Inhalt anspringen

Bundesstadt Bonn

Marielouise Jurreit

auch Janssen-Jurreit (*1941) - Bonner Frauen(orte): Universitätsbibliothek; Beethovenhalle

Porträt von Marielouise Jurreit

„Ich bin Feministin, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass eine Frau auf ihre persönlichen Erfahrungen, die Degradierung durch eine patriarchalische Kultur und ein von Profit, Gewalt und grenzenloser Destruktivität geprägtes Leben heute anders reagieren kann als durch Hinwendung zum Feminismus. Ich betrachte Frauen deswegen nicht als Heilsfiguren, aber als sensibler und wacher gegenüber Selbstvernich­tungs­­strategien und Allmachts­­­räuschen.“ - Marielouise Jurreit

Marielouise Jurreit lebt von 1972 bis 1980 in Bonn. Hier schreibt sie - viele Nachmittage sitzt sie im Lesesaal der Universitätsbibliothek am Rhein - das feministische Grundlagenwerk „Sexismus – Über die Abtreibung der Frauenfrage“, ein über 700 Seiten umfassendes Kompendium über Geschichte und Gegenwart, Theorie und Praxis der Frauenbewegung. Das Buch erscheint 1976, wird ins Englische und Schwedische übersetzt und allein in Deutschland werden an die 50.000 Exemplare verkauft. 

Einerseits ist die Reaktion - nicht nur der feministischen - Presse geradezu enthusiastisch: „Dieses Buch verspricht, dem Feminismus in aller Welt die Basis zu geben.“ (Women’s International Network News, USA), „eines der wichtigsten Bücher, wenn nicht vielleicht das Wichtigste der deutschen Frauenbewegung“ (Courage), „mit Sicherheit die gründlichste, umfangreichste und wichtigste Publikation der letzten Jahre zu diesem Thema“ (Zeit), „als Grundlage für die weitere Diskussion über die vielfältigen Ursachen der Frauenunterdrückung (…) vorläufig unersetzbar (FAZ), „feministische Publikation, die ernst genommen werden muss“ (Bild der Wissenschaft), „das bislang wohl wichtigste Buch über den Feminismus“ (Wirtschaftswoche), „ein grundlegender Beitrag zur feministischen Theorie“ (Westfälische Rundschau), „Total-Kompendium der Frauenfrage“ (Neue Zürcher Zeitung), „ein hochintelligentes Buch“ (Brigitte). 

Auf der anderen Seite stößt Jurreits unabweisbare Analyse der ideologischen Grundlagen patriarchalischen Denkens aber auch auf gewaltige Abwehr. 

Einer ihrer Hauptgegner ist der in der deutschen Linken großes Ansehen genießende Ernest Borneman, der im Rundfunk (Deutschlandfunk, WDR) und in so unterschiedlichen Blättern wie den linken Zeitschriften konkret und das da oder der CDU-nahen Deutschen Zeitung eine breit angelegte regelrechte Diffamierungskampagne betreibt, in der er ihr Buch als „feministischen Abort“ bezeichnet und Marielouise Jurreit „psychische Privatprobleme“ unterstellt. Borneman, der Verfasser von „Das Patriarchat“, befindet sich auf dem Rachefeldzug gegen Jurreit, die im sozialdemokratischen Vorwärts einen Verriss seiner Schrift veröffentlicht hat. Darin kritisiert sie das „Patriarchat“ als unwissenschaftlich, als „abschreckendsten Beleg für die Verfälschung archäologischer Erkenntnisse“. Seine zentrale These eines universalen Urmatriarchats hält sie für reine Spekulation. Mit seinen Aussagen „über die sexuellen Empfindungen von Menschen der Altsteinzeit“ „überschreite er die Grenzen der Forschung“. Diese Art des Vorgehens rücke ihn „in die Nähe von Erich Däniken“.  

Hier erfahren Sie mehr über die Frau, die dieses feministische Standardwerk verfasst hat, warum es für die Frauenfrage so bedeutsam ist und was genau unter dem Begriff „Sexismus“, der von Jurreit in Deutschland eingeführt wurde, zu verstehen ist.

Text: Ulrike Klens