Ziele für die Tourismusentwicklung Bonns bis 2030
Um die zuvor beschriebene Tourismusvision für Bonn 2030 Realität werden zu lassen, verfolgen Stadtverwaltung und Tourismusbeteiligte ab dem Zeitpunkt des Leitbild-Beschlusses die formulierten Ziele für die Weiterentwicklung des Tourismus in Bonn. Insgesamt wurden ein übergeordnetes Ziel und handlungsfeldbezogene Hauptziele mit weiteren Teilzielen definiert. Die Teilziele konkretisieren beziehungsweise vertiefen die Erreichung der Hauptziele.
Übergeordnetes Ziel 1: Realisierung eines qualitätsorientierten Tourismuswachstums
Teilziele:
- Moderate Steigerung der Übernachtungszahlen aus dem In- und Ausland sowohl im Leisure- als auch MICE-Segment
- Erhöhung der touristischen Einnahmen durch Aktivierung wertschöpfungsstarker Zielgruppen im Leisure-Bereich
Die Verantwortlichen möchten hiermit das Signal setzen, dass der Tourismus von Bonn weiterhin möglichst auf dem Wachstumskurs bleiben soll – so wie es schon vor der Corona-Pandemie der Fall gewesen ist. Dabei geht es vor allem um ein bewusstes und verträgliches Wachstum, bei dem die wirtschaftliche Wertschöpfung, ein qualitativ hochwertiges Angebot sowie erfolgsträchtige Zielgruppen im Leisure- wie auch MICE-Segment im Vordergrund stehen.
Ziel 2: Entfaltung einer reiseanlassstiftenden Produktentwicklung und eines themenorientierten Zielgruppenmarketings
Teilziele:
- Stärkung vorhandener und Entwicklung neuer Reiseanlässe für die Zielgruppe der Postmateriellen (Sinus Milieu) in den definierten Schwerpunkt- und Entwicklungsthemen
- Impulsgebung und Unterstützung einer zur Zielgruppe der Postmateriellen und den Schwerpunktthemen passenden Angebots- und Produktentwicklung durch die Bonn-Information, die T&C und die Bonner Leistungsanbietenden; dabei auch – soweit passende Schaufensterprodukte vorhanden sind – Verbindung des Bonner Tourismusangebots mit Angeboten im Rhein-Sieg-Kreis in den Bereichen Kultur sowie Natur und Aktiv
- Fokussierung des aktivierenden Marketings auf die Zielgruppe der Postmateriellen (Sinus Milieu). Beim Auslandsmarketing Schwerpunktsetzung v. a. auf das Thema „Kulturelles und authentisches Bonn“ und mit zunehmender Entfernung der Zielmärkte (zum Beispiel Asien, USA) verstärkt auf das Thema „Beethoven“ in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen
- Verbesserung der generellen digitalen Sichtbarkeit und Buchbarkeit des Bonner Tourismusangebots (Informierendes Marketing)
- Weiterentwicklung des MICE-Tourismus für in- und ausländische Zielgruppen unter gezielter Ausnutzung des Alleinstellungsmerkmals Bonns als UN Stadt mit hoher Angebotsqualität und Kompetenz im Bereich Internationalität und Nachhaltigkeit
Grundsätzlich soll erreicht werden, potenzielle Gäste auf Basis ihrer Wertvorstellungen und nicht aufgrund von ausschließlich soziodemografischen Merkmalen anzusprechen, da das Marketing sonst zu große Streuverluste erleidet. In Zeiten knapper Ressourcen sollten die Maßnahmen zur Aktivierung von Besuchen möglichst gezielt ausgerichtet werden.
Dies bedeutet jedoch ausdrücklich nicht, dass andere Zielgruppen nicht willkommen sind oder für sie passende Informationen nicht bereitgehalten werden sollen, beziehungsweise einzelne Leistungsanbietende oder Institutionen andere Zielgruppen nicht aktiv ansprechen dürfen. Der Fokus auf das Milieu der Postmateriellen greift die Empfehlungen des Tourismus NRW e. V. auf und ist als Orientierung und Hilfestellung zur Verbesserung der Effizienz zu verstehen.
Ziel 3: Verbesserung der Strukturen und der Zusammenarbeit in Bonn und mit dem Rhein-Sieg-Kreis
Teilziele:
- Prüfung und gegebenenfalls Neujustierung der Aufgabenzuschnitte innerhalb der Stadtverwaltung in Bezug auf den Tourismus im Allgemeinen und das Tourismusmarketing im Besonderen mit dem Ziel, der Verbesserung der Zusammenarbeit und Abstimmung von Aktivitäten sowie der Anpassung von Ressourcen.
- Benennung beziehungsweise Schaffung einer zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für den Tourismus in der Stadtverwaltung, die auch für die weiteren Tourismusakteur*innen in Bonn ansprechbar ist.
- Aufbau und Pflege eines Netzwerks von Vertreter*innen der Stadtverwaltung und der Bonn- Information, der T&C sowie weiteren Tourismusakteur*innen und Leistungsanbietenden aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zur Verbesserung der Zielorientierung und gegenseitigen Abstimmung der Aktivitäten.
- Prüfung, Neujustierung beziehungsweise Neustrukturierung und Stärkung des Destinationsmanagements von Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis, einschließlich Klärung der Rolle der T&C, mit dem Ziel der Verbesserung der Wirksamkeit des nationalen und internationalen Tourismusmarketings und des Tourismusmanagements.
Der Beteiligungsprozess für das Leitbild hat deutlich gezeigt, dass insbesondere im Bereich der Strukturen und der Zusammenarbeit zwischen allen am Tourismusgeschehen beteiligten Akteur*innen (einschließlich Stadtverwaltung) großer Handlungsbedarf besteht. Dies betrifft sowohl die Strukturen innerhalb der Stadtverwaltung als auch die generelle Vernetzung und das Destinationsmanagement für Bonn und die Region. Hierfür müssen im weiteren Verlauf Lösungen und gegebenenfalls neue Strukturen mit den verbundenen Ressourcen erarbeitet werden.
Ziel 4: Förderung eines nachhaltigen Tourismus und Stärkung des Tourismusbewusstseins
Teilziele:
- Stärkung von Aspekten der Nachhaltigkeit und der Inklusion entlang der gesamten Customer Journey sowohl im Leisure-Segment als auch im Geschäftsreise- und MICE-Tourismus
- Stärkung der Vernetzung Bonns mit dem Rhein-Sieg-Kreis in allen Bereichen einer nachhaltigen Mobilität (zum Beispiel Rad, Wandern, ÖPNV, Schiff, Wasser)
- Realisierung von Kommunikationsmaßnahmen gerichtet an Politik, Bevölkerung und Unternehmen zur Schärfung des Tourismusbewusstseins und des Selbstverständnisses vom Tourismus als Mitgestalter der Lebensqualität in Bonn und Umgebung
Nachhaltigkeit soll in all ihren Facetten (ökologische, ökonomische und soziale Dimension) in möglichst vielen Handlungsfeldern und Gliedern der Servicekette bedacht und gelebt werden. Daher sind auch die Bedürfnisse benachteiligter Zielgruppen zu berücksichtigen. Ebenso gilt es, eine nachhaltige Mobilität zu gestalten, die nicht nur Gästen, sondern ebenso der eigenen Bevölkerung zugutekommt.
Um dies zu erreichen, bedarf es auch der Verbesserung des Tourismusbewusstseins auf der Ebene der Verwaltung, Politik wie auch der Bevölkerung.
Ziel 5:Sicherstellung einer bedarfs- und zielgruppengerechten Aufenthaltsqualität und Themenerlebbarkeit für Gäste
Teilziele:
- Kontinuierliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Bonn für Gäste und Einwohnende unter anderem an den Orten des Ankommens und in wichtigen touristischen Schwerpunktzonen
- Gewährleistung der konkreten Vor-Ort-Erlebbarkeit der wichtigsten und profilgebenden touristischen Themen Bonns (zum Beispiel Politisches Bonn, UN Stadt Bonn, Weltkulturerbe Niedergermanischer Limes)
Nicht nur Produktentwicklung, Marketing oder die Formen der Zusammenarbeit sind neu auszurichten. Auch die gebaute Infrastruktur ist mit besonderem Blick auf die Gästebedürfnisse aufzuwerten und weiterzuentwickeln. Bei verschiedenen Themen muss es zudem darum gehen, überhaupt eine grundsätzliche Erlebbarkeit für Gäste zu schaffen.
Handlungsfelder
Die aufgeführten Ziele werden vier zentralen Handlungsfeldern zugeordnet, in welchen weitere Maßnahmen zur Zielerreichung definiert werden.
Handlungsfeld: Reiseanlassstiftende Produktentwicklung und themenorientiertes Zielgruppenmarketing
Ausgehend von den Zielen ist es wichtig, im Leisure-Segment (Individualtourismus) Anlässe zu schaffen, die eine Reise im wortwörtlichen Sinne auslösen. Zweifellos verfügt Bonn über eine umfangreiche Auswahl möglicher Aktivitäten, die während eines Aufenthalts in der Stadt als Gast in Anspruch genommen werden können. Das Angebot von „echten“ Reiseanlässen ist dennoch begrenzt. Daher muss die Produktentwicklung stärker auf das anlassstiftende Moment ausgerichtet und überdies regelmäßig neue Anreize für Reisen nach Bonn entwickelt werden.
Die Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungsanbietenden ist hierfür ein wichtiger Erfolgsfaktor. Darüber hinaus ist es wichtig, das Angebot zu strukturieren und auszuarbeiten und die Schaufensterprodukte in den Vordergrund zu stellen. Gerne wird dies angebotsseitig kritisiert, weil dadurch bestimmte Produkte in den Vordergrund gerückt werden und sich andere Angebote vermeintlich in den Hintergrund gedrängt sehen. Dabei beabsichtigt der hier vertretene „Schaufensterproduktansatz“, möglichst vielen Gästen ein Motiv für eine Reise nach Bonn zu geben, damit dann vor Ort auch die weiteren Angebote in Anspruch genommen werden, die jedoch für sich selbst genommen keinen ausreichenden Reiseauslöser darstellen.
Je stärker diese weiteren Angebote als sogenannte Kompetenzbeweise wiederum inhaltlich auf die Schaufensterprodukte einzahlen oder Verbindungen schaffen, desto erfolgreicher werden die Synergieeffekte für alle Angebote sein.
Besondere Angebote für Bonn herausarbeiten
Der potenzielle Gast sollte nicht aus einer undifferenzierten Menge von Angeboten wählen müssen. Jede*r, die*der auf sein eigenes Reiseverhalten blickt, wird feststellen, dass es nicht die undifferenzierte „Vielfalt“ von Angeboten ist, die eine Reise auslöst, sondern die Erwartung an besondere Angebote oder bestimmte Erlebnisse. Diese gilt es auch für Bonn herauszuarbeiten.
Der Fokus auf die Zielgruppe der Postmateriellen (Sinus Milieu) soll helfen, die Angebote entsprechend der Schwerpunktthemen zielgruppengerecht zu gestalten. Die in diesem Handlungsfeld erforderlichen Maßnahmen sind im weiteren Verlauf zu definieren.
Inhaltlich muss es einerseits darum gehen, die Beteiligten mit finanziellen Mitteln, Marktforschungsdaten (zum Beispiel über das Mediennutzungsverhalten des Sinus Milieus der Postmateriellen) und notwendiges Handwerkszeug (zum Beispiel Design Thinking und Produktentwicklungsmethoden) zu befähigen, diese Ziele erreichen zu können.
MICE-Segment stärken
Neben dem Leisure-Segment ist auch das MICE-Segment zu stärken, da sich Bonn hier in einer hervorragenden Ausgangssituation befindet. Diese Stärke muss sowohl bei der Angebots- und Servicegestaltung als auch in der Bewerbung weiter ausgebaut werden. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ist dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Handlungsfeld: Strukturen und Zusammenarbeit
Um die ehrgeizigen Ziele erreichen zu können, müssen die hierfür erforderlichen Strukturen und Netzwerke als Erfolgsvoraussetzung geschaffen werden. Hierzu ist es einerseits erforderlich, sowohl die verwaltungsinternen Strukturen der Stadt Bonn auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls Aufgabenzuschnitte anzupassen als auch Netzwerke auf der Ebene Bonns und mit dem Rhein-Sieg-Kreis zu schaffen und diese aktiv zu pflegen. Auch die Struktur und Form des zukünftigen Destinationsmanagements gilt es entsprechend anzupassen.
Handlungsfeld: Nachhaltigkeit im Tourismus und Tourismusbewusstsein
Es geht in diesem Handlungsfeld nicht in erster Linie darum, nachhaltige Reiseangebote als buchbares Produkt oder Verkaufsargument zu entwickeln. Nachhaltigkeit im Tourismus ist vielmehr als wichtige Grundlage zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Tourismus, der Erfüllung der Erwartungshaltung eines hierfür zunehmend anspruchsvoller werdenden Gastes und zur Berücksichtigung der Bedürfnisse aller vom Tourismus direkt oder indirekt betroffenen Agierenden zu verstehen.
Daher ist Nachhaltigkeit heute vielmehr als Transformationstreiberin zu betrachten, die in all ihren Facetten und möglichst vielen Handlungsfeldern zu berücksichtigen ist. Dies bezieht ebenso die Bedürfnisse körperlich oder geistig benachteiligter Menschen mit ein als auch die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung, die zum Beispiel ebenso von der Tourismusentwicklung profitieren und in ihrer Lebensqualität gestärkt werden sollen.
Daher sind in diesem Handlungsfeld Maßnahmen zu konzipieren und umzusetzen, die in den genannten Themenbereichen (zum Beispiel Nachhaltigkeit in der gesamte Servicekette und im eigenen Handeln als Unternehmen, Inklusion, Mobilität, Tourismusbewusstsein) Nachhaltigkeit sicherstellen oder Verbesserungen erzielen.
Handlungsfeld: Gästeorientierte Aufenthaltsqualität und Themenerlebbarkeit
Zusätzlich zu Produktentwicklung, Marketing, Kooperation und Nachhaltigkeit stellt die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Aufenthaltsqualität und Erlebbarkeit der tourismusrelevanten Themen Bonns ein weiteres wichtiges Handlungsfeld dar.
Zahlreiche Handlungsbedarfe bei Aufenthaltsqualität
In der Analyse sind hinsichtlich der derzeitigen Aufenthaltsqualität in Bonn zahlreiche Handlungsbedarfe festgestellt worden, die schrittweise anzugehen sind, um den Aufenthalt für Gäste und damit zugleich auch für die eigene Bevölkerung angenehm zu gestalten.
Genannt wurden von Prozessbeteiligten ausdrücklich die Fußgängerfreundlichkeit, die Grüngestaltung und das Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum.
Als touristische Schwerpunkträume oder Orte mit Handlungsbedarf benannten zahlreiche Beteiligte insbesondere das Bahnhofsumfeld, den Zentralen Omnibusbahnhof, die Innenstadt, das Rheinufer sowie die Beschilderung oder Zugänglichkeit öffentlicher WC-Standorte.
Themen erlebbar machen
Darüber hinaus sind die Themen, die Bonn in touristischer Hinsicht ein unverwechselbares Profil geben oder geben können, derzeit in ihrer konkreten Vor-Ort-Erlebbarkeit ganz unterschiedlich aufgestellt. Einige, wie zum Beispiel das Thema Beethoven, verfügen bereits über Schaufensterangebote und zahlreiche weitere Kompetenzbeweise.
Andere Themen, wie die UN- und Klimastadt Bonn sowie das Weltkulturerbe Niedergermanischer Limes sind entweder nur eingeschränkt oder kaum vor Ort besuchbar und damit für den Gast auch nicht wirklich erlebbar. Bei diesen Themen muss daher noch Entwicklungsarbeit geleistet werden, damit diese Entwicklungsthemen perspektivisch für Bonn erfolgreich in Szene gesetzt werden können.