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- 1. Grundlagen und Ziele der Abwasserreinigung in Bonn
- 2. Verfahrensschema und Kennzahlen der Abwasserbehandlung (4 Kläranlagen) und Abwasserableitung (Kanalnetz und Sonderbauwerke)
- 3. Abwasserableitung
- 3.1 Zustand des Kanalnetzes
- 3.2 Grundlagen für die baulichen Sanierungsmaßnahmen im Kanalnetz
- 3.3 Maßnahmen
- 3.4 Kanalnetzbemessung
- 3.5. Zustand der Pumpwerke
- 3.6 Fremdwasser
- 3.7 Private Anschlusssammelleitungen
- 4. Niederschlagswasserbeseitigungskonzept
- 4.1 Einleitungen aus der öffentlichen Kanalisation
- 4.2 Maßnahmen an den Einleitungsstellen aus der öffentlichen Kanalisation
- 4.3 Niederschlagswasserableitung in Neubaugebieten
- 4.4 Maßnahmen zur Erreichung des guten Zustandes der Gewässer
- 4.5 Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden bei Starkregen
- 4.6 Entwässerung im Trennverfahren
- 4.7 Anwendung des Schwammstadtkonzeptes
- 5. Abwasserbehandlung
- 5.1 Grundlagen
- 5.2 Maßnahmen
- 5.3 Auslastung der Kläranlagen und Zustandsbewertung
Abkürzungsverzeichnis
A: Autobahn
Abb.: Abbildung
ABK: Abwasserbeseitigungskonzept
Abs.: Absatz
ARA: Abwasserreinigungsanlagen
ATV: Abwassertechnische Vereinigung
B: Bundesstraßen
BP: Bachpegel
Bez.-Reg.: Bezirksregierung
BGS: Bundesgrenzschutz
BIMSchG: Bundesimmissionsschutz-Gesetz
Bio: Biologie
BWK: Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau
bzw.: beziehungsweise
ca.: circa
CAD: Computer aided design
d.h.: das heißt
DN: Diameter Nominal – Nennweite
DIN: Deutsche Industrie-Norm
DV: Datenverarbeitung
DVS: Datenverbundsystem
DWA: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.
eANV: elektronisches Abfallnachweiseverfahren
EDV: Elektronische Datenverarbeitung
EMSR: Elektro-, Mess-, Steuer- und Reglungstechnik in der Automatisierungstechnik
etc.: et cetera
EU: Europäische Union
EW: Einwohnerwerte
EU-WRRL: Europäische Wasserrahmenrichtlinie
e.V.: eingetragener Verein
ff.: fortfolgend
FSK: Fremdwassersanierungskonzept
Ggf.: gegebenenfalls
GPRS: General Packet Radio Service
GSM: Global System für Mobile Communication
GWP: Grundwasserspiegel
HGB: Handelsgesetzbuch
HH: Haushalt
i.d.R.: in der Regel
IT: Informationstechnik
KA: Kläranlage
KAB: Kläranlage Beuel
KAD: Kläranlage Duisdorf
KAG: Kläranlage Bad Godesberg
KAG NRW: Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen
KAS: Kläranlage Salierweg
kfm.: kaufmännisch
km: Kilometer
KVA: Klärschlammverbrennungsanlage
kWh/a: Kilowatt pro Stunde
L: Landstraße
LIMS: Laborinformations- und –Managementsystem
LKW: Lastkraftwagen
L/s: Liter pro Sekunde
lt.: Laut
LWG: Landeswassergesetz
LWL: Lichtwellenleiter
M: Merkblatt
m: Meter
Mio.: Millionen
MKULNV: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Ver-braucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
mm: Millimeter
Moment: Modellierung von Mischwasserentlastungen
MW: Mischwasser
n: Häufigkeit
N-A-Modelle: Niederschlag-Abfluss-Modelle
Nr.: Nummer
NRW: Nordrhein-Westfalen
o.a.: oder andere
Okt: Oktober
PEHD: Polyethylen
Pkt.: Punkt
PLS: Prozessleitsystem
rd.: Rund
RM: Regenmessstation
RRB: Regenrückhaltebecken
RSE: Rhein-Sieg-Eisenbahn
S.: Seite
s.: siehe
SE: Stadtentwässerung
SK: Staukanal
SPS: Speicherprogrammierbare Steuerung
städt.: Städtisch
SW: Schmutzwasser
SüwV-Kom: Selbstüberwachungsverordnung kommunaler Abwasseranlagen
SüwVO-Abw: Selbstüberwachungsverordnung Abwasser
T€: tausende Euro
TIS: Technisches Informationssystem
TV: Television
UWB: Untere Wasserbehörde
WHG: Wasserhaushaltsgesetz
z.B.: Zum Beispiel
ZK: Zustandsklasse
z.T.: zum Teil
1. Grundlagen und Ziele der Abwasserreinigung in Bonn
Grundlagen
Die Abwasserentsorgung einer Stadt ist eine wesentliche Grundlage der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung, das ansässige Gewerbe, Institutionen und Einrichtungen. Die Entwicklung der Abwasserentsorgung der Stadt Bonn reicht mit ihren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurück.
Die Entwicklung der Abwasserentsorgung bedarf einer zielgerichteten und koordinierten Herangehensweise. Deshalb wurde ab 1985 ein Abwasserbeseitigungskonzept aufgestellt und regelmäßig fortgeschrieben. Die nunmehr anstehende siebte Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes umfasst den Zeitraum der Jahre 2024 bis 2029.
Die Abwasserentsorgung hat sich an den Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), des Landeswassergesetzes NRW, den zugehörigen Verordnungen und den erteilten wasserrechtlichen Bescheiden auszurichten.
Alle Abwasserbeseitigungspflichtigen in Nordrhein-Westfalen haben ein Abwasserbeseitigungskonzept entsprechend den Regelungen des Wassergesetzes von Nordrhein-Westfalen - Landeswassergesetz – LWG aufzustellen. Die Vorgaben für das Abwasserbeseitigungskonzept sind im § 47 LWG gebündelt. Diese sind durch die „Verwaltungsvorschrift über die Aufstellung von Abwasserbeseitigungskonzepten der Gemeinden“ präzisiert.
Abwassertechnische Anlagen sind nach betrieblichen, statischen und umwelttechnischen Anforderungen zu betreiben. Die bestehenden Anlagen sind rechtlich zwingend mit ausreichenden Instandhaltungen und Erneuerungen betriebsfähig zu halten. Es ist ausreichendes und qualifiziertes Personal für den Betrieb und für Instandhaltungen und Erneuerungen bereit zu stellen.
Für trotzdem unabwendbar auftretende Betriebsstörungen sind darüber hinaus geeignete Vorkehrungen zu treffen, welche beispielsweise in Zuge von Rufbereitschaften bearbeitet werden. Die Organisation des Tiefbauamtes gewährleistet so, dass es im Zuge der Abwasserableitung und -entsorgung keine Verstöße gegen die wasserrechtliche Sorgfaltspflicht auftreten.
Alle abwassertechnischen Anlagen sind laut der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (SüwVO Abw) systematisch selbst zu kontrollieren. Darüber ist umfänglich an die Bezirksregierung zu berichten. Zu den Berichtspflichten gehört auch eine jährliche Information zu Änderungen bei der Maßnahmenabarbeitung gegenüber dem bestehenden Abwasserbeseitigungskonzept. Neben der Selbstüberwachung des Abwasserbeseitigungspflichtigen erfolgt ebenfalls die unmittelbare aufsichtsbehördliche Überwachung durch Beprobungen in den Kläranlagen sowie Kontrollbegehungen in den Anlagen der Abwasserbehandlung und -ableitung.
Ziele der Abwasserentsorgung in Bonn
Die Abwasserentsorgung ist eine wichtige Lebensgrundlage und in vielen Belangen gesetzlich geregelt. Hier sind als Hauptziele vor allem Seuchenschutz, Schutz der Umwelt, Schutz der natürlichen Wasserressourcen und zunehmend der Schutz vor Starkregenereignisse und Überflutungen zu nennen. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und verordnungsrechtlichen Regelungen ist oberstes Ziel.
Bei der Ausrichtung auf diese Ziele sind die unmittelbaren Interessen der Bürger, der Gewerbetreibenden und vielfältigen Einrichtungen zu berücksichtigen. Oft ergeben sich dabei Zielkonflikte, die mit vorausschauenden Planungen und Abwägungen gelöst oder in Konsens gebracht werden müssen.
Mit dem Abwasserkonzept werden vorausschauend die erforderlichen Maßnahmen aufgestellt, um die o.a. Ziele zu erreichen. Wichtige Teilziele für die Entwicklung der Abwasserentsorgung der Stadt Bonn im Zeitraum 2024 bis 2029 sind:
- Einhaltung der gesetzlichen und rechtlichen Vorgaben für die Abwassereinleitungen der Stadt Bonn.
- Umsetzung der rechtlichen Vorgaben für den Betrieb der Abwasseranlagen und Kanalnetze in der Abwasserableitung
- Fortführung eines umfassenden Kanalsanierungsprogrammes
- Anpassung der Abwasserbehandlungskapazität an die wachsende Einwohnerentwicklung in der Abwasserbehandlung (Kläranlagen) und Vorbereitung der geplanten Zusammenführung der vier Bonner Kläranlagen.
- Fortführung der strategischen Ausrichtung der Klärschlammverwertung und Vorbereitung eines zukünftigen Phosphorrecyclings.
- Fortführung der energiewirtschaftlichen Maßnahmen in den Anlagen.
- Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Umwelt- und Klimaschutz
- Anpassungen der Abwasserentsorgung der Stadt Bonn an die Auswirkungen des Klimawandels und Vorsorgemaßnahmen im Starkregen- und Hochwasserfall.
- Gezielter Erhalt des Anlagevermögens der Abwasserentsorgung durch Re- und Neuinvestitionen
- Technisch-wirtschaftliche Betrachtung der vorgesehenen Maßnahmen um eine wirtschaftliche Betriebsführung sicher zu stellen (Kosten-Vergleichs-Rechnungen, Bewertungskriterien).
- Stabilisierung der personalwirtschaftlichen Situation der Stadtentwässerung, die durch den bevorstehenden Generationswechsel des Personals in vielen Bereichen und durch das begrenzte Angebot auf dem Arbeitsmarkt erschwert ist.
- Ausbildungsangebote im Facharbeiter-, Techniker- und Ingenieurbereich
- Öffentlichkeitsarbeit in signifikanten Bereichen der Stadtentwässerung
- Anwendung des Schwammstadtkonzeptes (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ABKs befindet sich dies in der Ausarbeitung und Federführung des Amtes 67 – Amt für Umwelt und Stadtgrün), wenn der Art und der Umfang einer Kanalbaumaßnahme dies zulassen
2. Verfahrensschema und Kennzahlen der Abwasserbehandlung (4 Kläranlagen) und Abwasserableitung (Kanalnetz und Sonderbauwerke)
Verfahrensschema Kläranlagen (in vereinfachter Darstellung)
Kennzahlen Bonner Kläranlagen 2021
KA Bonn/ Salierweg |
KA Bad Godesberg | KA Beuel |
KA Duisdorf |
Königswinter | |
Auslegungsgröße | 307.000 EW | 110.000 EW | 80.000 EW | 36.250 EW | |
mechanisch | 307.000 EW | ||||
biologisch | 285.000 EW | ||||
Angeschlossene Einwohner | 183.503 | 85.599 | 64.031 | 23.347 | |
+ Einwohnergleichwerte | 97.852 | 22.588 | 10.124 | 8.599 | |
= Einwohnerwerte | 281.355 | 108.187 | 74.155 | 31.946 | |
Auslastung in % | 98,7% | 98,4% | 92,7% | 88,1% | |
mechanisch | 91,6% | ||||
biologisch | 98,7% | ||||
freie Kapazität | 3.645 | 1.813 | 5.845 | 4.304 | |
in % | 1,3% | 1,6% | 7,3% | 11,9% | |
mechanisch | 8,4% | ||||
biologisch | 1,3% | ||||
Jahresschmutz-wassermenge m³/a | 12.097.663 | 5.617.992 | 3.871.091 | 1.809.281 | |
Jahresabwasser-menge m³/a | 17.660.491 | 8.529.136 | 5.535.587 | 2.515.052 | |
Entsorgte Reststoffe | |||||
Sandfanggut [t/a] | 107 | 83 | 69 | 37 | |
Rechengut [t/a] | 382 | 280 | 137 | 65 | |
Klärschlamm zur KVA [t/a] | 4.006 | 1.534 | 1.374 | 411 | 248 |
KVA: Flugasche + Kesselstaub [t/a] | 1863 | ||||
KVA: aus Rauchgas-reinigung [t/a] |
369 | ||||
Verbrauchs-materialien/ Fällmittel | |||||
- Kreide [t/a] | 173 | ||||
- Eisen-II-Chlorid [t/a] | 1740 | 522 | 195 | ||
- Kalkhydrat [t/a] (incl. KVA) | 2064 | 94 | 54 | ||
- Natriumaluminat [t/a] | 451 | ||||
- Aluminiumchlorid [t/a] | 191 | ||||
- Eisen-III-Chlorid [t/a] | 123 | ||||
Flockungsmittel (Zentrifugen) [t/a] | 42 | 4 | |||
Flockungsmittel (Siebbänder) [t/a] | 18 | ||||
Flockungsmittel (Eindicker) [t/a] | 5 | ||||
Gesamtstromverbrauch in kWh/a | 14.082.827 | 2.272.040 | 1.777.534 | 1.749.399 | |
Strombezug in kWh/a | 13.361.107 | 2.272.040 | 1.777.534 | 1.309.860 | |
Stromkosten | 2.763.098 | 495.709 | 387.271 | 286.891 |
Das Kanalnetz zum Sammeln und Ableiten von Abwässern hat eine Länge von ca. 950 Kilometer, bestehend aus 96,0 Prozent Mischwasserkanälen, 3,5 Prozent Regenwasser- und 0,5 Prozent Schmutzwasserkanälen unterschiedlichster Dimensionen. Zudem sind zur Entwässerung der öffentlichen Straßenfläche an das Kanalnetz etwa 39.800 Sinkkästen angeschlossen. Innerhalb des Netzes befinden sich 274 Sonderbauwerke. Diese setzen sich zusammen aus 91 Pumpwerken, 106 Regenrückhaltebecken, 61 Staukanälen/Regenüberlaufbecken, 10 Regenüberläufen und 5 Dükerbauwerken.
Kennzahlen Bonner Kanalnetz 2021
Länge des Kanalnetzes | 953 km |
Anzahl Sonderbauwerke gesamt | 274 |
davon Pumpwerke | 90 |
davon Regenrückhaltebecken | 112 |
davon Staukanäle / Regenüberlaufbecken | 59 |
davon Regenüberläufe | 10 |
davon Dükerbauwerke | 5 |
Anzahl Sinkkästen | 39.800 |
TV-Untersuchungen | ca. 63 km/Jahr |
Kennzahlen Bonner Gewässer 2021
Länge der städtischen Gewässer | ca. 127 km |
Davon verrohrt | ca. 20 km |
Anzahl Brücken und Durchlässe | 450 |
Anzahl Rechen vor Einlaufbauwerken | 42 |
Anzahl Hochwasserrückhaltebecken | 6 |
Entsorgung | |
Grünabfälle | 75 [t/a] |
Sandfanggut | 220 [t/a] |
Länge des Rheins auf Bonner Stadtgebiet | 17,8 km |
Zusätzliche Unterhaltungspflichten am Rhein | |
Deiche | 7 km |
Ufermauern | 14,7 km |
Mobiler Hochwasserschutz Rhein | 0,25 km |
3. Abwasserableitung
Bestehend aus den Ziffern 3.1 bis 3.7.
3.1 Zustand des Kanalnetzes
Zwischen 2006 bis 2021 führte die Bundesstadt Bonn die turnusmäßige Zweitbefahrung des Kanalnetzes mit dem TV-Inspektionsfahrzeug nach SüwVO Abw. durch. Dabei fährt ein mit Kamera ausgestatteter Fahrwagen in die Kanäle ein und dokumentiert Befunde. Bei Innendurchmessern ab ca. 180 cm erfolgt die Begehung durch Personal. Bei der Inspektion von Großprofilen haben sich bedingt durch die Corona Pandemie und damit verbundenen Regeln der Arbeitssicherheit Verzögerungen eingestellt. Die Begehungen dieser Kanäle wurden 2022 erneut aufgenommen. Die Einordnung der Befunde erfolgt nach dem Regelwerk der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.). Das Klassifizierungsmodell teilt die Haltungen in 6 Zustandsklassen ein, wobei die Zustandsklasse 0 den schlechtesten Zustand darstellt. Aus dieser Klassifizierung können sich unmittelbare Handlungsbedarfe ergeben. Die Zustandsklasse 5 stellt einen mangelfreien Kanal dar.
Aus einer qualifizierten Zustandsbewertung erfolgen rechtliche Verpflichtungen für den Netzbetreiber. Diese sind in dem Runderlass des MKULNV „Anforderungen an den Betrieb und die Unterhaltung von Kanalisationsnetzen“ von 1995 verbindlich festgelegt.
Ergebnis der Prüfung nach § 2 SüwVO Abw | Sanierungsfrist laut Erlass |
bei Beeinträchtigung der Standsicherheit: | Unverzüglich |
bei Beeinträchtigung der Funktion einer Haltung: | innerhalb von 5 bis 10 Jahren (abhängig vom Umfang der Beeinträchtigung) |
bei Exfiltration: | Unverzüglich bis innerhalb von 10 Jahren (abhängig von Abwasserbeschaffenheit und wasserwirtschaftlichen Verhältnissen) |
Tabelle: Fristen nach Runderlass “Anforderungen an den Betrieb und die Unterhaltung von Kanalisationsnetzen“
Beurteilung des Kanalnetzzustandes in Bonn
Die Sanierung von Haltungen mit der Zustandsklasse 0 wird fokussiert. Diese Zustandsklasse ist nicht zwangsweise ein Indikator dafür, dass der gesamte Kanal in seiner Standsicherheit akut gefährdet ist oder durch ein kostenintensives offenes Bauverfahren saniert werden muss. Ein vorliegender Einzelschaden (z.B. ein Riss von wenigen Zentimetern Länge) im Kanal sorgt für die entsprechende Klassifizierung. Im Zuge des sechsten ABKs konnte bereits bewiesen werden, dass der Großteil der Kanal-Haltungen (dabei handelt es sich um einen Kanalabschnitt zwischen zwei Schächten) wirtschaftlich durch Reparaturen saniert werden konnten. Im Zuge einer Reparatur wird der Kanal in der Regel von Innen grabenlos und punktuell instandgesetzt, z.B. durch Robotertechnik. Alternativ wird auch eine Renovierung durch einen Liner geprüft. Liner stellen ebenfalls eine grabenlose Sanierungsmöglichkeit dar. Dabei wird flächenhaft ein aushärtender Schlauch in den Kanal eingebracht. Nur wenn sich durch die technischen Rahmenbedingungen, die oben genannten Sanierungsmethoden nicht umsetzen lassen, werden Erneuerungen im offenen Verfahren, per Vortrieb oder im Stollen als Maßnahmen umgesetzt. Neben der Abarbeitung der aktuell gebildeten Maßnahmen müssen Maßnahmen aus dem vorherigen ABK umgesetzt werden, die aus Kapazitätsgründen, aus Gründen der Abhängigkeit zu Dritten oder aus verkehrstechnischen Gründen nicht im geplanten Zeitraum umgesetzt werden konnten. Auch die Grundlage dieser Sanierungsmaßnahmen ist die intern ausgeführte Zweitbefahrung.
Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) führt regelmäßig eine bundesweite Umfrage zum Thema „Zustand der Kanalisation“ durch. Hierzu werden ausgesuchte Gemeinden und Städte verschiedener Größenordnungen befragt und die Ergebnisse ausgewertet. Die Umfrage von 2020 basieren auf den Daten von 2018 (Quelle: Sonderdruck aus KA Korrespondenz Abwasser, Abfall 12/2020). Die Daten der Umfrage werden im folgenden Säulendiagramm mit der Zustandsauswertung der Bundesstadt Bonn von 2022 verglichen.
In der obigen Abbildung sind drei Säulen enthalten. Die linke Säule zeigt die Ergebnisse der DWA-Umfrage, die rechte den Zustand des Kanalnetzes der Stadt Bonn nach der Zweitbefahrung. Da in der DWA-Umfrage ein sehr hoher Anteil an unbewerteten Haltungen vorhanden ist, der den Vergleich mit dem weitestgehend vollständig bewerteten Bonner Kanalnetz erschwert, wurde die DWA-Umfrage so modifiziert, dass die unbewerteten Anteile entsprechend der bewerteten Anteile des Kanalnetzes hochgerechnet wurden (mittlere Säule). Der Vergleich zeigt vier wesentliche Punkte:
- Die Bewertungsdichte in Bonn liegt weit (ca. 15 %) über dem Durchschnitt,
- Der Anteil der stark sanierungsbedürftigen Haltungen (ZK 0 und 1) liegt leicht über dem Durchschnitt (ca. 2,4%),
- Der Anteil der mittelfristig zu sanierenden Haltungen (ZK 2) ist überdurchschnittlich hoch (10 % über Durchschnitt).
- Der Anteil mangelfreier Haltungen oder Haltungen ohne Handlungsbedarf (Summe ZK 4 und 5) liegt unter dem Durchschnitt (ca. 4,7%)
Für die kommenden Jahre ist damit in Bezug auf die Haltungen in Zustandsklasse 2 in Bonn ein vergleichsweise hoher Sanierungsaufwand zu erwarten, auch wenn ein Großteil der Haltungen durch kleinere Reparatur- oder Linermaßnahmen saniert werden können.
3.2 Grundlagen für die baulichen Sanierungsmaßnahmen im Kanalnetz
Grundlage für die Festlegung der geplanten baulichen Sanierungsmaßnahmen ist die abgeschlossene Zweitbefahrung des Kanalnetzes mit den daraus bis zur Aufstellung des vorliegenden Abwasserbeseitigungskonzeptes bekannten Ergebnissen. Berücksichtigt werden alle Haltungen mit den Zustandsklassen 0 sowie 1 und zudem die Haltungen der Zustandsklasse 2, die bis 2019 befahren wurden und über den Schadensbefund Exfiltration (Austreten von Abwasser in den umgebenen Boden) oder Infiltration (Einströmen von Grundwasser in das Kanalnetz) verfügen. Somit sind alle Haltungen der Zweitbefahrung enthalten, die bis zum Ende des Geltungszeitraums des vorliegenden Abwasserbeseitigungskonzeptes auf Sanierungserfordernisse geprüft werden müssen.
Für die Überprüfung der hydraulischen Randbedingungen im Kanalnetz wird für jedes Kläranlageneinzugsgebiet jeweils ein Generalentwässerungsplan (GEP) aufgestellt. Nur so können wirksame und wirtschaftliche Maßnahmen identifiziert werden. Ebenso können mit den Generalentwässerungsplänen sämtliche Potenziale zur Kanalnetzsteuerung ausgeschöpft werden. Der GEP Bonn Beuel wurde im Zuge des letzten ABKs fertiggestellt. Sich daraus ergebene Maßnahmen haben Einzug in das ABK gefunden. Die GEPs Bad Godesberg und Bonn befinden sich in der Bearbeitung. In den kommenden Jahren werden die Ergebnisse vorgelegt und bei der Vorbereitung der Baumaßnahmen berücksichtigt (s.a. Kap. 3.4).
Neben diesen Grundlagen war in der Vergangenheit für die Zusammenstellung der Maßnahmen die angepasste Kanalsanierungsstrategie von Bedeutung. Dabei handelte es sich um ein Zusatzkonzept. Der Großteil der Haltungen wurden im sechsten ABK saniert. Einige Maßnahmen werden als ABK-Maßnahmen in das aktuelle Sanierungsprogramm übernommen und gemäß den vorliegenden Prioritäten bearbeitet.
Der Sanierungsbedarf der Pump- und Sonderbauwerke ermittelt sich aus dem Alter des Bauwerks, den Einsatzstunden der Pumpen sowie den Erkenntnissen aus den turnusmäßigen Kontrollen gemäß der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (SüwVO Abw). Zwischen 2008 und 2011 wurden insgesamt 29 Anlagen überprüft und Studien beauftragt, die den Sanierungsbedarf ermitteln sollten. Etwa 33 % davon werden bis Ende 2023 saniert sein. Eine weitere Studie, die im Jahr 2022 beauftragt wurde und 15 Pumpwerke beinhaltet, konnte inzwischen abgeschlossen werden. In Abhängigkeit der festgelegten Prioritäten werden die Sanierungsarbeiten in den kommenden 12 Jahren umgesetzt.
Neben der vollständigen Sanierung einzelner Anlagen sind auch die gestiegenen Anforderungen nach SüwVO Abw eine weitere Grundlage für bauliche Anpassungen an den Pump- und Sonderbauwerken. Insbesondere sind hiervon Erweiterungen der Mess- und Regelungstechnik betroffen, die in den vergangenen Jahren sukzessive durchgeführt wurden. Kleinstmaßnahmen, wie das Auswechseln von Schachtdeckeln oder der Einbau von Steigbügeln werden hier nicht gesondert aufgeführt.
3.3 Maßnahmen
3.3.1 Kanalbaumaßnahmen
Die Kanalbaumaßnahmen werden in einem Übersichtsplan zusammen mit den Kläranlagenstandorten für das gesamte Stadtgebiet dargestellt (Anlagen I, II und V). Aus den Grundlagen für die Sanierungsmaßnahmen ergibt sich ein Bedarf für insgesamt 1832 Haltungen. Die Zustandsklassen verteilen sich wie folgt:
- Zustandsklasse 0: 438 Haltungen
- Zustandsklasse 1: 1100 Haltungen
- Zustandsklasse 2: 294 Haltungen
(STAND 07.06.2023)
Der überwiegende Teil der Haltungen wird mit Reparaturverfahren saniert. Alle zu sanierenden Haltungen sind im Anhang I straßenweise gelistet. Die Priorisierung der Abarbeitung erfolgt auf Grundlage der Zustandsklassen und vorliegenden Rahmenbedingungen. Statisch relevante Schäden mit hohem Handlungsbedarf werden unmittelbar behoben.
In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass Maßnahmen aus verschiedensten Gründen (z.B. Veranstaltungen, verkehrliche Abhängigkeiten, Baumaßnahmen Dritter, etc.) verschoben oder vorgezogen werden mussten. Je weiter der Betrachtungszeitraum fortgeschritten ist, desto unschärfer werden die Angaben über den Beginn der Baumaßnahmen. Die Stadt Bonn hat dafür seit geraumer Zeit den sogenannten Masterplan eingeführt, in dem alle relevanten Baumaßnahmen im Stadtgebiet zusammengefasst sind. Der Plan wird jeweils zum Jahresende für das darauffolgende Jahr aufgestellt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. In Folge wird der Masterplan in monatlichen Fassungen fortgeschrieben. Im vorliegenden ABK werden die konkreten Maßnahmen daher nicht 6 Jahre im Voraus detailliert vorgeplant, sondern lediglich ein vorläufiger zeitlicher Ablauf der Sanierungsmaßnahmen (Anlage I) dargestellt. Die konkrete Festlegung der Maßnahmenabwicklung erfolgt dann jährlich und wird zum 31. März jeden Jahres der Bezirksregierung Köln für das Folgejahr angemeldet. Es wird jedoch jeweils mit zweijährigem Vorlauf eine Liste mit Maßnahmen (straßenweise) erarbeitet. Die Listen für die Jahre 2024 und 2025 sind in Anlage II enthalten. In diesen Listen sind auch Überhangmaßnahmen aus dem fünften ABK (2018-2023) inkl. ehemaliger Maßnahmen aus der angepassten Kanalsanierungsstrategie enthalten.
Im Vorfeld von Kanalbaumaßnahmen, die über den Umfang von punktuellen Reparaturen und Renovierungen hinausgehen, werden u.A. alle Versorgungsunternehmen, Telekommunikationsunternehmen und der Straßenbaulastträger informiert. Dabei wird das Ziel verfolgt die Zahl der Baustellen zu verringern und zu bündeln. Es erfolgt eine Prüfung der Straßenmarkierungen durch die Abteilung 66-VA.
3.3.2 Beispielmaßnahme aus dem Abwasserbeseitigungskonzept 2018-2023
Nachfolgend wird die Umsetzung einer Kanalsanierung am Beispiel des Hauptsammlers West beschrieben. Die Maßnahme ist in mehrerlei Hinsicht ein gutes Beispiel dafür, welche Anstrengungen im stark urbanisierten Raum unternommen werden müssen, um Kanalbaumaßnahmen durchführen zu können.
Hauptsammler West (ehemaliger Endenicher Bachkanal)
Bauabschnitt Richard-Wagner-Straße bis Endenicher Allee
Der ehemalige Endenicher Bachkanal in seiner Funktion als westlicher Hauptsammler stammt aus dem Jahr 1926. Er verläuft vom Ortsteil Endenich kommend Richtung Stadtzentrum über die Richard-Wagner-Straße, Händelstraße, entlang dem Baumschulwäldchen zur Bachstraße bis zur Herwarthstraße, wo im weiteren Verlauf die Trasse der Deutschen Bahn gedükert wird. Im Trockenwetterfall führt der Hauptsammler durchschnittlich 300 l/s ab, während die Abflussmenge, die einmal im Jahr auftritt, bei bis zu 3.400 l/s liegen kann.
Es handelt sich um ein Großprofil aus unbewehrtem Beton mit Innenabmessungen von Breite/Höhe von ca. 300/240 bis 290 cm. Der Querschnitt des Hauptsammlers ist gegliedert. Während der untere Teil die Geometrie eines Eiprofils mit einer Breite von ca. 1,50 m aufweist, ist die obere Querschnittshälfte als ovale Haube mit einer Breite von 3,0 m aufgesetzt.
Dieser Abschnitt des ehemaligen Endenicher Bachkanals ist aufgrund seines Alters und seiner Bauweise sanierungsbedürftig. Die Sanierung ist mittelfristig durch den Einzug von Kurzrohren aus GFK geplant, die jedoch einen deutlich kleineren Querschnitt aufweisen (Ei 1200/1800 mm), so dass für dessen Sanierung der Bau einer Ersatztrasse zur Ableitung der Abwassermengen erforderlich wurde.
Der Planungsprozess ergab eine neue, ca. 400 m lange Trasse über die Richard-Wagner-Straße, Lisztstraße, den Wittelsbacherring bis zur Einmündung in den Hauptsammler der Endenicher Straße, der weiter zur Herwarthstraße und zum Düker unter der DB-Trasse führt. Das Konzept der Abwasserhydraulik sieht vor, die Hauptabflüsse über die neue Kanaltrasse zu führen und bei Auslastung dieses Systems einen Abschlagkanal über ein Teilstück der Humboldtstraße zur Händelstraße und dort wieder in den ehemaligen Endenicher Bachkanal zu leiten.
Die hydraulischen Berechnungen ergaben für die neu zu errichtenden Kanäle Querschnitte von DN 1600 bis DN 2000 und Ei 1200/1800. Für den Abschlagkanal waren Querschnitte von DN 1000 und Ei 800/1200 notwendig.
In den Hauptverkehrsstraßen Endenicher Straße und Wittelsbacherring konnte der geplante Kanal Ei 1200/1800 und DN 1600 aus glasfaserverstärktem Kunststoff wegen der Aufrechterhaltung des Verkehrs nur in geschlossener Bauweise ausgeführt werden. Ebenfalls war in der Lisztstraße und dem Teilstück der Haydnstraße eine geschlossene Ausführung notwendig, dies jedoch wegen der beengten Straßenverhältnisse und zur Aufrechterhaltung des Anliegerverkehrs. Insgesamt war es notwendig ca. 220 m bergmännischen Stollen mit Abmessungen von ca. B/H ca. 2,0 / 2,2 m herzustellen. Es kam ein bergmännischer Stollen mit Ausbau- bzw. Tragbögen aus Stahl-Gitterträgern und einem Verbau aus Stahlblechen, welche vorauseilend in den Boden eingeschlagen wurden, zur Ausführung.
Die Stollen wurden über fünf runde und ovale Baugruben aus Spritzbeton, die eine Tiefe von 5,0 bis 6,5 m aufwiesen, vorgetrieben. In der Lisztstraße wurde der bestehende Sammler DN 400 aus Beton im Zuge des Stollenbaus abgebrochen. Die Kanalanschlüsse wurden mit einer bauzeitlichen Verrohrung übernommen und beim Einzug der GFK-Rohre sukzessive an den neuen Kanal übernommen.
Die Baugruben befinden sich an den Knickpunkten der neuen Trasse, in denen nach dem Einzug der Rohre die Schachtbauwerke gesetzt wurden. Nach dem Einbau von Rohren und Schächten wurde der Ringraum mit selbstverdichtender zementgebundener Suspension verfüllt.
In der Richard-Wagner-Straße kamen auf einer Länge von 150 m Stahlbetonrohre DN 2000 mit Fuß zur Ausführung. Vor der Kanalverlegung mussten Wasser- und Gasleitungen, die sich im Bereich der Kanaltrasse befanden, von den Stadtwerken Bonn an den Straßenrand umgelegt werden. Auch in der Richard-Wagner-Straße wurde der bestehenden Straßenkanal Ei 300/450 B im Zuge des Kanalbaus abgebrochen und die dort befindlichen Hausanschlüsse sukzessive an den neuen Sammler übernommen.
Als Verbau kamen Kanaldielen zur Ausführung, die ca. 1,0 m unter die Kanalsohle in den Untergrund aus bindigen Böden, mittels erschütterungsarmer Vibration, eingespannt wurden. Wegen des zum Teil weichen Untergrundes war zur tragfähigen Auflagerung der Kanalrohre eine Untergrundverbesserung mit einer Stärke von 30 cm erforderlich.
Beim ca. 30 m langen Abschlagkanal DN 1000 aus glasfaserverstärktem Kunststoff von der Richard-Wagner-Straße bis zur Humboldtstraße war ein 110-KV-Starkstromkabel zu unterqueren. An der Abschlagstelle der Richard-Wagner-Straße wurde ein Schachtbauwerk aus Stahlbeton mit Innenabmessungen von ca. L/B= 5,0/3,0m mit gemauerter Kanalsohle und Sohlrutsche realisiert.
Der weitere Verlauf des Abschlagkanals führte über die Humboldtstraße, wo auf einer Länge von ca. 105 m ein Eiprofil 800/1200 zur Ausführung gelangte. Auch in der Humboldtstraße mussten vor der Verlegung des neuen Kanals Wasser- und Gasleitungen von den Stadtwerken Bonn an den Straßenrand umgelegt werden. Analog dem Vorgehen in der Richard-Wagner-Straße wurde der in der Kanaltrasse befindliche Altkanal DN 350 B aufgenommen und die Hausanschlüsse an den neuen Kanal übernommen.
Die letzten Bauabschnitte bestanden zum einen aus der Umbindung des bestehenden Hauptsammlers (Sonderprofil 1800/2000 B) auf den neuen Hauptsammler (DN 2000 aus Stahlbeton) sowie der Einbindung des Abschlagkanals (Ei 800/1200) in den ehemaligen Endenicher Bachkanal (Sonderprofil (B/H= 3,0 / 2,9 m).
Auf Höhe der Umbindung knickt der bestehende Hauptsammler Richtung Händelstraße ab. Für diese war die Errichtung einer Baugrube von L/B ca. 15/4,5 m erforderlich, die ebenfalls mit eingespannten Kanaldielen ausgeführt wurde. Nach dem Freilegen der Baugrube und des Altbestandes wurde der bestehenden Hauptsammler am Verbindungsschacht mittels Seilsäge geschnitten. Für die Überleitung des Trockenwetterabflusses von ca. 300 l/s wurde ein Kunststoffrohr DN 600 in der Sohle eingesetzt und verankert. Am Übergang vom bestehenden auf den neuen Kanal wurde ein Stülpschacht als Stahlbetonfertigteil gesetzt, dessen Sohle und Rohreinbindungen vor Ort betoniert wurden.
Nach der Umbindung konnte die Einbindung des Abschlagkanals in den ehemaligen Endenicher Bachkanal in Angriff genommen werden. Als letzte Schwierigkeit gestaltete sich das Freilegen der 110-KV-Starkstromtrasse, die den Altkanal im Scheitel kreuzte, da dessen Erdüberdeckung lediglich ca. 50 cm beträgt. Da die Starkstromkabel in einem unter 15 bar Überdruck befindlichen Stahlrohr mit Stickstofffüllung liegen, war beim Freilegen äußerste Umsichtigkeit geboten.
Im letzten Schritt konnte ein etwa 105 m Abschnitt des Altkanals außer Betrieb genommen werden. Der Hohlraum von immerhin 540 m3 wurde lagenweise mit einer selbstverdichtenden, zementgebundenen Suspension verfüllt.
In den Bauabschnitten, die offen ausgeführt wurden, erhielten die Straßen auf der gesamten Breite einen neuen Belag. Die Bordanlagen wurden aus Natursteinen erneuert.
Die Gesamtmaßnahme konnte nach Baubeginn im Januar 2020 und 28 Monaten Bauzeit Anfang Mai 2022 abnahmereif vollendet werden. Die Baukosten betragen ca. 4,8 Mio. Euro.
Für die Sanierung des ca. 570 m langen Hauptsammlers zwischen Händel- und Herwarthstraße sind in den nächsten Jahren weitere Baukosten in Höhe von 2,4 Mio. Euro veranschlagt.
3.4 Kanalnetzbemessung
Die Bemessung von Kanalnetzen muss gemäß dem technischen Regelwerk in regelmäßigen Zeitabständen überprüft werden. Um dem Klimawandel und der daraus resultierenden Unsicherheit bei den Bemessungsansätzen Rechnung zu tragen, wird bei Neubau- und Sanierungsmaßnahmen darüber hinaus angestrebt, die allgemeine Überstausicherheit auf n = 0,2 (fünfjährlich) anzuheben. Zunehmend wird auch der Überflutungsschutz betrachtet, der gewährleistet, dass es bei stärkeren Regen nicht zu Überflutungsschäden an Bebauung und anderer Infrastruktur kommt. Auf Grundlage dessen werden deutlich höhere Jährlichkeiten zugrunde gelegt (z.B. 100-jährliche Überflutungsfreiheit in befahrenen Unterführungen).
Die Überprüfung der Bemessung erfolgt im Rahmen von Generalentwässerungsplänen (GEP). Dabei werden die Kanalnetzmodelle aktualisiert und mit aufwändig erhobenen Messdaten abgeglichen. Aus den anschließenden Simulationen ergibt sich der hydraulische Sanierungsbedarf (z.B. erforderliche Vergrößerung der Kanalnetzdurchmesser). Nach Fertigstellung der Generalentwässerungspläne werden diese Maßnahmen priorisiert in das Abwasserbeseitigungskonzept übernommen. Die Ergebnisse der Generalentwässerungspläne sind auch Grundlage der Aktualisierung der Anzeigen und Genehmigungen nach § 57 LWG.
Der GEP für das Einzugsgebiet der Kläranlage Bonn-Beuel wurde im vergangenen ABK fertiggestellt. In den nächsten Jahren werden die Generalentwässerungspläne für die Kläranlageneinzugsgebiete der KA Godesberg und der KA Salierweg aufgestellt.
Neben der Auslegung des Kanalnetzes auf vorgegebene Überstauhäufigkeiten bedarf es eines Überflutungsschutzes für seltenere Regenereignisse, bei denen es zu Überstau aus dem Kanal kommen darf. Dieser Überflutungsschutz ist eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe und erfordert einen Beitrag von Kommunen und Bürgern. Als Informationsgrundlage für eine flächendeckende Ersteinschätzung der Überflutungsgefahren hat das Tiefbauamt für das gesamte Stadtgebiet Starkregen-Gefahrenkarten veröffentlicht, die Wassertiefen für seltene Regen mit statistischen Wiederkehrzeiten von 50, 100 und mehr Jahren darstellen. Die Karten sind zusammen mit weiterführenden Informationen zum Überflutungsschutz einsehbar unter www.bonn.de/starkregen.
3.5. Zustand der Pumpwerke
Die Stadt Bonn betreibt insgesamt 90 Pumpwerke unterschiedlicher Größenordnungen und Weiterleitungsmengen und Relevanz für das Kanalnetz im Stadtgebiet.
Die Pumpwerke werden bei entsprechenden längeren Laufzeiten mit Studien auf ihren Zustand bzgl. Bautechnik, Maschinentechnik, EMSR-Technik, Haustechnik und Arbeitsschutz geprüft oder betriebsbedingt in das Sanierungsprogramm aufgenommen.
Ebenso werden festgestellte und dringliche Sanierungen in die Abarbeitung aufgenommen.
In jährlichen Maßnahmenlisten für Kläranlagen und Sonderbauwerke werden die Pumpwerke die saniert werden oder die zur Sanierung anstehen aufgeführt. Die Maßnahmenlisten werden jährlich fortgeschrieben.
In der folgenden Tabelle sind die Pumpwerke, die im Zeitraum des ABK 2018 saniert wurden bzw. sich in Planung oder Ausführung befinden und die zur Sanierung vorgesehenen Pumpwerke im Zeitraum ABK 2024ff aufgeführt.
Sanierungsstand der Pumpwerke
Pumpwerk |
Sanierung ist/ wird ausgeführt bis ABK 2018ff Stand 12/22 |
Sanierung im ABK 2024ff |
P001 Austraße | In Plg. LP5 | X |
P002 Godesberger Bach | X | |
P009 Herwarthstraße | X | |
P010 Maximilianstraße | X | |
P011 Maxstraße | X | |
P013 Im Eichholz | X | |
P014 Am Sonnenhang | X | |
P023 Friedrich-Breuer-Str. | X im Bau | |
P033 Königstraße | In Plg. LP5 | X |
P034 Weberstraße | In Plg. LP5 | X |
P035 Brüdergasse | In Plg. LP5 | X |
P040 Rheinaustraße | In Plg. LP5 | X |
P050 Brüser Damm | In Plg. LP5 | X |
PW 019 Buschdorf | X | |
PW 025 Grenzweg | X | |
PW 027 Kaninsberg | X | |
PW 008 Poppelsdorfer Allee/ Südinterführung | X | |
PW 064 Godesberger Stadthalle | X im Bau | |
PW 057 Gut Marienforst | X | |
PW 004 Haus Karstanjen | In Plg. LP3 | X |
PW 114 Fahrenheitstraße | X |
3.6 Fremdwasser
Eine grundsätzliche Fremdwasserproblematik besteht im Bonner Kanalnetz nicht. Vereinzelt fallen private Einleitungen auf, an die auch Grundwasserdrainagen angeschlossen sind. Die jeweiligen Eigentümer werden in diesen Fällen aufgefordert, die Grundwassereinleitungen zu unterbinden. Derzeit sind zwei Fremdwassereinleitungen von Quellwasser bekannt, die aufgrund der benannten Gründe nicht außer Betrieb genommen werden können.
3.6.1 Kreuzberghang
Die vorliegende Planung (s.a. ABK 2012 – 2017) konnte bisher nicht umgesetzt werden, da der erforderliche Grunderwerb noch nicht realisiert werden konnte.
3.6.2 Robelquelle
Die Quelle schüttet nur temporär Wasser in sehr geringen Mengen. Es wurde untersucht, wie die Quelle an den ca. 400 m entfernten Dichbach angeschlossen werden kann. Der Bau einer Freigefälleleitung ist nicht wirtschaftlich umsetzbar. Die Quelle ist an ein historisches Löschwasserbecken angeschlossen. Dieses nimmt das Quellwasser bei Bedarf auf und kann mit Saugfahrzeugen leergepumpt werden.
3.7 Private Anschlusssammelleitungen
Die regelkonforme Herstellung und Unterhaltung von Hausanschlüssen und privaten Anschlusssammelleitungen obliegt vollständig den Grundstückseigentümern (s.a. Entwässerungssatzung). In Streitfällen kann die Stadt Bonn moderierend hinzugezogen werden, falls mehrere Eigentümer einer Leitung über die zu ergreifenden Sanierungs- oder Unterhaltungsmaßnahmen keine Einigkeit herbeiführen können. Diese Aufgabe wurde mit Verabschiedung des Landeswassergesetzes im Jahre 2016 eingeführt. In der Praxis sind Streitfälle zwischen mehreren Eigentümern in Bonn extrem selten.
4. Niederschlagswasserbeseitigungskonzept
Bestehend aus den Ziffern 4.1 bis 4.7.
4.1 Einleitungen aus der öffentlichen Kanalisation
Der überwiegende Teil des Bonner Stadtgebietes wird über Mischwasserkanäle entwässert. Derzeit bestehen 82 Einleitungen aus dem öffentlichen Kanalnetz in die Gewässer bzw. das Grundwasser. Aus dem Mischwassernetz wird an 37 Stellen in den Rhein und an 34 Stellen in die städtischen Gewässer entlastet. Aus den Regenwasserkanälen sind 5 Einleitungen in die städtischen Gewässer (zwei davon verrohrt) vorhanden. An drei Stellen sind Versickerungsanlagen vorhanden.
4.2 Maßnahmen an den Einleitungsstellen aus der öffentlichen Kanalisation
Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) sind auch Anforderungen an die Einleitungen aus der öffentlichen Kanalisation in die Fließgewässer verschärft worden. Hierzu wurde im Jahr 2001 vom Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) das Merkblatt 3 (M3) mit dem Titel “Ableitung von immissionsorientierten Anforderungen an Misch- und Niederschlagswassereinleitungen unter Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse“ entwickelt und mit Herausgabe des Merkblattes 7 (M7) nochmals deutlich erweitert. Im Jahr 2021 wurden diese Merkblätter überarbeitet und zusammen mit der emissionsseitigen Beurteilung von Einleitungen in eine DWA/BWK-Arbeitsblattreihe (A 102) überführt.
In den vergangenen Jahren ist die Beurteilung der Einleitungen auf Basis der BWK-Merkblätter M3/M7 erfolgt. Das Nachweisverfahren gliedert sich in einen hydrologisch/hydraulischen und einen stofflichen Teil. Dabei werden die Vorbelastungen des Gewässers aus weiteren Einleitungen innerhalb eines definierten geschlossenen Siedlungsgebietes ebenfalls beurteilt. Ziel des Nachweises ist es, im Gewässer für die Organismen und Lebewesen verträgliche Lebensbedingungen zu schaffen im Hinblick auf
- den hydraulischen Stress durch punktuelle Einleitungen und
- die stoffliche Belastung (Sauerstoffzehrung und Ammoniak).
Dabei werden die jeweils maßgebenden Abflüsse in Kanal und Gewässer überlagert und der Zustand im Gewässer anhand der Grenzwerte beurteilt. Der Nachweis kann mit Standardparametern vereinfacht durchgeführt oder unter Anwendung von Modellen (Niederschlag-Abfluss-Modelle, Gewässergütemodelle) in detaillierter Form geführt werden.
Der Nachweis bildet die Grundlage für die Auslegung von eventuell erforderlichen Maßnahmen an den Einleitungsstellen. Dies können z.B. Regenrückhaltebecken zur Reduktion des hydraulischen Stresses oder beispielsweise Bodenfilter zur Reduktion der stofflichen Belastungen sein.
Der Nachweis über die Gewässerverträglichkeit von Einleitungen ist bei den Erlaubnissen, die von der Bezirksregierung Köln erteilt werden, obligatorisch. In der Anlage VI sind die Einleitstellen an den städtischen Gewässern (außer Rhein), für die die Bezirksregierung Köln zuständig ist, aufgelistet und der Stand der Nachweisführung dargestellt. Dabei wurden teilweise Einleitstellen von Dritten auch zur Beurteilung städtischer Einleitungen mit einbezogen. Für den Wittgesbach und Venusbergbach sowie am Annaberger Bach sind derzeit keine Nachweise nach BWK-M3 / -M7 erforderlich, da die Einleitungsabflüsse in die verrohrten Abschnitte geleitet werden, die wiederum direkt in den Rhein münden.
Zunächst wurden für alle Einleitstellen vereinfachte Nachweise geführt. An einigen Stellen war in der Folge ein detaillierter Nachweis erforderlich. Diese wurden geführt für den Rheindorfer Bach (inkl. Zuflüssen, s. ABK 2018-2023), den Godesberger Bach und die Beueler Gewässer Vilicher Bach und Ankerbach. Zwei Maßnahmen wurden bereits im ABK 2018-2023 bearbeitet. Der Rückhalteraum am Holtorfer Bach befindet sich aktuell im Bau. Zusätzlich wurde das bisher in den Katzenlochbach einleitende Regenüberlaufbecken (RÜB 003) zu einem Regenrückhaltebecken (RRB 003) mit Notüberlauf umgebaut. Alle Nachweise und Einleitungsstellen, die in den Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Köln fallen, können der Liste Anlage VI entnommen werden.
Bei zukünftigen Nachweisen ist die Anwendung des kürzlich erschienene DWA A 102 Teil 3 geplant.
4.3 Niederschlagswasserableitung in Neubaugebieten
Grundsätzlich werden schon bei der Aufstellung der Bebauungspläne hydrogeologische Gutachten beauftragt, um die Möglichkeiten der ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung auszuschöpfen. Die Boden- und Grundwasserverhältnisse in Bonn bzw. die Lage der Gebiete lassen es jedoch nicht in allen Fällen zu, dass das anfallende Niederschlagswasser ins Grundwasser oder in einen ortsnahen Vorfluter eingeleitet werden kann. Nachfolgend sind die Gebiete aufgelistet, für die in naher Zukunft die Umsetzung zu erwarten ist.
Gebiete mit ortsnaher Niederschlagswasserbeseitigung:
- B-Plan 6122-1 Grootestraße (schwach belastetes Niederschlagswasser, Kategorie II)
- B-Plan 6224-3 Rosenfeld (schwach belastetes Niederschlagswasser, Kategorie II)
- B-Plan 6820-2 R(h)einwohnen (schwach belastetes Niederschlagswasser, Kategorie II)
Gebiete mit Niederschlagswasserbeseitigung über die MW-Kanalisation:
- B-Plan 6220-1 Schamotte Fabrik
- B-Plan 6222-2 Justus-von-Liebig-Straße
- B-Plan 6323-1 Schneidemühler Straße
- B-Plan 6422-2 Innovationsdreieck
- B-Plan 6522-3 Kaiser-Karl-Ring
- B-Plan 6718-2 In der Raste/urban dot
- B-Plan 6719-5 Christian-Miesen-Straße
- B-Plan 6719-9 Ollenhauer Straße 4
- B-Plan 6823-1 Siegburger Straße
- B-Plan 6920-1 Rastenweg
- B-Plan 7114-1 Mainzer Straße 100
- B-Plan 7724-6 Arminiusstraße
- B-Plan 6822-1 Pützchens Chaussee
- B-Plan 6423-1 Feuerwache
- B-Plan 6224-4 Buschdorfer Straße
- B-Plan 6322-4 Am Propsthof
Gebiete in früher Planungsphase, Niederschlagswasserbeseitigung noch nicht geklärt
- B-Plan 6923-1 Wilhelm-Flohe-Straße
- B-Plan 6325-1 Kölnstraße
- B-Plan 6222-3 alte Stadtgärtnerei
4.4 Maßnahmen zur Erreichung des guten Zustandes der Gewässer
Die Maßnahmenplanung erfolgt auf Basis der Umsetzungsfahrpläne nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL). Derzeit sind folgende Projekte in Planung und Umsetzung:
- Hochwasserschutz Rheinufer und die damit verbundene Verlegung des Rheindorfer Bachs
- Umgestaltung Mehlemer Bach von der Mainzer Straße bis Mündung in den Rhein
- Umgestaltung Rheindorfer Bach zwischen A 565 (km 1,6) und Dorotheenstraße (km 2,8),
- Umgestaltung HRB Katzenlochbach und HRB Wittgesbach.
- Offenlegung und Sanierung der Verrohrung am Engelsbach
Neben diesen schwerpunktmäßig auf die Gewässermorphologie ausgerichteten Maßnahmen sind in den Bewirtschaftungsplänen Maßnahmen an Einleitungsstellen aus der öffentlichen Mischwasserkanalisation für die Bonner Bäche vorgesehen. Für die Einleitungen aus der öffentlichen Kanalisation wurden im Rahmen der vorliegenden Nachweise nach BWK-M3 an den untersuchten Bächen keine Maßnahmen abgeleitet. Zur Erreichung der Zielvorgaben sind jedoch an den Wasserkörpern Hardt- und Katzenlochbach Maßnahmen an Einleitungen Dritter erforderlich.
4.5 Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden bei Starkregen
In den vergangenen Jahren kam es zu zahlreichen Starkregenereignissen, die zum Teil erhebliche Schäden an vorhandener Bebauung und Infrastruktur verursachten. Die Schäden traten ausschließlich bei Regenereignissen auf, die als Naturkatastrophen/höhere Gewalt einzustufen sind. In der Regel beschränken sich diese in der räumlichen Ausdehnung auf kleinere Teilbereiche im Stadtgebiet. In den Jahren 2010, 2013, 2016, 2020 und 2021 kam es jedoch gehäuft in den Sommermonaten zu statistisch sehr seltenen Regenereignissen, die im gesamten Stadtgebiet mehrere tausend Haushalte betrafen und zum Teil erhebliche Schäden auf den Grundstücken, an Gebäuden und Infrastruktur verursachten.
Die Prognosen zum Klimawandel und die reale Häufung der Schadensereignisse in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass verschiedene Wege zur Vermeidung von Schäden beschritten wurden (Auflistung nicht nach Priorität geordnet):
- Auswertung von Schadensereignissen nach Starkregen mit Oberflächenmodellen und Umsetzung von effektiven Maßnahmen an der öffentlichen Infrastruktur
- Intensive und wiederholte Bürgerinformationen zum Objektschutz in Form von Informationskampagnen in allen zur Verfügung stehenden Medien bis hin zu Veranstaltungen mit praktischen Hinweisen
- Erstellung von Starkregengefahrenkarten für das gesamte Bonner Stadtgebiet
- Implementierung des Themas in der Erarbeitung von Bebauungsplänen
- Flächendeckende Abschätzung von potenziellen Gefährdungen im Zuge der Erarbeitung der Generalentwässerungspläne
- Umsetzung der Maßnahmen aus den Hochwasserrisikomanagementplänen
- Zahlreiche bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz, von der Errichtung von Grobrechen an Bächen über die Umgestaltung von Einlaufgittern zur Verringerung des Risikos von Verklausungen bis zu Großprojekten wie dem Bau des Entlastungskanals für den Mehlemer Bach oder des Abschlagbauwerks in den Bonner Randkanal am Dransdorfer Bach
- Untersuchungen zu Not-Wasserwegen bei Starkregenereignissen und gezielte Einleitung in geeignete Flächen im Zuge eines viel beachteten Pilotprojekts (s. 4.6.1).
Nachfolgend werden die verschiedenen Ansätze mit einigen Beispielen dargestellt.
4.5.1 Starkregennachsorge und –vorsorge durch Umsetzung effektiver Maßnahmen auf öffentlichen Flächen
Bei dem Regenereignis am 20.06.2013 kam es auch im Neubaugebiet „Am Sonnenberg“ zu Überflutungen privater Grundstücke und Wohnhäuser, die teilweise erhebliche Schäden verursachten. Nach Beobachtung der Anwohnenden floss das Wasser an einigen Straßenabläufen nicht optimal ab. Infolgedessen drang das Niederschlagswasser über Lichtschächte, Kellerfenster und Türen in die Wohnhäuser.
Auch auf dem im Wohngebiet befindlichen Spielplatz am topografisch tiefsten Punkt sammelte sich das nicht kontrolliert fließende Regenwasser.
In einem durch das Land NRW geförderten Pilotprojekt wurde untersucht, wie die Situation verbessert werden kann. Der Bestand wurde durch eine 3D-Nachbildung der Geländeoberfläche erfasst und das Regenereignis sowie die daraus folgende Überflutung simuliert. Auch wurden die Erfahrungen der Anlieger berücksichtigt. In Folge wurden drei Varianten zur Verbesserung der Situation mit Hilfe des Rechenmodells untersucht. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Spielplatzfläche zur schadlosen Ableitung bzw. Zwischenspeicherung zielgerichtet genutzt werden kann, da sich das Niederschlagswasser in einem Starkregenfall dort ohnehin sammeln würde. Folgende Vorsichtsmaßnahmen werden ergriffen:
- Information der Anwohnenden
- Absperren des Spielplatzes nach einem Einstau
- Rückführung des Wassers in den Kanal im Falle längerer Standzeiten
- Unterstützung der mikrobiellen Regeneration nach einem Einstau durch Mähen und Abtrag der obersten Schicht Spielsand
- Untersuchen des Spielplatzes auf hygienische Belastungen nach den ersten drei Einstauereignissen
Im Ergebnis kann mit überschaubaren Maßnahmen an der öffentlichen Infrastruktur zur Gefälleanpassung und Lenkung des unkontrolliert oberflächig abfließenden Wassers im Straßenbereich durch Bordsteine und Straßenabläufe eine deutliche Verbesserung des Starkregenschutzes im Wohngebiet erreicht werden. Die privaten Grundstücke und Gebäude sind nicht mehr in den Ausmaßen gefährdet (farbliche Markierung in Abbildung s.O.). Allerdings ist damit kein vollkommener Schutz vor Überflutung gegeben oder möglich. Es verbleibt ein Restrisiko, welches mit privaten Maßnahmen zum Objektschutz weiter reduziert werden kann.
4.5.2 Informationen für Bürger*innen zur Eigenvorsorge und Objektschutz
Im Rahmen der Informationsvorsorge zur Eigenvorsorge für Betroffene betreibt die Verwaltung eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zu den Themen Starkregen und Hochwasser und stellt entsprechende Informationen bereit. So können sich alle Bürger*innen jederzeit über mögliche Überflutungsgefahren informieren und selbst entsprechende Vorkehrungen im privaten Bereich treffen.
Informationen zu den städtischen Tätigkeiten zum Schutz vor Starkregen und Hochwasser, sowie zur Information der Bevölkerung zur eigenen Hochwasser-/Starkregengefährdung im Stadtgebiet, zur baulichen Eigenvorsorge und Versicherungsmöglichkeiten werden im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Zudem wurden die grundsätzlichen Zusammenhänge in verschiedenen Flyern bzw. Broschüren zusammengefasst, die bei Bürgerberatungen und Informationsveranstaltungen ausgegeben werden.
Auch hat das Tiefbauamt zusammen mit dem Hochwasser Kompetenz Zentrum e.V. (HKC) in Köln eine Kampagne „Bonn unterstützt“ erarbeitet, in der sich die Bürger*innen selbst zum eigenen Hochwasserrisiko am Wohnort, zum baulichen HW-Schutz und Versicherungsmöglichkeiten sowie weiterführenden Informationen rund um die Themen Hochwasser und Starkregen informieren können. Diese Informationen sind unter https://www.bonn.de/starkregen und https://bonn-unter.de/ (Öffnet in einem neuen Tab) abrufbar.
Neben diesen Aktivitäten werden regelmäßig vor der Starkregensaison und zu besonderen Anlässen Informationen über die regionale Presse weitergegeben.
4.5.3 Implementierung des Themas im Zuge der Erarbeitung von Bebauungsplänen
In den letzten Jahren wurde die Berücksichtigung von Starkregen in der Bauleitplanung kontinuierlich konkretisiert und der Stellenwert der Thematik aufgrund der vorgefallenen Ereignisse fokussiert. Da es sich hierbei um eine ämterübergreifende Aufgabenstellung handelt, wurde auch der Prozessablauf ämterübergreifend entwickelt, der das Thema Starkregengefährdung in einem mehrstufigen Workflow behandelt. Derartige Planungsveränderungen stehen im Zielkonflikt mit den Wünschen von Erschließungsträgern, wie zum Beispiel kurzfristige Umsetzung und wirtschaftliche Aspekte. Insofern war und ist intensive Überzeugungsarbeit zu leisten, diese Seiten der Klimaanpassung zu berücksichtigen.
Das mehrstufige Verfahren sieht bereits bei der Projektidee eine erste grobe Gefährdungsabschätzung auf Basis der Starkregengefahrenkarten vor. Gefolgt von einer topographischen Gefährdungsanalyse noch vor fester Einteilung der Flächen innerhalb des Bebauungsplangebietes. So lassen sich mögliche Gefährdungslagen bereits frühzeitig erkennen und es kann vermieden werden, dort beispielsweise Baufelder zu platzieren. Diese Ergebnisse können in den städtebaulichen Entwurf einfließen.
Mit fortschreitender Planungstiefe erfolgt eine erweiterte Starkregenbetrachtung mittels gekoppelter Simulation nach Vorgaben des Tiefbauamtes. Durch Modellierungen muss so der Schutz vor Überflutungen innerhalb und außerhalb der B-Plan-Gebiete für ein 100-jährliches Ereignis nachgewiesen werden.
Diese Prozessabläufe (Anlage IX und X) finden seit Anfang 2020 Anwendung in Bebauungsplanverfahren (analoges Vorgehen auch bei Bauvorhaben nach §34 und §35 BauGB).
Im Folgenden sind einige Bebauungspläne beispielhaft gelistet, bei denen die Berücksichtigung von Starkregen Einfluss genommen hat:
- B-Plan 6718-2 In der Raste (Aufstellung / Einleitung): topographische Gefährdungsanalyse zeigt problematische Fließwege
- B-Plan 6122-1 Groote Straße/Lenaustraße (Aufstellung / Einleitung): Anpassung Platzierung Baufelder/Grünfläche (topographische Gefährdungsanalyse)
- B-Plan 7222-101 Landwirtschaftskammer Roleber (Aufstellung / Einleitung): Gefährdungsanalyse nach Standard zur Berücksichtigung für den städtebaulichen Entwurf
- B-Plan 8024-20 Gewerbepark Pützchen-Bechlinghoven (10/2015 Offenlage): Annähernd nach Standard, Anpassung Planung erfolgt: Vergrößerung der Versickerungsbecken
- B-Plan 8124-24 Wohnpark II (08/2020 Offenlage): Volumenbilanzierung, Anpassung Planung erfolgt: Drei große Versickerungsbecken zusätzlich zu ursprünglich Mulden-Rigolen-System in multifunktional genutzter öffentlicher Grünfläche
- B-Plan 6724-1 Am Ledenhof (Rechtskraft Erstaufstellung 06/2017): Annähernd nach Standard, Maßnahmen in Umsetzung: Ausbau und Erhöhung einer Schwelle im Zufahrtsbereich zur Abgrenzung der Einzugsgebiete Bestand und Neubau
- B-Plan 6322-1 West-Side (Rechtskraft Erstaufstellung 05/2017): Retentionsvolumen Becken (erweiterte Starkregenbetrachtung)
- B-Plan 7419-25 Gallwitz-Kaserne (Rechtskraft Erstaufstellung 09/2017): Mulden zur Retention (erweiterte Starkregenbetrachtung)
- B-Plan 8322-17 Niederholtorf-Süd (12/2017 Rechtskraft Änderung): Standard, Maßnahmen umgesetzt: Wegfall Baugrundstück zugunsten Rückhaltebecken auch für Ereignisse kleiner 100a, Erhöhung Fuß- und Radweg zum Schutz privater Flächen durch Überflutung von öffentlichen Grünflächen
- B-Plan 6322-2 Vogelsang (Rechtskraft Erstaufstellung 05/2020): Mulden zur Retention (erweiterte Starkregenbetrachtung)
Mit der Anwendung des Prozessablaufes in der Bauleitplanung werden bei einigen Maßnahmen neue Erkenntnisse gewonnen, die bei Bedarf in das Standardvorgehen mit einfließen und der Prozess entsprechend angepasst werden kann.
4.5.4 Umsetzung der Maßnahmen aus den Hochwasserrisikomanagementplänen
In den Runden Tischen der Bezirksregierung Köln wurden verschiedene Maßnahmen zum baulichen Hochwasserschutz für die Stadt Bonn erarbeitet.
Hierzu gehört die Verlegung des Rheindorfer Baches in den Altrheinarm zum Hochwasserschutz der Ortslage Graurheindorf. Diese Maßnahme befindet sich momentan in der Genehmigungsphase und soll nach Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses umgesetzt werden.
Zudem wird der Abschnitt des Mehlemer Baches von der Domhofstraße bis zum Rhein als letzter Bauabschnitt des Hochwasserschutzes am Mehlemer Bach umgesetzt.
Außerdem wird eine Planung zum Umbau des Hochwasserrückhaltebeckens am Katzenlochbach begonnen.
4.6 Entwässerung im Trennverfahren
Mit dem Runderlass “Anforderungen an die Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren“ von Mai 2004 (Trennerlass) hat das damalige MUNLV die aktuellen Anforderungen an Einleitungen aus Trennsystemen in Gewässer formuliert. Im Rahmen der Aufstellung des vorliegenden Abwasserbeseitigungskonzeptes wurden die vorhandenen Einleitungsstellen von Oberflächenwasser in die städtischen Fließgewässer (ohne Rhein) nachfolgend aufgelistet.
Tabelle: Öffentliche Einleitungsstellen von Oberflächenwasser in die städtischen Gewässer
Nr. | Name der Einleitung | Gewässer | Hinweise |
1 | An der Knappenmühle | Hardtbach | Rückhaltung vorhanden |
2 | Im Brandengarten | Lengsdorfer Bach | Absetz-/Abscheidevorrichtung vorhanden |
3 | Radweg | Götgesbach | |
4 | Godesberg-Nord E 047 | Annaberger Bach (verrohrt) | |
5 | B9n | Wittgesbach (verrohrt) | Notüberlauf RRB 098 (verschlossen) |
6 | Hermann-Wandersleb-Ring | Dransdorfer Bach (verrohrt) |
In der Tabelle sind Kleineinleitungen von Wohnparzellen sowie Kleinsteinleitungen von Gewerbe- und Sportflächen nicht enthalten. Bezogen auf das Kanalnetz der Stadt Bonn ist der Anteil der Flächen, die im Trennverfahren entwässert werden sehr gering (ca. 0,4 %). Bei den städtischen Flächen handelt es sich in der Regel um Flächen, die der Kategorie I nach Trennerlass zuzuordnen sind und damit keiner Behandlung bedürfen. Die in der obigen Tabelle genannten Einleitungen Nr. 4, 5 und Nr. 6 leiten in die verrohrten Unterläufe der städtischen Gewässer ein. Bis zum Rhein sind jeweils keine offenen Gerinneabschnitte vorhanden.
Eine Einstufung der restlichen Einleitungsstellen ist von den jeweiligen Betreibern vorzunehmen. Inwieweit Maßnahmen erforderlich sind, ist danach zu klären.
4.7 Anwendung des Schwammstadtkonzeptes
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ABKs befindet sich das Schwammstadtkonzept in der Ausarbeitung und Federführung des Amtes 67 – Amt für Umwelt und Stadtgrün. Das Konzept wird Potenziale zur ortsnahen Versickerung von Niederschlägen bieten. Im Zuge von Kanalsierungen in offener Bauweise werden die Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen des Schwammstadtkonzeptes geprüft und ggf. zur Umsetzung vorbereitet.
Nach Veröffentlichung des Schwammstadtkonzeptes wird es jährlich eine Fortschreibung des NBKs in Hinblick auf die Maßnahmen des Schwammstadtkonzeptes geben. Dazu erfolgt im Vorfeld eine Abstimmung zwischen dem Tiefbauamt und dem Amt für Umwelt und Stadtgrün.
Bei Kanalerneuerungen im offenen Verfahren wird zukünftig auf Grundlage des Schwammstadtkonzeptes geprüft, ob an den Mischwasserkanal angeschlossene Flächenentwässerungen entkoppelt werden können, um diese ortsnahe zu versickern.
5. Abwasserbehandlung
Bestehend aus den Ziffern 5.1 bis 5.3.
5.1 Grundlagen
Die Abwasserbehandlung ist in Deutschland gesetzlich und verordnungsrechtlich und satzungsrechtlich geregelt.
Für die vier Bonner Kläranlagen liegen entsprechende Genehmigungen der zuständigen Bezirksregierung Köln für Bau und Betrieb der Anlagen sowie die wasserrechtlichen Erlaubnisse für die Einleitung des behandelten Abwassers vor.
Das Abwasser der Kläranlagen Bonn-Salierweg, Bad Godesberg und Beuel wird unmittelbar in den Rhein eingeleitet. Das behandelte Abwasser der Kläranlage Duisdorf wird über den sogenannten Bonner Randkanal ebenfalls dem Rhein zugeleitet. In den Kläranlagen wird das Abwasser der jeweils namensgebenden Bonner Stadtbezirke bzw. Stadtteile behandelt. Darüber hinaus wird entsprechend der geografischen Gegebenheiten auf der Basis bestehender öffentlich-rechtlicher Verträge und unter Verrechnung des Aufwandes Abwasser aus benachbarten Kommunen behandelt (z. B. Alfter, Wachtberg). Andererseits wird beispielsweise das Abwasser des Stadtteiles Oberkassel aufgrund der geografischen Verhältnisse in der Kläranlage Königswinter behandelt. Die bei der Behandlung von Bonner Abwasser entstehenden Klärschlämme werden in einer eigenen Klärschlammverbrennungs-anlage (KVA) am Standort der Kläranlage Salierweg verbrannt.
Kläranlagen sind keine statischen Gebilde, sondern unterliegen vielfältigen Entwicklungsprozessen. Diese sind einerseits durch Veränderungen im Einzugsgebiet und Entwicklungen der rechtlichen Anforderungen, und andererseits auch durch die Alterung aller Anlagenteile, insbesondere der Maschinen-, Elektro- und Prozessleittechnik gekennzeichnet. Damit verbunden sind fortlaufende Instandhaltungen, Erneuerungen und Generationswechsel. Zusätzlich ergeben sich aus dem Prozess der technischen Weiterentwicklung, der kaufmännischen Abschreibungen und dem Wandel der gesetzlichen Vorgaben weiterführende Anreize oder Zwänge für umfangreichere Ausbaumaßnahmen oder grundsätzliche Strategieentscheidungen.
5.2 Maßnahmen
5.2.1 Übersichtsplan der Maßnahmen (s. Anlage V)
Die Kläranlagenstandorte, für die im Rahmen dieses Abwasserbeseitigungskonzeptes Maßnahmen aufgeführt werden, sind in einem Übersichtslageplan zusammen mit den Kanalbaumaßnahmen für das gesamte Stadtgebiet dargestellt.
5.2.2 Maßnahmenliste Abwasserbehandlung (s. Anlage III)
In den Maßnahmenlisten sind die wesentlichen anstehenden Maßnahmen des ABK 2024-2029 in den 4 Kläranlagen Kläranlage Salierweg (KAS), Kläranlage Bad Godesberg (KAG), Kläranlage Beuel (KAB) und Kläranlage Duisdorf (KAD) aufgeführt. Als Grundlage wird die Jahresmeldung 2023 fortgeführt und ergänzt.
Für alle Kläranlagen werden Laufende Erneuerungs-, Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen gemäß einer internen jährlichen Maßnahmenliste Bonn durchgeführt.
Des Weiteren sind in der Maßnahmenliste ABK signifikante und bedeutende Einzelmaß-nahmen je Kläranlage aufgeführt.
5.3 Auslastung der Kläranlagen und Zustandsbewertung
Die Kläranlagen KAS, KAG, KAB und KAD verfügen über eine Gesamtkapazität von 511.250 EW (Einwohnerwerte) bei einer derzeitigen Auslastung von 490.485 EW. Die vier Kläranlagen sind über den Klärschlammpfad technisch miteinander verknüpft. Der gesamte Klärschlamm wird in der KVA auf der Kläranlage Bonn-Salierweg verbrannt und die Reststoffe (Aschen) der externen Entsorgung zugeführt.
5.3.1 Bestand, Ausbau und Leistungsfähigkeit
Abwasser
Die erste Bonner Kläranlage wurde am Salierweg (KAS) im Jahre 1934 als mechanische Kläranlage erbaut. Die Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) am Standort der KAS ist 1981 in Betrieb gegangen. Die Kläranlage Bad Godesberg (KAG) ist im 1976 und die Kläranlage Beuel (KAB) im Jahr 1958 sind ebenfalls als mechanische Kläranlagen entstanden. Die Kläranlage Duisdorf (KAD) existiert seit 1933, zunächst als einfacher Emscherbrunnen (durchströmtes trichterförmiges Absetzbecken mit unterem Faulraum).
1983 wurden alle vier Kläranlagen vollbiologisch nach dem damaligen Stand der Technik ausgebaut. Die Gesamtkapazität betrug damals 505.000 Einwohnerwerte (EW) und war bis 1990 ausreichend. Bei der Planungsüberprüfung ab 1991 für die gesetzlich geforderte weitergehende Abwasserreinigung wurde ein Mehrbedarf auf 533.250 EW ermittelt. Der entsprechende Ausbau auf den Mehrbedarf betraf allein die KAS und sollte in 2 Stufen erfolgen. Zunächst wurden der „mechanische Teil“ auf 307.000 EW und der „biologische Teil“ auf 285.000 EW ausgebaut (1. Phase). Aufgrund des „Bonn-Berlin-Beschlusses“ wurde ein weiterer Mehrbedarf für den „biologischen Teil“ (2. Phase) überprüft und zurückgestellt.
Die historisch bedingte Anzahl von 4 Kläranlagen ist für die laufende Betriebsführung und hinsichtlich der vorhandenen Stadtgröße nicht optimal.
Im Zeitraum dieses ABK wird mit einer Machbarkeitsstudie und weiteren Planungen die zukünftige strategische Ausrichtung zu Anzahl und Verfahrenstechnik der Kläranlagen auf den Weg gebracht und aufgestellt.
Klärschlamm
Die Rohschlämme aus der KAG und der KAB werden über Druckleitungen zur KAS gepumpt. Der anfallende Klärschlamm wird in entsprechenden Schlammbehandlungsanlagen auf der KAS im Teilverbund voreingedickt, ausgefault, entwässert und in einer zentralen Wirbelschichtverbrennung mit Rauchgasreinigung verbrannt.
Auf der KAD wird der Rohschlamm in Faulbehältern behandelt. Der ausgefaulte, entwässerte Faulschlamm wird mit Lastkraftwagen zur KAS transportiert und dort ebenfalls verbrannt.
Der Klärschlamm der Oberkasseler Bürger wird nach öffentlich-rechtlicher Vereinbarung nach der Abwasserbehandlung in der Kläranlage Königswinter ebenfalls in der KVA Salierweg verbrannt. Die anfallenden Rückstände aus der Monoverbrennung werden gemäß aktueller Abfallgesetzgebung und elektronischem Abfallnachweisverfahren (eANV) verwertet.
Energie
Das anfallende Klärgas aus der Faulung der KAS wird anteilig in der KVA genutzt oder im Blockheizkraftwerk (BHKW) zu Strom und Wärme umgesetzt. Die Abwärme aus der Verbrennung in der KVA wird zum Teil für Heizzwecke in der Kläranlage verwendet.
Auf der KAD wird, das anfallende Klärgas auf zwei Arten genutzt. Im Heizkessel zur Gebäudeheizung und im Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärmegewinnung.
Auf drei Bonner Kläranlagen (KAS, KAG, KAD) sind Photovoltaik-Anlagen installiert und der erzeugte Strom wird direkt auf den Anlagen genutzt.
Standorte
Mit den ausgeführten aufwändigen Ausbauten in den 90er Jahren für eine weitergehende Abwasserreinigung blieben die vier Bonner Kläranlagen und der Teilverbund in der Schlammbehandlung untereinander grundsätzlich bestehen. Standortbedingt sind unter Berücksichtigung der benachbarten Bebauungen alle Bonner Kläranlagen mit aufwändigen Schutzmaßnahmen gegen Lärm und Geruch gemäß den Bestimmungen aus dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz (BIMSchG) ausgestattet.
Technik, Personal, und Betrieb
Mittels Redundanz-Anlagen, Anlagen-Wartung, -Erneuerung und Ersatzteilhaltung und mit qualifiziertem Personal und mit EDV-gestützter Prozess-Leittechnik ist im Rahmen der Ressourcenzuordnung ein nahezu störungsfreier, bestimmungsgemäßer Betrieb der Kläranlagen gewährleistet. Dazu ist die Stadt Bonn entsprechend Landeswassergesetz NRW § 56 dauerhaft verpflichtet. Durch das Fortschreiten der wasserrechtlichen und technischen Anforderungen, der Entwicklung der Technik, der Alterung und dem Verschleiß von Bau-, Maschinen- und Elektro-Technik sind regelmäßig und dauerhaft laufend Neu- und Ersatzinvestitionen sowie Unterhaltungsmaßnahmen erforderlich.
Grundsätzlich entsprechen die vier Bonner Kläranlagen den rechtlichen Anforderungen und halten die Überwachungswerte der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnisse sicher ein. Als wesentlich zu betrachten sind die biologischen Reinigungsstufen. Für die Kläranlagen KAS, KAG und KAB besteht die Notwendigkeit, die Leistungsfähigkeiten aufgrund der ansteigenden Einwohnerzahlen anzupassen. Die Kapazitätserweiterungen der KAG werden in Kürze abgeschlossen. Die Kapazitätserweiterungen der KAB gehen 2024 in die Ausführungsphase. Die KAD hat ihre Leistungsgrenze ebenfalls erreicht, so das auch hier Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden.
5.3.3 Übergreifende Standortentwicklungen, Zusammenlegung von Kläranlagen
Im Rahmen des ABK 2018 bis 2023 sind die langfristigen Investitionsziele in den Kläranlagen, insbesondere auch die Frage einer speziellen und übergreifenden Standortentwicklung mit einer Reduzierung der Anzahl der vier Kläranlagen-Standorte begonnen worden. Bis Ende 2023 wird eine Machbarkeitsstudie (MBK) erstellt, die Varianten über die mögliche Reduzierung von Standorten und die einsetzbare Verfahrenstechnik und die zeitliche und wirtschaftliche Abwicklung möglicher Überführungen darstellt.
Um erhebliche Belastungen des Haushalts durch außerplanmäßige Abschreibungen (abgeschriebenes Vermögen) zu vermeiden, ist die Reduzierung von Kläranlagenstandorten unabhängig von der technischen Machbarkeit nur nacheinander und langfristig realisierbar und jeweils an das bestehende Restvermögen geknüpft.
Eine belastbare Abschätzung der erforderlichen Investitionen und möglichen Kosteneinsparungen durch eine Reduzierung von Standorten ist durch zahlreiche Unwägbarkeiten derzeit noch nicht leistbar.
Die Herausarbeitung des langfristig wirtschaftlichsten Entwicklungszieles unter Berücksichtigung von technischen (Verfahrenstechnik), wirtschaftlichen (Gebühren und Haushalt) und Trassenfragen (Grundsicherung) wird fortgeführt.
Alle weiteren Untersuchungen und Entscheidungen und Maßnahmen sollen im Zeitraum des ABK 2024 bis 2029 aufgestellt werden.
5.3.4 Beseitigung von Spurenstoffen und strategische Ausrichtung
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen in NRW keine rechtlichen Anforderungen zum Rückhalt von Spurenstoffen. Dies gilt auch für die Bonner Kläranlagen. Die wasserrechtlichen Anforderungen in den Erlaubnis- und Genehmigungsbescheiden werden für die Bonner Kläranlagen ohne einen derartigen zusätzlichen Ausbau erfüllt. Es ist derzeit noch unklar, ob allgemeine rechtliche Anforderungen in dieser Hinsicht durch den Bund oder das Land und wenn ja, mit welchen Inhalten, erlassen werden.
Für die Kläranlagen KAS und KAG (beide jeweils > 100.000 EW) wurden in 2016 jeweils die geförderten Machbarkeitsstudien erstellt.
Für die Spurenstoffelimination sind Ozonungsverfahren und Behandlungen mit Aktivkohle derzeit die voraussichtlich erfolgreichsten Verfahren. Auch Verfahrenskombinationen sind in großtechnischer Prüfung in verschiedenen Kläranlagen Deutschlands und Europas im Einsatz. Allerdings ist bei der Abwasserbehandlung mit der Spurenstoffelimination zwangsläufig eine Kostensteigerung verbunden, die in der Gebührenkalkulation erscheint.
Derzeit ist eine Umrüstung auf Spurenstoffelimination weder durch die Stadt Bonn geplant, noch wird diese nach aktuellem sowie derzeit in Aufstellung befindlichem künftigen Maßnahmenprogramm WRRL gefordert.
5.3.5. Entsorgung von Klärschlämmen und strategische Ausrichtung
Die im Betrieb befindliche Klärschlammverbrennungsanlage, auf der KAS ist 1981 erbaut wurden.
Nach einer Betriebsdauer von inzwischen 4 Jahrzehnten mit entsprechenden Verschleißerscheinungen in ihren Kernteilen bedarf die Klärschlammverbrennung am Standort der Kläranlage Salierweg dringend der baulichen Erneuerung und verfahrenstechnischen Optimierung. Aufgrund des Anlagenalters erfordert der Betrieb der KVA zunehmend einen hohen Unterhaltungs- und Reparaturaufwand und ist mittelfristig nicht mehr wirtschaftlich weiter zu betreiben.
Darüber hinaus schreibt der Gesetzgeber ab 2029 als zusätzliche künftige Anforderung verbindlich eine Wiedergewinnung des im Klärschlamm in nennenswerter Menge enthaltenen Phosphors vor, was zumindest aus heutiger Sicht technisch nur aus der bei der Verbrennung entstehenden Asche einer Mono- Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA) möglich ist.
Die künftige Entsorgung ist deshalb unter den geänderten gesetzlichen Vorgaben grundlegend neu zu regeln. Vor dieser Situation stehen derzeit nahezu alle Abwasserentsorger in Deutschland.
Mit einer Machbarkeitsstudie „Zukunft KVA BN“ 2018 wurden die Alternativen intensiv beleuchtet und eine zukünftige Strategie unter verschiedenen Bewertungskriterien ausgearbeitet.
Nachhaltiger und wirtschaftlicher ist die Zusammenarbeit mehrerer Abwasserentsorger,
und die „Kooperation mit Partnern in einer Klärschlammkooperation (mit STEB Köln, Stadt BN, u.a.) und Bau sowie Betrieb einer gemeinsamen Mono-KVA.)“,
ist einem „Neubau mit Optimierungen der Technik der eigenen Mono-KVA (ca. 8.000 tTS) am jetzigen Standort der KAS“, vorzuziehen.
Die Stadt BN ist mit Beschluss des Rates in 2022 Gesellschafter in der KLAR GmbH (Klärschlammverwertung am Rhein) mit der STEB Köln und einigen Umlandkommunen beigetreten.
Die KLAR GmbH verfolgt das Ziel der Errichtung einer KVA (ca. 39.000 tTS) auf dem Gelände des Heizkraftwerks in Köln-Merkenich und eine Investition in die Region.
Als nächstes stehen die weiteren Planungs- und Genehmigungsphasen durch die KLAR GmbH an und bis spätestens Ende 2028 soll die gemeinsame KVA in Betrieb gehen.
Die eigene KVA wird weiterhin bis längstens 31.12.2028 am Standort der KAS betrieben.
Durch die neuen gesetzlichen Vorgaben, ergeben sich auch für die Stadt Bonn neue Melde- bzw. Berichtspflichten. aus § 3a AbfKlärV zur Phosphorrückgewinnung.
„§ 3a Berichtspflichten; Phosphoruntersuchungen
(1) Klärschlammerzeuger, die im Kalenderjahr 2023 eine Abwasserbehandlungsanlage betreiben, haben der zuständigen Behörde bis spätestens 31. Dezember 2023 einen Bericht über die geplanten und eingeleiteten Maßnahmen zur Sicherstellung der ab 1. Januar 2029 durchzuführenden Phosphorrückgewinnung, zur Auf- oder Einbringung von Klärschlamm auf oder in Böden oder zur sonstigen Klärschlammentsorgung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vorzulegen. …
(2) Klärschlammerzeuger, die im Kalenderjahr 2023 eine Abwasserbehandlungsanlage betreiben, haben Proben des anfallenden Klärschlamms im Kalenderjahr 2023 nach den Bestimmungen des § 32 Absatz 1 und 3 auf den Phosphorgehalt und den Gehalt an basisch wirksamen Stoffen insgesamt, bewertet als Calciumoxid, untersuchen zu lassen. Das Untersuchungsergebnis ist dem Bericht nach Absatz 1 Satz 1 beizufügen. Wurde der Klärschlamm bereits nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ordnungsgemäß auf den Phosphorgehalt untersucht, kann der Klärschlammerzeuger die Ergebnisse dieser Untersuchung verwenden, wenn die Ergebnisse nicht älter als ein Jahr sind. …“
Der Bericht wird durch das Tiefbauamt bis spätestens 31.12.2023 an die Bezirksregierung versendet.
In der KLAR-GmbH wird ein Konzept zum zukünftigen Phosphorrecycling aufgestellt und entsprechend an die Bezirksregierung berichtet werden.
In beiden Fällen ist übergangsweise davon auszugehen, dass die Verwertung der Asche vertraglich geregelt wird und auf einer speziellen Monodeponie für das spätere P-Recycling zwischengelagert wird, bis ein wirtschaftliches Verfahren auf dem Markt verfügbar ist. Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Monodeponien bis 31.12.2028 verfügbar sind.
5.3.6. Niederschlagswasserbeseitigung auf den Kläranlagenstandorten (Trennerlass)
Der Bericht zur Untersuchung zur Umsetzung des Trennerlasses auf den Kläranlagen ist am 24.05.2022 an die Bezirksregierung Köln gesendet worden.
Ergebnis der Ortsbegehungen
Zu KA Duisdorf:
- Straßenablauf im Bereich der Verkehrs-/Betriebsfläche an der Filtration ist mit einem Separationseinsatz zu versehen, da dieser z.Zt. nicht an den Kanal angeschlossen ist und in die Grünanlage entwässert bzw. versickert.
- der Fußweg um den fett-/ölgeschmierten Faulgasbehälter ist einzufassen und an den RW-Kanal anzuschließen, ggf. ist hier zusätzlich ein Ölabscheider vorzusehen
zu KA Beuel:
- Ein Teil der Betriebsstraße versickert über die Böschung, bei geringer Befahrung ist dies zulässig.
Für die beiden Kläranlagen KAS und KAG sind keine Maßnahmen erforderlich.