heyden. Das ist: Leben der heiliger Jungfrauen Adelheidis, Stiffter und erster Abtissin des Hoch-Adelich-Frey-Weltlichen Stiffts Vilich.“
Im Bestand des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek Bonn befindet sich die Ausgabe von 1730. Das kleinformatige Büchlein (8 cm x 12,5 cm) wurde in Mülheim am Rhein bei P. A. und J. W. Popper gedruckt und umfasst 94 Seiten und weist starke Gebrauchsspuren auf. Es ist in neun Kapitel aufgeteilt:
- Canal: Biografie des weltlichen Lebens der heiligen Adelheid
- Canal: Annahme der Regel des heiligen Benedikts
- Canal: Ausübung von Barmherzigkeit und Bestimmung zur Äbtissin von Maria im Kapitol in Köln
- Canal: Wunderzeichen zu Lebzeiten der heiligen Adelheid
- Canal: Tod von Adelheid und Wahl einer neuen Äbtissin in Vilich
- Canal: Schilderung von 7 Wunderzeichen nach dem Tod der heiligen Adelheid
- Canal: Schilderung von 12 Wunderheilungen in den Jahren 1677 bis 1678
- Canal: Novene oder neuntägige Andacht
- Canal: Gesänge zur Wallfahrt
Die 12 Wunder, über die im 7. Canal berichtet wird, sind in einem zeitgenössischen Stich dargestellt. Abgedruckt sind sie zudem bei Jakob Schlafke: Leben und Verehrung der Heiligen Adelheid von Vilich, S. 314 - 317.
Das 1. Heilungswunder wird folgendermaßen beschrieben: Im Jahr 1677 hat der Soldat Thomas Lüttich aus der Garnison in Bonn, der lahm und stumm und dessen Finger in die Hand gewachsen sind, völlige Gesundheit wiedererlangt, nachdem er sechs Tage das heilsame Brunnenwasser angewendet und das Grab der Heiligen Adelheid besucht hat.
Die Besucher der Grabstätte der heiligen Adelheid erhielten einen vollkommenen Ablass ihrer Sünden am 5. Februar, dem Fest der heiligen Adelheid, am 29. Juni, dem Fest von Peter und Paul, und an einem der drei Tage vor dem Fest Mariä Geburt oder am Festtage selbst, dem 8. September. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fanden die Wallfahrten zum Todestag von Adelheid am 5. Februar statt. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Wallfahrten wahrscheinlich wegen der im Februar schlechten Wetterbedingungen auf den 8. September zum Gedenktag von Mariä Geburt verlegt. Am 27. Januar 1966 sprach Papst Paul VI. Adelheid heilig. 2008 wurde sie neben Cassius und Florentius zur Bonner Stadtpatronin erhoben. Die Adelheidisverehrung hält bis in unsere Zeit an.
Literatur
- Bertha Vilicensis : Vita Adelheidis: lateinisch und deutsch; mit 27 Abbildungen zum Leben und zur Verehrung der hl. Adelheid = das Leben der hl. Adelheid von Vilich, eingeleitet und übers. von Heinz Piesik, Bonn 2003. 2015
- Brandt, Karsten: Pützchens Markt, Bonn 2001.
- Giersiepen, Helga: Das Kanonissenstift Vilich von seiner Gründung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Bonn 1993 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn ; 53)
- Groeteken, Albert: Die heilige Äbtissin Adelheid von Vilich. 2., verm. Aufl., Bigge-Ruhr 1956.
- Kleine, Uta: Gesta, Fama, Scripta: Rheinische Mirakel des Hochmittelalters zwischen Geschichtsdeutung, Erzählung und sozialer Praxis, Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie; 7)
- Köhler-Lutterbeck, Ursula: Monika Siedentopf: Frauen im Rheinland, Köln 2001.
- Niessen, Josef: Bonner Personenlexikon. 3., verb. und erw. Aufl., Bonn 2011.
- Schlafke, Jakob: Leben und Verehrung der Heiligen Adelheid von Vilich. Sonderdruck aus: Achter, Irmingard: Die Stiftskirche St. Peter in Vilich, Düsseldorf 1968.
- 1000 Jahre Stift Vilich 978 – 1978, hg. von Dietrich Höroldt, Bonn 1978.
März 2015: Wie der Titanenwurz nach Bonn kam.
Vor 60 Jahren starb der Bonner Botaniker Max Koernicke (1874-1955)
Am 4. März 2015 jährt sich der Todestag des Bonner Botanikers Max Koernicke zum 60. Mal. Maximilian Walther Koernicke (eigentlich Körnicke) wurde am 27. Januar 1874 in Bonn geboren und war – wie auch schon sein Vater Friedrich August Körnicke vor ihm – von 1908 bis zu seiner Emeritierung 1939 Direktor des Botanischen Instituts und Leiter des Botanischen Gartens in Bonn.
Forschungsschwerpunkte des Schülers von Eduard Strasburger und Assistenten von Walther Flemming waren vor allem die Zytologie und mikroskopische Technik. Als einer der ersten Botaniker hat Koernicke umfassend die Nutzbarmachung von Elektrizität im Gartenbau sowie die Wirkung von Röntgen- und Radiumstrahlen auf Pflanzen untersucht.
Die an der Bonner Landwirtschaftlichen Hochschule schon vor dem Ersten Weltkrieg federführend betriebenen Akklimatisierungsversuche zu Nutzpflanzen, insbesondere zur eiweißhaltigen Sojabohne, wurden im Zweiten Weltkrieg im Dienste von Politik und Kriegswirtschaft gezielt fortgeführt, so etwa auch der unter Koernickes Ägide erfolgte und vom Reichsforschungsrat finanzierte Versuch zur Züchtung winterharter Oliven für deutsche Anbaubedingungen.
Unzweifelhaft standen diese Arbeiten wie so viele im Dienste einer von der nationalsozialistischen Führungsebene geförderten Wissenschaft und auch Koernicke, der 1944 als Beauftragter für den Vierjahresplan nach Südwestdeutschland reiste, gehörte zu den etwa 14 Bonner Professoren, die 1933 das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat unterzeichnet hatten.
Im Stadtarchiv Bonn befindet sich der bisher kaum beachtete wissenschaftliche Nachlass von Max Koernicke, der auch Teilnachlässe seines Vaters, des Botanikers Karl Friedrich Körnicke (1828-1908), sowie seines Schwiegervaters, des Althistorikers und Klassischen Philologen Conrad Cichorius (1863-1932), enthält. Neben Koernickes umfassenden Studien zu pflanzengeografischen, ökologischen, anatomischen und physiologischen Themen sowie zu Fragen der landwirtschaftlichen Züchtung dokumentiert der Bestand, der zahlreiche private und berufliche Fotografien, Skizzen, Vorträge, Reden, Manuskripte und Korrespondenzen enthält, auch die vier Forschungsreisen, die Max Koernicke zwischen 1906 und 1953 vor allem in die Tropen unternahm.
So eröffnete ihm das Buitenzorg-Stipendium des Reichskolonialamtes erstmals 1906/07 eine Reise nach Java, zu den Südmolukken, nach Ceylon (heute Sri Lanka) und nach Singapur. Auf dieser Reise erwarb er auch die noch heute im Nachlass befindlichen acht farbigen Lithografien mit Landschaftsansichten von Indonesien nach Zeichnungen des Botanikers Franz Wilhelm Junghuhn. 1910 besuchte er wiederum Ceylon und reiste außerdem nach Südindien und Ägypten.
Seine umfassendste Forschungsreise unternahm Koernicke 1933/34 mit Hilfe der A. Gwinner-Stiftung nach Java, Bali, Celebes (heute Sulawesi), die Molukken, Sumatra und zum damals aktiven Anak Krakatau. Unter den zahlreichen mitgebrachten Sammlungsobjekten befand sich auch die von der Insel Sumatra stammende Knolle des Aracee Amorphophallus titanum, des Titanenwurzes, die Koernicke mit nach Bonn brachte und die dort am 21. April 1937 im Botanischen Garten erblühte.
Seine letzte Tropenreise nach Indonesien unternahm Koernicke 1953 als Präsident der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft mit einer Delegation des drei Jahre zuvor gegründeten Vereins. Das bisher nur maschinenschriftliche Findbuch zum Nachlassbestand Max Koernicke (Bestandssignatur SN 101) wurde nun umfassend überarbeitet und kann ab sofort im Portal www.archive.nrw.de (Öffnet in einem neuen Tab) eingesehen werden.
April 2015: Ostergrüße von 1898 aus dem Rheinhotel Dreesen
Zum Osterfest präsentieren wir Ihnen eine symbolträchtige Ansichtskarte, die farbenfroh den Frühling einläutet. Es handelt sich um eine Postkarte, die am 9. April 1898 als Ostergruß aus dem renommierten Rheinhotel Dreesen - kurz nach seiner Errichtung - verschickt wurde. Das Bad Godesberger Hotel aus dem Stadtteil Rüngsdorf ist aufgrund seiner historischen Bedeutung und der vielen prominenten Gäste berühmt geworden. Diese Grußkarte hat das Hotel Dreesen in der Kölner Druckerei und Papierverarbeitungswerk von Julius Cramer in Auftrag gegeben: Sie ist im Hochformat und hat die zur damaligen Zeit üblichen Standardmaße von 9x14 cm.
Da es Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn bis ins Jahr 1905 untersagt war, Mitteilungen auf der Anschriftenseite zu schreiben, ist die Postkarte auf der Bildseite beschrieben – das heißt, in dem dafür ausgesparten Bildbereich. Hier lesen wir von einer Dame, die liebe Ostergrüße von einem Ausflug am Rhein an ihre „treue“ Freundin Ella Etscheidt nach Barmen sendet.
Die Ansichtskarte zeigt verschiedene Szenen, die auf Ostern bzw. den Frühlingsanfang hinweisen. Im Vordergrund sieht man zwei detailliert dargestellte Hasen, die im Begriff sind, buntbemalte Ostereier in der sattgrünen Wiese zu verstecken. Der Osterhase bemalt dem Brauchtum nach die Eier und versteckt sie im Grünen. Dies fand erstmals im Jahre 1682 in der Abhandlung „De ovis paschalibus – von Oster-Eyern“ des Mediziners Georg Franck von Franckenau eine Erwähnung.
Die Fruchtbarkeitssymbole Osterei und Osterhase sind als Osterbräuche im deutschen Sprachraum also erst seit dem 17. Jahrhundert belegt. Den Brauch des Eierfärbens gab es aber schon lange vor der Einführung des kirchlichen Osterfestes: Im alten Rom und in Griechenland wurden während der Frühlingsfeste Eier bemalt oder gefärbt und an Freunde verschenkt. Das Ei gilt in der europäischen Kunstgeschichte, ebenso wie der Hase, als Symbol für die Auferstehung.
Letzterer wird bereits im vierten Jahrhundert von Kirchenvater Ambrosius als Auferstehungssymbol erwähnt, setzte sich aber erst ab dem 19. Jahrhundert eindeutig als österliches Symboltier durch. In einer Art Fries unterhalb der Osterhasenszene wird das Wort „OSTERN“ von zwei Laubfröschen flankiert, die Zigarre rauchen. Auch hier symbolisiert der Frosch Fruchtbarkeit, mit der er anfänglich auch in der europäischen Mythologie assoziiert wurde.
Die humoristische Note der Darstellung wird auch nochmal links im Mittelfeld aufgegriffen: Hier sieht man zwei Heinzelmännchen, die hinter blühenden Bäumen und Sträuchern hervorlugen. Die Kölner Hausgeister, die nachts die Arbeit der Bürger verrichteten, sind an ihrem Zwergwuchs und ihrer typischen bunten Zipfelmütze zu erkennen.
Die Heinzelmännchen wurden bereits 1836 durch die Ballade des Dichters und Malers August Kopisch populär, der die ursprüngliche Sage aus dem Siebengebirge nach Köln transportierte – sie zählen übrigens zu den Vorbildern der Ende des 19. Jh. erfundenen Gartenzwerge. Über der Waldszene erscheint in einer runden Vignette das Tierkreiszeichen des Stieres, der als erdgebundenes Zeichen das Wiedererwachen der Vegetation symbolisiert.
Rechts davon rahmt eine Himmelsszene den ausgesparten Platz für die Mitteilung ein: Hier sieht man Schwalben am azurblauen Himmel um ein Vogelhäuschen fliegen, die, wie auch die dargestellten Weidenkätzchen, als christliches Symbol des Frühlings sowie der Auferstehung gelten. Interesse geweckt? – Unsere Postkartensammlung, die ca. 15.000 Ansichtskarten mit BonnBezug umfasst, ist im Stadtarchiv einzusehen.
Mai 2015: „Der dreieckige Marktplatz“ – eine Liebeserklärung an Bonn
Vor achtzig Jahren, 1935, erschien Wilhelm Schmidtbonns wohl bekanntestes Werk, „Der dreieckige Marktplatz“. Die romantische Familiengeschichte, die ihre letzte Auflage im Bonner Bouvier-Verlag im Jahre 2004 hatte, beginnt in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts und spielt bis zur Jahrhundertwende in Bonn und Umgebung. Schmidtbonn setzt mit diesem Roman seiner Heimatstadt Bonn ein Denkmal. Er beschreibt den Lebensweg des Waisenmädchens Wilhelminchen während der Gründerzeit: Streit und Versöhnung, eine Liebesgeschichte sowie die Bonner Handwerksgeschichte werden thematisiert. Das erste Kapitel beginnt mit der Beschreibung des Bonner Marktplatzes:
„Die Stadt Bonn hat einen großen Marktplatz. Wer an einem Ende ruft, wird am anderen nicht gehört. Am auffälligsten ist aber die dreieckige Form des Platzes. Im Jahre 1870 standen hier noch jene niedlichen Häuschen aus der Kurfürstenzeit, von denen heute nur wenige übrig sind – manche nur zwei Fenster breit. Die spitzen Giebel wiederholten jeder für sich die Dreiecksform. Unter diesen Giebeln hatte das Kind Ludwig van Beethoven gespielt. An ihnen vorbei war der Jüngling zur geliebten Eleonore von Breuning geeilt.“
Das Rheinland ist für Schmidtbonn ein zentrales Thema: So begründet „Der dreieckige Marktplatz“ gemeinsam mit dem Buch „An einem Strom geboren“ (1936) seinen Ruhm als Heimatdichter. Schmidtbonns Hauptmotive sind immer wieder die rheinische Landschaft Bonn und ihre Bewohner. Sein Werk umfasst insgesamt sechzehn Dramen und sieben Romane, dazu Gedichte, Novellen und Legenden, die sich zwischen Naturalismus und Neoromantik bewegen. Die Romantik der rheinischen Landschaft, die Welt der Sagen und Lieder, die Welt von Ernst Moritz Arndt, Karl Simrock und Ludwig van Beethoven sind seine dichterischen Wurzeln.
Wilhelm Schmidtbonn, eigentlich Schmidt, wurde am 6. Februar 1876 als Sohn eines Pelzhändlers am Marktplatz/Ecke Bonngasse geboren - und zwar in dem Haus, in dem sich heute „Hut Weber“ befindet. Er war einer der bekanntesten und meistgespielten Dramatiker in der Zeit der Jahrhundertwende. Zwischen 1906 und 1908 arbeitete er als Dramaturg bei Louise Dumont am Schauspielhaus in Düsseldorf. Hier hatte er auch mit eigenen Stücken große Erfolge und gab außerdem dort die Theaterzeitschrift „Masken“ heraus. In diese Zeit fällt auch seine Freundschaft zu August Macke, die bis zu dessen Tod im Jahre 1914 sehr eng war. Schmidtbonn starb am 3. Juli 1952 in Bad Godesberg und wurde auf dem Alten Friedhof in Bonn in einem Ehrengrab beigesetzt.
Im Jahre 1966 wurde Schmidtbonns Nachlass der Stadt Bonn übergeben: Im Stadtarchiv befindet sich seitdem seine Bibliothek mit über 750 Bänden bzw. Faksimile sowie der Briefwechsel, Manuskripte, Bilder, Urkunden und Artikel über Schmidtbonn. (SN 147)
Juni 2015: Ausländerbeirat der Stadt Bonn
Die ausländischen Bürger der Stadt Bonn konnten vor 30 Jahren im Oktober 1985 zum ersten Mal ihre Mitglieder des Ausländerbeirates direkt wählen. Die notwendige Wahlordnung sowie die Richtlinien über die Besetzung wurden am 12. Juni 1985 durch den Rat der Stadt Bonn beschlossen. Vorausgegangen war eine jahrelange Diskussion über ein Mitbestimmungsrecht ausländischer Bürger an der Kommunalpolitik. Ein Antrag der SPD-Fraktion vom 29.5.1978 über die „ . . . Soziale Eingliederung der in Bonn lebenden ausländischen Arbeitnehmer und Ihrer Familien in Bonn . . .“ kann als Ausgangspunkt gewertet werden. Darin wurde u.a. die “ . . . Teilnahme der Ausländer am kommunalen Entscheidungsprozess durch Beteiligung ausländischer Repräsentanten in den kommunalen Ausschüssen und Bezirksvertretungen, sowie eines von den Ausländern selbst bestimmten Ausländerrates in der Stadt Bonn . . .“ gefordert.
Am 17.12.1981 beschloss der Rat Bonn, einen Ausländerbeirat einzurichten. Dieser setzte sich aus 14 Mitgliedern zusammen. Sieben Vertreter ausländischer Bürger wurden von den Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften benannt, sieben Vertreter wurden aus dem Unterausschusses „Ausländischer Arbeitnehmer“ berufen. Den Vorsitz hatte die Vorsitzende des „Sozialausschusses“. Schon bald stellte sich heraus, dass die Arbeit des amtierenden Ausländerbeirates wenig effektiv war, weil sie den Großteil der ausländischen Bürger nicht erreichte.
Nach einer Empfehlung des Beirates und anschließenden politischen Meinungsbildungsprozessen wurde die Urwahl des Ausländerbeirates am 12. Juni 1985 gemeinsam mit den neuen Richtlinien vom Stadtrat beschlossen. Die Mitgliederzahl erhöhte sich auf 26 und die Zusammensetzung nach Vertretern der Nationalitäten richtete sich nach den entsprechenden Einwohnerzahlen. Am 13. Oktober 1985 fand die erste Wahl statt. Die 13 Vertreter und 13 Stellvertreter setzten sich aus folgenden acht Nationen zusammen: Türkei (4/4), Italien (2/2), Spanien (2/2), Jugoslawien (1/1), Marokko (1/1), Tunesien (1/1), Griechenland (1/1), Portugal (1/1).
Den Vorsitz führte weiterhin die Vorsitzende des „Sozialausschusses“. Damit wurde Ruth Hieronymi erste Vorsitzende des gewählten Ausländerbeirates. 1999 wurde letztmalig ein Ausländerbeirat gewählt, nach Ende der fünfjährigen Wahlperiode 2004 wurde er durch den Integrationsrat abgelöst, dieser wurde zuletzt im Mai 2014 gewählt.
Juli 2015: Wein aus Bonn
In Erwartung einer guten Weinernte in unserem Lieblingsweingebiet im Jahr 2015 und als Erinnerung an den Weinbau in Bonn zeigen wir als Zeitfenster im Juli einen Kupferstich aus der Graphischen Sammlung des Stadtarchivs Bonn. Der Stich aus dem Jahr 1588 zeigt die kurfürstliche Stadt Bonn mit weniger als 4.000 Einwohnern aus der Vogelperspektive „mit yhren kirchen, Clostern, Pfortzen, Thürmen, graben, Straessen vnd Gassen“, wie sie sich zum Zeitpunkt des Überfalls des Söldnerführers Martin Schenk von Nideggen am 23. Dezember 1587 darstellte.
Unsere Aufmerksamkeit richten wir aber dieses Mal nicht auf die Wirren des Truchsessischen Krieges, sondern auf die Besonderheiten der Bonner Statdttopografie. Wir sehen die rundherum mit der Festungsmauer und dem davor liegenden Festungsgraben umgebene Stadtfläche. Die Mauer bietet durch vier Tore mit Grabenüberbrückung von der Landseite her Einlass. Die Namen der Stadttore sind uns heute noch bekannt: Wenzeltor, Kölntor, Sterntor und Stockentor. Was erst beim genaueren Betrachten bemerkenswert erscheint, ist, dass nahezu alle Freiflächen, Hofanlagen, Klostergärten etc. mit Wein vollbepflanzt sind. Weinbepflanzungen scheinen auch außerhalb der Mauer die Landschaft zu beherrschen.
Dieser Eindruck wird von einigen anderen Abbildungen bestätigt, so von der kartografischen Darstellung von Gerard Stempel, ebenfalls von 1588 (diese gilt als die älteste maßstabtreue Kartografie von Bonn), und von dem Kupferstich von Matthäus Merian aus dem Jahr 1646. Die Karten, Pläne und Graphikblätter zeigen das Bild von großflächigen Rebenbepflanzungen in Bonn und der weiteren Umgebung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dagegen scheinen in der Lithographie „Bonn aus der Vogelschau 1888“ von Ludwig Wagner die Weinreben völlig aus der Landschaft verschwunden zu sein.
Den Weinbau brachten die Römer über die Mosel an den Rhein. Die Soldaten und die römische Zivilbevölkerung in und um die großen Römerlager wie die Castra Bonnensia waren gewohnt, Wein zu trinken, und Wein war schon früh ein wichtiger Bestandteil der von den Römern betriebenen Landwirtschaft. Die fränkischen Bevölkerungsgruppen übernahmen die Weinbau- und Genusstradition und so entstand eine kontinuierliche und anwachsende Wirtschaft bestehend aus Anbau, Handel, Ausschank und Transport des Weines. Die Bedeutung von Kirchen, Klöstern und adligen Höfen ab dem frühen Mittelalter bis zu Säkularisation am Anfang des 19. Jahrhunderts war dabei sehr groß.
Auch wenn der Wein aus Bonner Region nicht an die Qualität der südlichen Weine heranreichte, überwog Weinbau den Obst- und Gemüsebau auch in den so bekannten Ortschaften wie Alfter, Bornheim (Erdbeeren, Spargel) und Meckenheim (Äpfel und andere Obstsorten) bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Über die Sorten und Qualitäten des Weines gibt es unterschiedliche Angaben. Es soll gute, leckere Rotweine gegeben haben wie der Kessenicher „Leckbart“.
Andererseits war der Weißwein oft von so schlechter Qualität, dass man ihn nur als Essig hätte benutzen können. Davon zeugen u. a. die im „Bönnschen Intelligenzblatt“ in Anzeigen und Aufsätzen „zum besten des Nahrungsstandes und zur Beförderung der Aufklärung“ im Jahr 1789 veröffentlichten Anleitungen zur Herstellung und Haltbarmachung von Essig. Die Benennungen wie „saurer Hund“, Sauerampfer“ oder „Krätzer“ für den Wein aus dem Vorgebirge sprechen für sich.
Die Ursachen, die allmählich zur Verringerung der Weinbaufläche und Keltermengen führten, kann man vereinfacht wie folgt darstellen:
- Industrialisierung und Wachstum der Stadtbevölkerung, dadurch wachsender Bedarf an
Getreide, Gemüse und Obst, - Kriege und andere Unruhen und der daraus resultierende Mangel an Arbeitskräften in der
Landwirtschaft, - Eisenbahn und Dampfschiffe und der dadurch billigere Import von bekömmlicheren Weinen aus den südlichen Regionen.
In den Bonner Wirtschaftsstatistiken und Berichten werden das erste Mal für das Jahr 1868 keine Angaben mehr zur Weinproduktion aufgeführt. In der Bonner Umgebung brachten die
frühen Fröste und eine Reblauskatastrophe in den 1880er Jahren in kürzester Zeit den
nachlassenden Weinbau endgültig zum Erliegen. Im heutigen Stadtgebiet von Bonn ist die Belebung der Weinbautradition im Rahmen der Freizeitbeschäftigung geblieben, obwohl einige neuere Rebsorten auch hier gut trinkbaren Wein hervorbringen können.
Zum Schluss zeigen wir hier noch vier Strophen aus einem Gedicht von Landrentmeister Joh. Vorster aus dem Jahr 1846:
Ein Liedchen,
sich besonders passend für die Weinbauer (Winzer),
welche in dem Zeitraum von etwa 30 Jahren nach 1811
nur ein Paarmal guten trinkbaren Wein erworben haben.
Dies ist geschrieben über die drei ersten Worte aus dem
Spruch: Psalm 50, 14. Pag. 580
1. An der Mosel, Ahr und Rhein
Ist dies Jahr ein elfter Wein *)
Ausgepreßt im Überfluß,
Was den Winzern, groß und klein,
Wird gewiß erfreulich seyn,
Nun sie wieder zum Genuß –
*) Dieser schmeckte kaum nach der Kelterung (keltern), einige Zeit später [jedoch]
unbedingt wie reiner ächter Champagner-Wein.
2. Dessen kamen, was entbehrt
Sie längst hatten, da bescheert
Ihnen nur Weinessig war ;
Wobey sie ihr Gut verzehrt
Und den Geldsack ausgeleert,
Gleich der ärmsten Völkerschaar
3. Die statt Fleisch ißt Haferbrod,
Um sich für den Hungertod
Zu beschützen in der Zeit ;
Damit sie von Angst und Noth,
Die sich ihr so viel darbot,
Ein’germaßen wird befreit.
4. Doch Geduld, es wird sich schon
Besser stellen, wenn vom Thron
Unser Herr auf Alle blickt,
Die nach Drangsal Dulderlohn
haben sollen, weil kein Hohn
Sie von Ihm je fortgerückt.
[etc. insgesamt neun Strophen]
Die hier erwähnten und weitere Dokumente, sowie Literatur und Zeitungsartikel über den
historischen und modernen Weinbau an Rhein und Ahr, schöne Bildbände mit
Rheinansichten, Reiseberichte, Kochbücher und vieles andere mehr zum Wein finden Sie in
den Sammlungen des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek.
Für den Artikel benutzte Quellen:
Uhl, Harald: Zum historischen Weinbau zwischen Bonn und Köln, in: Bonner
Geschichtsblätter 62/63 (2013). S. [155] – 167. Sign. I e 303-62/63-.
Kuhnen, Manfred Lambertus: Der historische Weinbau in der oberen linksrheinischen KölnBonner Bucht, aufgezeigt am Beispiel des Rebflächenaufkommens im Bonner Bann des 17.
Jahrhunderts, Bonn, 2002. Sign.:2002/513.
August 2015: Gottfried Kinkel (1815 – 1882)
Gottfried Kinkel gehört durch seine Rolle in der Zeit der Revolution von 1848/49 zu den prägendsten Persönlichkeiten aus Bonn. Gottfried Kinkel wurde als Sohn von Pastor Johann Gottfried Kinkel und Sibylla Marie Beckmann am 11. August 1815 in Oberkassel geboren. Nach seinem Studium an den theologischen Fakultäten in Bonn und Berlin wurde er Dozent an der Bonner Universität.
Nicht zuletzt durch die Liebe zu der Musikerin und Frauenrechtlerin Johanna Mockel entwickelte er sich zum Kritiker des preußischen Staates und des sogenannten Spießbürgertums. Johanna war katholisch, geschieden und älter als Gottfried. Schon eine dieser Eigenschaften hätte ausgereicht, um die Beziehung der beiden in ein schlechtes Licht zu rücken - alle diese Eigenschaften auf einmal machten ihre Beziehung zum Skandal in Bonn.
Das Paar initiierte 1840 den bekannten spätromantischen Dichterkreis „Der Maikäfer“ und beeinflusste das kulturelle Leben in Bonn stark. Die Heirat von Johanna, die vorher zum evangelischen Glauben konvertierte, und Gottfried gab dann den Ausschlag, dass er 1845 an die Philosophische Fakultät der Universität Bonn zwangsversetzt wurde, da er für die Theologische Fakultät nicht mehr tragbar war.
Kinkel hatte schon seit 1837 kunsthistorische Schwerpunkte in seiner Arbeit verfolgt und war ab 1846 als außerordentlicher Professor für Kunst- und Literaturgeschichte tätig. Zu dieser Zeit wurde Kinkel politisch aktiver und war nicht nur Gründungsmitglied der „Neuen Bonner Zeitung“, sondern auch unter anderem zusammen mit dem späteren Innenminister der USA, Carl Schurz, Gründungsmitglied des „demokratischen Vereins Bonn“, dessen Präsident er wurde. Nachdem die preußische Regierung 1848 den Landtag aufgelöst hatte, wurden durch den demokratischen Verein auf Antrag Kinkels in Bonn die Stadttore besetzt. Kinkel wurde wegen „Anreizung zum Aufruhr“ verhaftet, jedoch wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.
Trotz massiver Kritik an der Verfassung nahm Kinkel im Februar 1849 an den Urwahlen zur zweiten Kammer der preußischen Nationalversammlung teil und wurde als Vertreter für den Wahlkreis Bonn-Sieg gewählt. Dort gehörte er zur „äußersten Linken“ und lieferte sich Wortgefechte mit dem Abgeordneten Otto von Bismarck. In dieser Zeit wurde Kinkel zu einer Symbolfigur für den Wunsch nach der Gründung einer Republik.
Im selben Jahr beteiligte sich Kinkel nach der (wiederholten) Auflösung des Parlaments am Siegburger Zeughaussturm und am badisch-pfälzischen Aufstand. Während der Einnahme der Festung Rastatt durch preußische Truppen, die das Ende des badisch-pfälzischen Aufstands markierte, wurde Kinkel verhaftet. Nachdem er von einem Geschworenengericht in Köln am 2. Mai 1850 wegen des Siegburger Zeughaussturmes freigesprochen worden war, wurde er in Rastatt am 4. August 1850 vom preußischen Militärgericht zuerst zum Tode, dann aber zu lebenslanger Haft verurteilt und im Zuchthaus Spandau inhaftiert. Kinkel avancierte zum Märtyrer der Revolution. Bereits im November 1850 gelang ihm durch die Hilfe von Carl Schurz die Flucht aus Spandau. Die Flucht führte ihn über Warnemünde, Edinburgh, London, Paris zurück nach London.
Im Exil legte Kinkel unter anderem den Grundstein für das Fach Kunstgeschichte in Großbritannien. Nachdem seine Frau Johanna 1858 gestorben war, heiratete er 1861 Minna Werner und ging 1866 als Professor für Kunstgeschichte an das Polytechnikum Zürich (später Eidgenössische Technische Hochschule). Am 13. November 1882 starb Gottfried Kinkel in Zürich. Die Rückkehr nach Deutschland war ihm durch fehlende Amnestie des preußischen Staates verwehrt geblieben.
Im Stadtarchiv finden Sie die Sammlung Gottfried und Johanna Kinkel (SN098), bestehend aus persönlichen Papieren, Korrespondenz, Manuskripten von Gedichten, Erzählungen und Kompositionen sowie Zeitungsausschnitten.
„Des Untertanen Glaubensbekenntnis“:
Stets nur treu und stets loyal
Und vor allem stets zufrieden,
So hat Gott es mir beschieden,
Folglich bleibt mir keine Wahl.
Ob des Staates alten Karren
Weise lenken oder Narren,
Dieses geht mich gar nicht an,
Denn ich bin ein Untertan.
Jeder Untertan und Christ
Weiß den Dienst und dass daneben
Mit dem Staat sich abzugeben
Keineswegs ersprießlich ist.
Wer nicht herrscht, hört zu den Dummen,
Aber warum sollt ich brummen?
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.
Ob ich aller Völker Hohn,
Weil auf Deutschlands beiden Küsten
Sich nur fremde Flaggen brüsten,
Christlich schweig ich still davon.
Denn zuerst geziemt dem Throne,
Dass die Frommen er belohne;
Folglich geht mich das nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.
Ob mein Nachbar Bauersmann,
Dem Kartoffeln nur noch blieben,
Wird von Haus und Hof getrieben,
Weil er nicht mehr leisten kann,
Was für ihre Heldentaten
Haben müssen die Soldaten,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.
Trotz der Arbeit Tag und Nacht
Kann ich nicht mein Leben fristen,
Weil man Konduitenlisten
Hinter meinem Rücken macht.
Aber ob ich kann bestehen
Oder muss ich betteln gehen,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.
Red ich wohl ein bisschen frei,
Und wer tut das nicht beim Weine?
Bringen sie es rasch ins reine,
Denn sie stecken gleich mich bei.
Ob die Kinder schrein nach Brode,
Ob mein Weib sich grämt zu Tode,
Dieses geht mich gar nichts an,
Denn ich bin ein Untertan.
Wenn nun endlich kommt der Russ’
Mit dem großen Ländersäckel,
Zieh ich höflich meinen Deckel
Ohne Grollen und Verdruss;
Denn fürwahr, das muss ich sagen,
Ich denk ihn nicht fortzujagen -
Alles das geht mich nichts an,
Denn ich bin ein Untertan!
Johann Gottfried Kinkel
Quellen
Schmidt, Klaus: Gerechtigkeit - das Brot des Volkes : Johanna und Gottfried Kinkel ; eine Biographie / Klaus Schmidt. - Stuttgart : Radius-Verl., 1996. - 238 S. ; 8
ISBN 3-87173-096-3
Signatur: 96/490
Schmidt, Klaus: Kultur und Wissen : Gottfried und Johanna Kinkel ; 1848/49 – ein starkes Paar in Zeiten der Revolution – Teil I / Klaus Schmidt. – NRhZ-Online, 2008
(Online-Flyer ; 177)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13270
Stand 15.07.2015
Die Deutsche Gedichtbibliothek: Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Gedichte ; Des Untertanen Glaubensbekenntnis / Johann Gottfried Kinkel
http://gedichte.xbib.de/Kinkel_gedicht_Des+Untertanen+Glaubensbekenntnis.htm
Stand 15.07.2015
Wikipedia : Gottfried Kinkel
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Kinkel
Stand 15.07.2015
Grafik_Kinkel_Gottfried_002_M.jpg:
Der Gefangene in Haugardt. Gottfried Kinkel / G. Wolf. - Bibliogr. Inst., 1850
September 2015: Brückenmännchen auf dem Weg zu Pützchens Markt
„Och ich maache mett“ titelt eine Tuschezeichnung von André Osterritter, die er für eine Pressemitteilung zur Eröffnung von Pützchens Markt 1952 entwarf. Das bekannte Brückenmännchen wird auf einem Stuhl sitzend mit einem Pferdekarren zum Jahrmarkt transportiert. Das Pferd ächzt trotz zusätzlicher Unterstützung unter der Last. Im Hintergrund sind die Pfarrkirche St. Adelheid und das Riesenrad des Jahrmarktes zu erkennen.
André Osterritter wurde am 26. April 1906 in Bonn geboren und wuchs in Beuel, Köln und Düsseldorf auf. Nach eigenen Angaben besuchte er Zeichenschulen in Bonn, Köln und Düsseldorf und erhielt Privatunterricht „im Zeichnen und Malen von Karikaturen und Schriften in den Städten München, Saarbrücken und Berlin (Sperling Schule)“. In Berlin bestand er die Prüfung zum Grafiker.
Es folgten ab 1934 Anstellungen als Grafiker in Bonn bei der Landesbauernschaft, dem Tierforschungsinstitut, dem am Westwall stationierten Festungspionierstab 17 und bei Dynamit Nobel in Troisdorf. Nach dem Krieg arbeitete er für die belgische Militärbehörde und ab dem 1. April 1948 für das Stadtplanungsamt der Stadt Bonn. Am 8. August 1957 erlag er den Folgen eines Herzanfalls. (Quelle: Personalakte und Zeitungsartikel)
Oktober 2015: Em Oelieden (1875-1934) - Ein Maler auf Wanderschaft
Em (Emil) Oelieden zählt zu den Rheinischen Expressionisten. Obwohl schon Ende der 1920er Jahre anerkannt, gehört er heute zur „vergessenen Bonner Malergeneration“. Der Autodidakt Oelieden wurde in Lobberich/Nettetal nahe der niederländischen Grenze geboren. Erst im Alter von 30 Jahren widmete er sich der Malerei; zuvor war er im Bauhandwerk und Kunstgewerbe tätig. Als gelernter Stuckateur arbeitete er unter anderem für den berühmten Mediziner Rudolf Virchow (1821-1902) als Former für anatomische Gipsmodelle an der Berliner Charité.
Nach Phasen, in denen Oelieden als Keramiker und Silberschmied tätig war, entdeckte er schließlich die Malerei für sich: Nach anfänglich „dumpfen“ und „dunklen“ Kohlezeichnungen in realistischer Manier näherte er sich dem Impressionismus, später malte er expressionistisch und es gibt Anklänge an die kubistische Malerei. In seinem Spätwerk kehrte Oelieden schließlich wieder zum Realismus zurück; seine letzten Zeichnungen machte er mit dem Silberstift. Oeliden war Zeit seines Lebens auf Reisen, seine Studienaufenthalte führten ihn von Nordeuropa bis nach Nordafrika. Seine besondere Liebe galt Flandern – ein zentrales Thema seines Werks.
Im Jahre 1908 zog er erstmals nach Bonn, wo er schon kurze Zeit später in der renommierten Kunsthandlung Cohen ausstellte. Nur wenig später brach Oeliden wieder auf - unter anderem zum Studium nach Paris und Antwerpen. Immer wieder kehrte er kurzzeitig nach Bonn zurück. Schließlich floh er bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mittelos von Flandern nach Bonn. Nachdem er Anfang der zwanziger Jahre Bonn abermals verlassen hatte, wurde er schließlich im Jahre 1930 in Bonn-Dottendorf mit seiner Familie sesshaft. Am 20. Oktober 1934 verstarb er nach einem tragischen Unfall.
Die Bonner Zeit gilt als Em Oelidens Hauptschaffensphase. Er hatte zu seinen Lebzeiten zahlreiche Ausstellungen im In-und Ausland, darunter im Jahre 1928 eine Präsentation zusammen mit Werken von August Macke (1887-1914) im „Kölnischen Kunstverein“, die die Anerkennung seiner Kunst belegt. Der große Erfolg blieb jedoch aus - trotz Ausstellungserfolgen verkaufte er nur sehr wenige Bilder.
Seine beiden Söhne waren im Ersten Weltkrieg gefallen; die Tochter, Beatrice Oelieden (1915-1984), verwaltete Em Oeliedens Nachlass, den sie kurz vor ihrem Tod dem Bonner Stadtarchiv übertrug. Darunter 57 Ölgemälde, circa 1700 Aquarelle, Zeichnungen und Lithografien und das umfangreiche schriftliche Oeuvre (u.a. Abhandlungen, Märchen, Gedichte und Aphorismen); außerdem seine Bibliothek; Gipsmodelle u.v.m.. Ein Teil des Nachlasses, vor allem die gerahmten Ölgemälde, wurde dem Bonner Stadtmuseum übergeben.
Em Oeliedens bildnerische Imagination ist von magischem Zauber, die bis heute nichts an ihrer Strahlkraft verloren hat: Stickende Frauen, eingehüllt in grau-blauen Farbnebel, rot schimmernde Häuserdächer, schwarz-blaue Himmel, braun-graue Kirchenfassaden vor hellgrünem Horizont. Eine undatierte aquarellierte Tuschezeichnung (50x40 cm) von Em Oelieden mit dem Titel „Blumenzweig“, links unten signiert, befindet sich im Besitz des Bonner Stadtarchivs (SN 134; BlattNr. 335). Zwei sehr ähnliche, eine davon fast identische, aquarellierte Tuschezeichnungen (SN 134; Blatt Nr. 328; Blatt Nr. 336) mit demselben Titel, machen deutlich, dass Oelieden dieses Motiv sehr am Herzen lag. Es könnte sich hierbei um Entwürfe für ein Keramikdekor handeln. Das florale Motiv weist deutliche Jugendstileinflüsse auf: es steht das schlanke, blumige Ornament im Vordergrund.
Auch die geschwungenen, fließenden und zum Teil stark gebogenen Linien sind charakteristisch für den Jugendstil, so auch die elegante, verspielte und dennoch klare Linienführung, wobei Blüten und Ranken zum Teil geometrische Formen haben. Die dekorativen Linien sind sehr flächenhaft - ganz ohne jede Raumillusion. Selbst die Farbgebung, das Zinnoberrot der Blüten, welches mit dem Salbeigrün der Blätter im Komplementärkontrast steht, ist dem Jugendstil verpflichtet. Was die zeitliche Einordnung des Blattes betrifft, so wissen wir, dass Em Oeliedens erste Keramikarbeiten (in Jugendstilmanier) bereits um 1905/06 entstanden.
November 2015: St.-Martins-Fest
Als Zeitfenster zum Monat November zeigen wir einige Titelblätter von Martinszugprogrammen aus verschiedenen Jahrzehnten. Sie sind Bestandteil der Sammlung der Stadthistorischen Bibliothek Bonn. Diese Programme sollen als kleines Beispiel auf unsere umfangreiche Sammlung von Dokumenten über Brauchtum, Tradition und Volksfeste in Bonn aufmerksam machen – ohne dabei Koch- und Liederbücher sowie Mundartliteratur zu vergessen.
Das älteste erhaltene Martinszugprogramm stammt aus dem Jahr 1921 und beinhaltet im Wesentlichen alles, was auch ein heutiges Programm enthält: Aufstellung der Schulen auf der Hofgartenwiese (damals gesondert die Waisenkinder und Kleinkinder), den Zugweg mit dem Ziel Münsterplatz und Texte von Martinsliedern. Außerdem wird der Termin für die Verlosung der 50 fetten Martinsgänse angezeigt, einige Jahre später auch der Ort und Termin für die Wahl der schönsten Fackel. Der St. Martin im Kostüm eines römischen Soldaten auf einem Schimmel reitend und der Gänsewagen in Begleitung von Gänsebuben und Gänseliesel waren auch schon dabei. Trommler, Pfeiffer und 12 Musikkapellen gaben den Takt an. In den späteren Jahren wurde das anschließende Fest auf dem Münsterplatz mit einem Martinsfeuer vervollständigt.
Der erste vom St. Martins-Festausschuss organisierte Festzug fand in Bonn schon im Jahr 1920 statt. Initiiert wurde der Fackel- und Laternenzug für die Kinder des Pfarrers Johannes Hinsenkamp, der die Idee aus Düsseldorf mitgebracht hatte. St. Martins-Brauchtum aber ist schon viel älter. Einige Bräuche stammen sogar aus der vorchristlichen Zeit. Der Brauch am Vorabend zum Martinstag vereint, so wie es seit den 20er Jahren überliefert ist, viele für uns vertraute Elemente des herbstlichen Festes aus sehr alten und etwas neueren Zeiten.
Heischegänge (das Schnörzen oder schnoeze) und die mitgeführten Laternen (die ganz früh aus Rüben geschnitzt wurden), auch das Martinsfeuer, weisen auf ganz alte heidnische Sitten und Bräuche hin und lassen uns an das amerikanische (zurückgekehrte?) Halloween denken. Nach dem Martinszug und dem Schnoezen isst man heute noch in vielen Familien Kesselkuchen, genannt auch Knüüles oder Döppekooche – es gibt viele weitere Namen und unzählige Rezepte, die sogar nach dem Stadtteil variieren.
Hier ist das im „Kochbuch aus Bonn“ veröffentlichte Rezept der Vilich-Müldorfer Oma unseres verstorbenen Kollegen Heinz Krämer:
Zutaten
2 kg geschälte Kartoffeln
2 Eier
2 in Milch eingeweichte Brötchen
1 große Zwiebel
Salz, Pfeffer,
Semmelbrösel
Stärkemehl nach Bedarf
Je nach Geschmack weitere Zutaten:
125/250 g geräucherter Speck und/oder 125/250 g Rosinen oder drei Mettwürste
Zubereitung
Die Kartoffeln reiben und abtropfen lassen. Die in Milch eingeweichten Brötchen hinzugeben, ebenso die geriebene Zwiebel, die Eier und Gewürze. Alles unter Verwendung des Stärkemehls zu einem Teig verarbeiten. Jetzt erhält das Gericht seine individuelle Note, indem Rosinen und/oder feingeschnittener oder durchgedrehter Speck oder feingeschnittene Mettwürste untergemischt werden. Alles sorgfältig vermengen.
Den (gusseisernen) Bräter gut einfetten und mit Semmelbröseln bestreuen. Die Masse einfüllen und etwa zwei Stunden bei 220 °C backen. Zum Schluss den Deckel abnehmen, damit sich eine schöne Kruste bilden kann. Sollte etwas übrig bleiben, kann der Rest in Scheiben geschnitten und in heißem Fett aufgebraten werden.
Dezember 2015: 90 Jahre „Altes Stadthaus“
Ursprünglich sollte auf dem Gelände der ehemaligen Sterntorkaserne am Mülheimer Platz ein Theaterneubau entstehen...
Bedingt durch den Ersten Weltkrieg konnten diese Pläne jedoch nicht realisiert werden und so wurde stattdessen an gleicher Stelle ab 1922 ein Verwaltungsgebäude geplant und errichtet. Dieses war zunächst für die in Bonn ansässigen französischen Besatzungsbehörden vorgesehen, die damals zahlreiche beschlagnahmten Wohnungen und Geschäftsräume zur Unterbringung der eigenen Dienststellen nutzten. Um diese Räume wieder der Bevölkerung und damit der ursprünglichen Zweckbestimmung zugänglich zu machen, verhandelte die Stadt Bonn mit der Reichsregierung über die Errichtung eines Bürozweckbaus. Die Stadt stellte hierfür das Grundstück am Mülheimer Platz kostenlos zur Verfügung, im Gegenzug verpflichtete man sich in Berlin zur Übernahme der Baukosten.
Mit den baulichen Planungen wurde der Münchener Architekt German Bestelmeyer (1874-1942) beauftragt, der 1928 zu den Gründungsmitgliedern der antimodernistischen Architektenvereinigung „Der Block“ gehörte. Bestelmeyers Entwürfe zum ‚neuen‘ Bonner Stadthaus, die sich heute im Karten- und Planbestand des Stadtarchivs befinden, orientierten sich ganz am konservativen Baustil der dem damaligen anvantgardistischen „Neuen Bauen“ entgegengestellten Architekturbewegung.
Am 5. Juli 1922 genehmigte die Reichsverwaltung die Ausführung des Bürohauses. Die Bauarbeiten begannen bereits im September des gleichen Jahres, obwohl die Besatzungsbehörden den Bau von vornherein ablehnten. Dennoch wurden die Arbeiten zunächst fortgeführt und erst im Dezember 1923 nach der Fertigstellung des Rohbaus von der Regierung eingestellt. Die Stadt Bonn trat daraufhin in Verhandlungen mit der Reichsregierung.
Im November 1924 konnte sie schließlich den Rohbau erwerben und das nunmehr für die Stadtverwaltung bestimmte Gebäude bis Dezember 1925 fertigstellen. Auch wenn nicht die gesamte Verwaltung in dem immerhin 163 Räume umfassenden Neubau untergebracht werden konnte, stellte der Zweckbau für die Bevölkerung durchaus eine Verbesserung dar, da nun zum ersten Mal wesentliche Verwaltungszweige zentral an einem Ort untergebracht waren.
Im Einzelnen befanden sich folgende Dienststellen im Stadthaus am Bottlerplatz:
Erdgeschoss: Auskunftsstelle, Botenmeisterei, Dienststelle des ersten Polizeibezirks, Standesund Beerdigungsamt, Mieteinigungsamt, Finanz- und Steuerverwaltung, Steuerkasse.
Erstes Obergeschoss: Oberbürgermeister, erster Beigeordneter, Haupt- und Personalverwaltung, Abteilung für Volksbildung, Schulverwaltung, Tiefbauverwaltung.
Zweites Obergeschoss: Hochbauverwaltung, Baupolizei, Grundstücksverwaltung, Tiefbauverwaltung.
Drittes Obergeschoss: Fernsprechzentrale, Gartenverwaltung, Rechnungsprüfungsamt, Vermessungsamt, Technisches Büro der Straßenbahn.
Aus Geldmangel musste die im ersten Obergeschoss geplante Errichtung von Sitzungszimmern und Sitzungssaal für die Stadtverordneten entfallen, sodass diese weiterhin im Weißen Saal der Beethovenhalle tagten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Dachstuhl des Stadthauses weitgehend zerstört, das Gebäude selbst überstand aber die Luftangriffe. Ende der 1950er Jahre gab es Pläne, das Gebäude umfangreich zu erweitern. Diese blieben aber nicht zuletzt durch die kommunale Gebietsreform 1969 und das weitere Anwachsen der Verwaltung unrealisiert.
Stattdessen wurde bis 1978 das „Neue Stadthaus“ errichtet. Nach der Einweihung des Verwaltungsneubaus am Berliner Platz wurde der Altbau nur noch von einzelnen Stellen der Verwaltung genutzt, vor allem vom Jugendamt und nach größeren Umbauarbeiten seit 1980 von der Stadtbibliothek. Im Oktober dieses Jahres und damit genau 90 Jahre nach der Ersteinweihung wurde im Alten Stadthaus am Bottlerplatz schließlich das „Haus der Bildung“ eröffnet, wo nunmehr neben der Stadtbibliothek auch die Volkshochschule ihre Bleibe fand.