Was ist eine Standardisierte Bewertung und kann man die Ergebnisse einsehen?
Eine Standardisierte Bewertung beantwortet zum einem die bedeutsame Frage, ob ein Projekt volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Volkswirtschaftlich sinnvoll bedeutet: Kosten und Nutzen eines Projekts werden für die Allgemeinheit betrachtet – also nicht nur die Folgen für einzelne Gruppen wie Anwohner*innen oder Pendler*innen, sondern z. B. auch Umweltfolgen, die alle betreffen. Zum anderen ist die Standardisierte Bewertung Grundlage dafür, dass die Stadt Bonn Fördermittel von Land und Bund nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zur Finanzierung der Infrastruktur beantragen kann.
Die beteiligten Zuwendungsgeber (Bundesverkehrsministerium, Landesverkehrsministerium NRW, und Zweckverband Nahverkehr Rheinland) haben den „Bericht zum vorläufigen Ergebnis der Standardisierten Bewertung“ geprüft und Anfang Februar 2022 freigegeben.
Nach der Machbarkeitsstudie 2017 hatte die Ratsmehrheit die Stadtverwaltung beauftragt, eine Nutzen-Kosten-Untersuchung für die Seilbahn in Auftrag zu geben. Als Methodik dieser komplexen Untersuchung wurde in Absprache mit Land und Bund erstmals für ein Seilbahn-Projekt eine sogenannte Standardisierte Bewertung vorgenommen – Kosten- und Wertansätze für ein innovatives Seilbahnsystem mussten dafür anhand von Erfahrungswerten ergänzt werden. Im Rahmen des formellen Verfahrens haben sich alle Beteiligten von Bund, Land und Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) stetig dazu abgestimmt. Die Seilbahn-spezifischen Ansätze sind im Ergebnis-Bericht näher erläutert.
Transparente Entscheidungsgrundlage
Standardisierte Bewertungen werden seit Jahrzehnten bei Verkehrswege-Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angewendet, um für Fördergeber die Wirtschaftlichkeit verschiedener Investitionsmaßnahmen untereinander vergleichbar zu machen. Das Ergebnis stellt eine transparente Entscheidungsgrundlage dar. Zwei besonders wichtige Fragen werden mithilfe dieses Verfahrens beantwortet:
- Nutzen-Kosten-Untersuchung: Ist das Vorhaben gesamtwirtschaftlich vorteilhaft, übersteigt der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten? Ist dies der Fall, ist es förderwürdig und die Stadt könnte dann Landes- und Bundesmittel dafür beantragen.
- Folgekosten-Rechnung: Welche finanziellen Auswirkungen hat das Projekt künftig aus betriebswirtschaftlicher Sicht für den ÖPNV-Aufgabenträger (Stadt Bonn) und den Betreiber der Seilbahn?
Das vorläufige Ergebnis dieser Untersuchung liegt nun vor: Das Projekt ist volkswirtschaftlich sinnvoll und somit förderwürdig.
Fördervoraussetzung ist, dass das Nutzen-Kosten-Verhältnis ausgeglichen ist, der berechnete Wert also mindestens bei 1 (oder größer) liegt. Auf Basis der aktuell vorliegenden Kostenermittlung beträgt das berechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis 1,6. Jedem investierten Euro stehen also 1,60 Euro volkswirtschaftlicher Nutzen gegenüber.
Bei Bauvorhaben erhöhen sich häufig mit voranschreitender Planung die Kosten. Um substanzielle Preissteigerungen, die sich bei der weiteren Planung ergeben könnten, zu berücksichtigen, wurde daher ein 30-prozentiger Kostenpuffer auf die Infrastrukturkosten bedacht. So schreibt es die Verfahrensanleitung vor.
Die Folgekostenrechnung zeigt die finanziellen Auswirkungen nach dem Bau der Seilbahn. Denn die Bundesstadt Bonn als Aufgabenträger sowie die Stadtwerke Bonn GmbH als mögliche Betreiber brauchen Gewissheit, dass die Folgekosten langfristig finanzierbar sind. Das Ergebnis dieser Berechnung lautet: „Eine langfristige Überforderung der Leistungsfähigkeit der Bundesstadt Bonn ist durch das Projekt nicht zu erwarten.“
Dieses Verfahren wurde von einem unabhängigen Ingenieurbüro durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit den zuständigen Verkehrsministerien des Landes NRW und des Bundes sowie dem Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) als Zuwendungsgeber und Bewilligungsbehörde im Verbundgebiet verbindlich abgestimmt.
Den Mitgliedern im Ausschuss für Mobilität und Verkehr wurde das Verfahren und die Berechnungsschritte hin zum vorläufigen positiven Ergebnis im November 2021 anhand folgender Präsentation näher erläutert (Spiekermann Ingenieure):
Warum gilt das Ergebnis der Standardisierten Bewertung als „vorläufig“?
Dass das Ergebnis der Standardisierten Bewertung derzeit als „vorläufig“ gilt, liegt am gesetzlich vorgegebenen Verfahrensablauf dieser Untersuchung. Die Standardisierte Bewertung berechnet schon in einer frühen Planungsphase, ob ein Projekt als förderwürdig gilt. Ohne diese Einstufung würde die Stadt Bonn das Projekt nicht weiterplanen. „Endgültig“ werden der Bericht und das Ergebnis erst, wenn die Stadt tatsächlich Förderanträge stellt. Dies geschieht erst im Anschluss an das Planfeststellungsverfahren, wenn Baurecht für die Seilbahn erteilt ist. Dann werden die Kosten noch einmal neu bewertet und fließen in das dann endgültige Ergebnis ein. Um Änderungen am sehr guten Ergebnis der Nutzen-Kosten-Rechnung schon im Vorfeld abzuwenden, ist bereits im Verfahren für das „vorläufige Ergebnis“ der Standardisierten Bewertung eine mögliche 30-prozentige Kostensteigerung eingerechnet.
Veranlassung: Wie viele Fahrzeuge fahren täglich die Robert-Koch-Straße hinauf und hinunter?
Für die Standardisierte Bewertung wurden zahlreiche vorhandene Verkehrsdaten herangezogen. Verkehrszählungen auf der Robert-Koch-Straße haben gezeigt, dass der Verkehr dort stark zugenommen hat: 2013 wurden auf der Strecke 12.500 Kraftfahrzeuge gezählt, im Jahr 2017 waren es schon 14.500. Details zu den Fahrgast-Berechnungen sind im „Bericht zum vorläufigen Ergebnis der Standardisierten Bewertung“ zu finden.
Wie hat sich die Planung seit der Machbarkeitsstudie verändert?
Die Planung der Trasse, die der Machbarkeitsstudie zugrunde lag, wurde inzwischen durch ein renommiertes Fachbüro für Seilbahn-Planung vertiefend untersucht und überarbeitet. Dabei wurden auch zahlreiche Hinweise der Bürger*innen berücksichtigt und die Planung abgeändert:
- Für die Endstation wurde ein neuer Standort im westlichen Bereich des UKB Geländes gewählt.
- Der Stützenstandort am Venusberghang wurde in den Nahbereich des Auenbrugger Hauses verschoben. Hangmittig ist keine Stütze mehr vorgesehen.
- Die am Hangfuß des Venusbergs im Bereich des Feuchtbiotopes vorgesehene Stütze entfällt durch eine geänderte Seilführung. Das Biotop wird nicht angetastet.
- Eine Beeinflussung des Spielplatzes durch ein Stützenbauwerk soll möglichst auf den Randbereich beschränkt werden, sodass der Spielplatz weitestgehend erhalten bleiben kann.
- Die Station am Loki-Schmidt-Platz wurde in Richtung der Straßeninfrastruktur/Haltestellen verschoben.
- Der Stützenstandort im Kreuzungsbereich der Urstadtstraße/Kessenicher Straße wird in den Straßenrandbereich der Urstadtstraße verschoben (aktuell Parkfläche im Straßenrandbereich).
- Der Stützenstandort auf dem Gelände von HARIBO entfällt.
- Der Stützenstandort auf dem Schulhof der Erich-Kästner-Schule wurde an den Rand verschoben.
- Die Station am DB Haltepunkt UN Campus wurde Richtung Parkhaus verschoben.
- Das Stützenbauwerk im Bereich des Trajekt-Knotens ist nicht mehr im Bereich des Kreisels vorgesehen.
- Die Station in der Rheinaue wurde in die Nähe des Post Towers verlegt.
Die weitere Detailplanung kann erst gemeinsam mit einem Seilbahn-Hersteller in einem späteren Planungsstadium erfolgen.
Wie funktioniert ein Planfeststellungsverfahren für eine Seilbahn?
Für die Seilbahn sind nach erfolgtem Beschluss der Politik weitere Vorgutachten – etwa zu Umweltauswirkungen und zum Baugrund – zu beauftragen. Erst danach wird die Planung weiter vertieft und die Seilbahnanlage als sogenannte „funktionale Ausschreibung“ ausgeschrieben.
Im Fall der Seilbahn gibt es eine Besonderheit: Für die Planfeststellung (nach § 3 SeilbG NRW) muss schon im Vorfeld der ausführende Hersteller nach einer Ausschreibung feststehen und sämtliche Unterlagen zur Seilbahntechnik liefern. Denn jede Seilbahn ist ein Unikat, und jeder Seilbahnhersteller arbeitet mit einem exklusiven, firmenspezifischen Baukasten-System.
In der Ausschreibung für die Anbieter muss der Auftraggeber Vorgaben machen, woran sich ein Hersteller halten muss (Trassenführung, Größenordnung der Stationen, Anbindung an den ÖPNV etc.). Gutachten und Vorplanungen müssen in der Folge an die Spezifikationen des jeweiligen Herstellers angepasst und präzisiert werden. Erst dann können anlagenspezifische Pläne und Gutachten bis ins Detail vervollständigt werden – etwa zum Seilbahnkorridor, zu Stützenstandorten, Stützenhöhen, seilbahntechnischen Gebäuden, zum Betriebs- und Wartungskonzept der Seilbahn oder zur Lärmprognose.
Liegen alle benötigten Gutachten vor und ist die notwendige Planungsreife erreicht, startet das gesetzlich vorgesehene Planfeststellungsverfahren. Das heißt: Der Plan zum Bau einer Seilbahn wird bei der zuständigen Behörde, der Bezirksregierung, vorgelegt. Diese prüft, ob alle Gutachten den gültigen Bestimmungen entsprechen.
In diesem Verfahren können alle Bürger*innen und insbesondere die Betroffenen ihre Einwände gegenüber der finalen Ausführungsplanung vorbringen. Die Bezirksregierung muss diese dann mit dem Gesamtnutzen abwägen. Ergeht am Ende dieses Prozesses ein sogenannter Planfeststellungsbeschluss, ist dies mit einer Baugenehmigung für ein privates Bauvorhaben vergleichbar. Die Seilbahn kann gebaut werden.
Wurde die „Denkmaltauglichkeit“ im Bereich Rheinaue geprüft?
Das Projekt ist den zuständigen Denkmalbehörden vom Grundsatz her bekannt, zum jetzigen Planungsstand aber noch zu unkonkret, um in eine vertiefte denkmalfachliche Prüfung einzusteigen. Die jeweiligen Fachämter der Stadtverwaltung stehen dazu in stetigem Austausch.
Wurde die Zustimmung vom Planer der Rheinaue eingeholt?
Eine Zustimmung liegt noch nicht vor, doch die Stadt hat bereits Kontakt zu ihm aufgenommen und befindet sich im Austausch. Um die formale Zustimmung einzuholen, müssen vertiefte Pläne zum Bau der Seilbahn vorliegen. Diese Fragen werden später im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens geklärt.
Die Bezirksvertretung Beuel hat die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, ob die Seilbahn rechtsrheinisch verlängert werden kann. Gibt es dazu schon ein Ergebnis?
Die Bezirksvertretung Beuel möchte wissen, ob die Seilbahn über Ramersdorf nach Holtdorf verlängert werden kann. Dies soll die Stadtverwaltung prüfen.
Der Auftrag zur Prüfung von Potenzialen sowie der technischen Machbarkeit einer rechtsrheinischen Seilbahn ist an zwei externe Planungsbüros erteilt worden und befindet sich zurzeit in Bearbeitung. Die Ergebnisse der Untersuchung werden nach der Sommerpause 2023 in die politischen Gremien eingebracht.