Obdachlosigkeit und drohende Wohnungslosigkeit sind große gesellschaftliche Probleme - auch in Bonn. Dabei ist Wohnen ein grundlegendes Menschenrecht. Daher hat die Europäische Union im Jahr 2020 die Resolution zur Überwindung der Obdachlosigkeit in der EU bis 2030 gefasst. Dies nimmt die Sozialverwaltung der Stadt Bonn zum Anlass, gemeinsam mit anderen Fachämtern und der Bonner Wohnungslosenhilfe die „Bonner Offensive zur Überwindung von Obdachlosigkeit“ zu starten.
Im Rahmen der Offensive führte das Amt für Soziales und Wohnen bereits zahlreiche vorbereitende Gespräche mit Trägern der Bonner Wohnungslosenhilfe, wie Verein für Gefährdetenhilfe und Caritasverband für die Stadt Bonn. Das gemeinsame Ziel ist, den sich verändernden Bedarfen wohnungsloser und obdachloser Menschen in Bonn mit Wohnangeboten und einer angemessenen Hilfestruktur zu begegnen und Exklusion von Menschen zu vermeiden.
„Das Risiko, die Wohnung zu verlieren, nimmt zu, während die Chance, eine zu finden, abnimmt“, fasst Oberbürgermeisterin Katja Dörner die prekäre Lage zusammen. Vor allem Haushalte mit geringer Bonität und Menschen mit psychosozialen Problemen würden zunehmend die Chance auf menschenwürdiges Wohnen und somit auf Teilhabe verlieren, die ein selbstbestimmtes Leben in der Bonner Stadtgesellschaft ermöglichten. „Eine steigende Anzahl von Menschen würde so in verfestigter Armut, Wohnungs- und Obdachlosigkeit und Exklusion leben müssen – das dürfen und wollen wir nicht hinnehmen“, so die OB weiter.
Als ersten wichtigen Schritt beschloss der Rat der Stadt Bonn daher in seiner jüngsten Sitzung am Donnerstag, 8. Dezember 2022, dass die Stadt Bonn eine Geschäftsstelle beim Caritasverband für die Stadt Bonn einrichten kann. Diese soll die Offensive unterstützend begleiten. Die Federführung bleibt beim Amt für Soziales und Wohnen der Stadt Bonn.
„Wir sind sehr dankbar, dass die Stadt Bonn die Voraussetzungen dafür schafft, dass wir gemeinsam neue Lösungsmöglichkeiten entwickeln können, um entschlossen gegen die wachsende Wohnungsnot und Obdachlosigkeit vorzugehen“, so Caritasdirektor Jean-Pierre Schneider. „Wir freuen uns, dass alle in Verwaltung und Rat diese Idee mittragen und diese große Herausforderung mit uns bewältigen wollen. Denn die Not ist unerträglich groß – für die Betroffenen selbst, aber auch für das Gemeinwesen in unserer Stadt.“
Zu den Aufgaben der Geschäftsstelle gehört, Wohnraum sowie geeignete Unterbringungs- und Versorgungsstrukturen zu erschließen und rechtskreisübergreifende Verantwortung und Zugänge herzustellen. Das heißt, bedarfsgerechte Versorgungsketten offenzulegen. Denn zum Beispiel die Mittel der Unterbringung nach Ordnungsbehördengesetz (OBG) oder die Hilfen der Facheinrichtungen der Wohnungslosenhilfe reichen alleine zur Verbesserung der Situation nicht aus. Zudem soll die Geschäftsstelle, für die ein Vollzeit-Äquivalent benötigt wird, Kommunikationsstrukturen nach innen und außen aufbauen sowie Veranstaltungen organisieren und in Gremienarbeit und Moderation einbringen. Die Geschäftsstelle soll zunächst bis Ende 2024 bestehen. Pro Jahr werden 100.000 Euro Kosten veranschlagt.
Obdach- und Wohnungslosigkeit: Die Situation in Bonn
Aktuell nimmt die Anzahl der wohnungslosen Menschen in der Bundesstadt dramatisch zu. Laut Zahlen des Landes NRW hat sich die Anzahl der wohnungslosen Menschen in Bonn seit 2011 fast verzehnfacht. Statistisch ist in Bonn bis 2040 von einem Bevölkerungszuwachs von mehr als zwölf Prozent auszugehen, wodurch der Bedarf an Wohnraum in Bonn entsprechend wächst. Der Wohnungsmarkt wird diesen steigenden Bedarf trotz vielfältiger Instrumente zur Wohnungsbauförderung nicht decken können. Wohnungslosigkeit in Bonn mit allen negativen Folgen wird weiter anwachsen, wenn dieser Entwicklung nicht gezielt entgegengewirkt wird.
Aus Sicht der Stadt Bonn müssen dafür die maßgeblichen Akteure der Stadtgesellschaft ressortübergreifend zusammenarbeiten. Auch Institutionen wir zum Beispiel der Landschaftsverband Rheinland, Psychiatrie, Justiz, Krankenhäuser und Wohnungsbaugesellschaften sind notwendig.
Menschenwürdiges Wohnen, Anschluss an das Regelsystem der sozialen Sicherung und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben müssen ermöglicht werden. Die Geschäftsstelle soll dieses große und langfristig angelegte Vorhaben anstoßen, begleiten und evaluieren.