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Bundesstadt Bonn

Gleichstellungsstelle der Stadt Bonn: 40 Jahre im Einsatz für Gleichberechtigung

Bonn gehörte zu den ersten Kommunen, die eine solche eingerichtet hatten. Am 15. Oktober 1984 nahm die damalige Beauftragte ihre Arbeit auf. Im Arbeitsleben haben die Frauen aufgeholt – Sorge- und Pflegearbeit stemmen sie oft noch allein.

Auch wenn Bonn ziemlich früh dran war mit der Einrichtung einer Gleichstellungsstelle - schon Ende August 1984 hatte der Rat der Stadt Bonn einen entsprechenden Beschluss gefasst -, war der Start für die am 15. Oktober 1984 ernannte erste Gleichstellungsbeauftragte nicht so einfach. Zunächst bestand deren Aufgabe darin, überhaupt ihr Arbeitsgebiet zu definieren. Viele Vorbilder oder Erfahrungswerte gab es bundesweit noch nicht, denn Bonn war erst die vierte Kommune in ganz Deutschland, die mit diesem Thema startete.

Die Grundlage für die Einrichtung war der gesetzliche Auftrag, der sich aus Artikel 3, Absatz II, des Grundgesetzes ergibt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Nach Paragraph 5 der Gemeindeordnung NRW und den Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes wirkt die Gleichstellungsbeauftragte an Vorhaben und Maßnahmen der Kommune mit, die die Belange von Frauen berühren oder Auswirkungen auf die Gleichberechtigung haben. 

Die Ausstattung der Stelle damals war überschaubar: Ein abgetrenntes Büro in der elften Etage des Stadthauses am Berliner Platz, ein Telefon, eine mechanische Schreibmaschine, ein Diktiergerät, zwei Aktenschränke, zwei Besucherstühle. 

Heute sitzt die Gleichstellungstelle am Bertha-von-Suttner-Platz unter Leitung der Gleichstellungsbeauftragten Stephanie Clemens-Krämer und mit einem Team von vier Frauen und einem Mann. In Einzelzimmern wird ein umfangreiches Beratungsangebot für Mitarbeitende der Stadtverwaltung, aber auch für die Stadtgesellschaft angeboten. 

40 Jahre Gleichstellungsstelle Bonn: die amtierende Gleichstellungsbeauftragte Stephanie Clemens-Krämer (li.) und ihre Stellvertreterin Katja Schülke (re.) im Gespräch mit ihren Vorgängerinnen Brigitte Rubarth und Christina Bertram-Meyer.

Gewalt gegen Frauen – damals wie heute ein Thema

Die dringendsten Themen waren 1984 Erwerbstätigkeit und Ausbildung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Sicherung der materiellen Existenz von Frauen sowie die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen. Aber auch Gewalt gegen Frauen, gerade auch im häuslichen Umfeld, war Thema - und ist es leider bis heute geblieben. Mitte 1985 hatte das Bundeskriminalamt eine wissenschaftliche Untersuchung zu sexualisierter Gewalt vorgelegt, Ende 1985 wurde eine Expertise zum Thema erstellt. 1984 wurde in Bonn die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt gegründet, mit der die Gleichstellungsstelle eng zusammenarbeitet. Projekte sind zum Beispiel der Arbeitskreis Opferschutz Bonn-Rhein-Sieg oder „Luisa ist hier“, einem niederschwelligen Hilfsprogramm für Frauen, die sich bei Veranstaltungen oder in Clubs belästigt fühlen. 

Zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November setzt die Gleichstellungsstelle in Kooperationen seit Jahren Plakatkampagnen mit der Benennung von Unterstützungsangeboten um oder legt die „Nein heißt Nein“-Kärtchen aus, auf denen die Erreichbarkeiten von Beratungs- und Unterstützungsorganisationen aufgeführt sind. Diese sind auch auf den mittlerweile mehr als 30 orangefarbenen Bänken im gesamten Stadtgebiet zu sehen. Die Vereinten Nationen haben die Farbe Orange als Signalfarbe für den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ausgewählt. Der Tag wird auch als „Orange Day“ bezeichnet und soll für das Thema sensibilisieren und zu Solidarität mit und Hilfe für die Betroffenen aufrufen.

Schon von Beginn an suchte die Gleichstellungsbeauftragte den Kontakt zu den vielen Vereinen, die sich für Frauen und Gleichstellung in Bonn einsetzten. Heute wird auf Initiative der Gleichstellungsstelle mit vielen Akteur*innen der Internationale Frauentag am 8. März gemeinsam begangen mit Vorträgen, Lesungen und Workshops sowie einer Informationsveranstaltung mit rund 30 Informationsständen von Bonner Organisationen, Beratungsstellen, städtischen Ämtern und Vereinen.

1984 hatte die Stadtverwaltung nur eine Amtsleiterin

Als die erste Gleichstellungsbeauftragte ihre Arbeit aufnahm, war der Verwaltungsvorstand der Stadt Bonn reine Männersache. Heute sind dort genauso viel Frauen wie Männer vertreten, und mit Katja Dörner amtiert bereits die zweite Oberbürgermeisterin seit 1984. 

In 36 Ämtern gab es 1984 eine einzige Amtsleiterin - im Gesundheitsamt - und vier Abteilungsleiterinnen. Heute liegt der Frauenanteil bei den Amtsleitungen bei 44 Prozent, insgesamt arbeiten 47 Prozent Frauen in Führungspositionen bei einem Frauenanteil aller Mitarbeitenden von 61 Prozent. 

Diese Entwicklung geht auf die Frauenförderung zurück. Die erste Richtlinie dazu gab es schon 1991, den ersten Frauenförderplan 2001 und der aktuelle Gleichstellungsplan „2023 – 2027“ stellt auf fast 40 Seiten die Daten und Fakten, die Quoten und vor allem die Maßnahmen dar, die für Gleichstellung der Geschlechter und Frauenförderung bei der Stadt Bonn umgesetzt und gelebt werden. 

1984 bewarben sich Frauen nur äußerst selten um höherwertige Stellen und nahmen kaum an Fortbildungsmaßnahmen teil. Heute gibt es zahlreiche Maßnahmen bei der Stadt Bonn, unter anderem ein internes Mentoring-Programm für und mit Frauen. Der Anteil der Frauen an Fortbildungsmaßnahmen liegt heute bei mehr als 60 Prozent und auf Initiative der Gleichstellungsstelle werden auch vermehrt Halbtags-Fortbildungen angeboten.

Vereinbarkeit Familie und Beruf

Beim Thema Vereinbarkeit hat sich einiges verändert in den vergangenen 40 Jahren: 1984 bedeutete Teilzeit eine halbe Stelle, vormittags von 8 Uhr bis 12 Uhr. Heute bietet die Stadt Bonn Modelle von acht Wochenstunden bis hin zu vollzeitnaher Teilzeit. Erste Telearbeitsplätze gab es bei der Stadt Bonn ab 2000. Im Jahr 2002 haben 35 Mitarbeiterinnen, es waren ausschließlich Frauen, eine Telearbeitsvereinbarung bei der Stadt Bonn unterschrieben. Die im Juni 2023 in Kraft getretene aktuelle Dienstvereinbarung mobiles Arbeiten, an der auch die Gleichstellungsbeauftragte mitgearbeitet hat, gibt den Mitarbeitenden mit Modellen mit bis zu 80 Prozent mobilem Arbeiten sowie sogar dem Arbeiten im Ausland ein weitreichendes Angebot zur flexibleren Gestaltung ihres Arbeitsalltags. Rund 3.000 Mitarbeitende nutzen aktuell dieses Angebot bei der Stadt. Besonders jene, die sich um die Pflege von Familienangehörigen oder die Betreuung von Kindern kümmern, profitieren dadurch. Dazu kommt, dass der Gleitzeitrahmen für alle Mitarbeitenden stetig erweitert wird. Aktuell kann im Zeitraum von 6 bis 21 Uhr gearbeitet werden.

Die Stadt Bonn hat das Audit „berufundfamilie“ auf Initiative der Gleichstellungsstelle und des Personal- und Organisationsamtes ab 2020 erfolgreich durchlaufen und im März 2021 erstmals das Qualitätssiegel für eine betriebliche Vereinbarungspolitik erhalten. Damit setzt sie als Arbeitgeberin ein klares Zeichen für Familienbewusstsein. Die Gleichstellungsstelle arbeitet verstärkt an Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Leben und Beruf, um auch den Anteil der Männer in Teilzeit und bei der Übernahme von Eltern- und Pflegezeiten zu erhöhen. Dafür wurden für Mitarbeitende eine interne Anlaufstelle Männer/Väter und eine Care-Anlaufstelle eingerichtet. 

Care-Arbeit und Elternzeit: Auch heute immer noch meist Frauensache

Aber auch bei der Stadtverwaltung zeigt sich anhand der Zahlen aus 2022, dass es ein langer Weg zur paritätischen Aufteilung der Sorge- und Pflegearbeit ist:  28 Prozent aller Beschäftigten machen Teilzeit, davon aber 85 Prozent Frauen. Der Frauenanteil bei der Elternzeit liegt bei 92 Prozent, von den acht Prozent Männern nehmen 80 Prozent bis zu zwei Monate. Der Anteil der Männer bei Elternzeit bis zu 24 Monaten liegt nur bei unter einem Prozent. 

Der Gleichstellungsstelle ist es wichtig, innerhalb der Stadtverwaltung eine Haltung zu einem familienfreundlichen Betrieb zu fördern, wobei Familie für die Stadt Bonn ein soziales Netzwerk ist, in dem Menschen mit enger persönlicher Bindung Verantwortung füreinander übernehmen. Überholte Rollenklischees müssen überwunden werden.

Stephanie Clemens-Krämer und ihr Team sind auch für die Zukunft überzeugt: „Gleichstellung nutzt allen Menschen. Sie ist für unsere Gesellschaft unerlässlich. Gleichstellung funktioniert nur gemeinsam. Heute geht es darum, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht von ihrer Arbeit gleichermaßen gut leben können und sich auch gemeinsam um die kümmern, die Unterstützung brauchen.“