Unter dem Titel „Das Lesen ist politisch!“ finden im Haus der Bildung, Mülheimer Platz 1, Mitte November drei Lesungen in Kooperation mit dem Literaturhaus Bonn, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stadtbibliothek Bonn statt. Der Eintritt zu allen Lesungen ist frei, Anmeldungen werden erbeten unter infoliteraturhaus-bonnde.
Manja Präkels: „Überlandschreiberin“
Den Auftakt macht am Montag, 18. November 2024, 19 Uhr, Manja Präkels mit den Essays einer „Überlandschreiberin“.
Für das Projekt "Überlandschreiberinnen" haben sich die Autorinnen Manja Präkels, Tina Pruschmann und Barbara Thériault auf eine literarische Spurensuche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg begeben. Rund um die dortigen Landtagswahlen im Herbst 2024 wollten sie wissen, welche Themen die Menschen in Ostdeutschland bewegen. Manja Präkels hat diese Spurensuche in ihr Heimatland Brandenburg geführt. Die Autorin des mehrfach preisgekrönten Nachwende-Romans "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß" besuchte in Rheinsberg den ersten Christopher Street Day und bestaunte in und um Cottbus die "gigantischen Mondlandschaften", die der Kohleabbau hinterlassen hat. Wohlwissend um individuelle und regionale Sorgen und Nöte zeichnet sie mit klarem Sachverstand Porträts von jenen Regionen, in denen schon länger die Demokratie erodiert. Ihre klugen literarischen Beobachtungen lassen dabei ein heterogenes Bild entstehen – zwischen Trostlosigkeit und Mut, zwischen Leere und Hoffnung.
Sie spricht über ihre Beobachtungen, liest aus ihren Essays und diskutiert über die Nachwehen dieser "Schicksalswahlen" 35 Jahre nach dem Fall der Mauer. Die Moderation hat der Journalist Georg Restle.
Ronya Othmann: „Vierundsiebzig"
Weiter geht es am Dienstag, 19. November 2024, 19 Uhr, mit Ronya Othmann und ihrem Roman „Vierundsiebzig“.
Wie kann man eine Sprache finden für das, was eigentlich unaussprechlich ist? Darum ringt Ronya Othmann in ihrem zweiten Roman "Vierundsiebzig". Vierundsiebzig – so viele Genozide sind an den Jesid*innen im Grenzgebiet zwischen Syrien, der Türkei und dem Irak verübt worden, zuletzt 2014 vom „Islamischen Staat“. In ihrem Roman begibt sich die Autorin, die selbst jesidische Wurzeln hat, auf die Suche: Sie reist nach Shingal, besucht die Camps, in denen jesidische Geflüchtete vielfach noch immer untergebracht sind, sie fährt an die Tatorte aus dem August 2014, spricht mit Verwandten, besucht verlassene Dörfer und ist dabei, wenn die Täter*innen von damals in Deutschland vor Gericht stehen. Ein atemloser Versuch zu verstehen, was unfassbar ist. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024.
Die Moderation übernimmt die Journalistin Franziska Jostmeier.
Traudl Bünger: „Eisernes Schweigen"
Den Abschluss der Themenreihe "Das Lesen ist politisch!" macht am Mittwoch, 20. November 2024, 19 Uhr, Traudl Bünger mit ihrer Familiengeschichte „Eisernes Schweigen“.
Wie ist es herauszufinden, dass der Vater ein Attentäter war? Traudl Bünger kannte ihren Vater als einen fürsorglichen Mann, auf den sie sich stets verlassen konnte, der aber auch rigide Meinungen vertrat. Schon als Kind wusste sie, dass ihn ein Geheimnis umgab, über das er stets eisern schwieg. Nach seinem plötzlichen Tod beginnt sie, dieses Geheimnis zu lüften – und wird in die frühen Sechzigerjahre katapultiert: Deutschland ist durch die Mauer geteilt. Da flammt ein Konflikt auf, der die junge BRD emotionalisiert und in dem auch Traudl Büngers Vater mitmischt. Im Herbst 1962 fährt er mit Gesinnungsgenossen nach Italien. Ziel der Mission: Völkerrechtsverletzungen an "Volksdeutschen" in Südtirol brandmarken. Das Mittel: Sprengstoff. Das Ergebnis: ein Toter und zahlreiche Verletzte.
Was hat ihren Vater im Alter von 27 Jahren zu dieser Tat verleitet? Was für ein Mensch war er? Traudl Büngers Recherchen führen sie in zahlreiche Archive und in drei Länder.
Moderator ist Gideon Botsch, außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft der Universität Potsdam.