Zeitfenster November: Erste Straßenbahnfahrt über die neue Rheinbrücke
Am 12. November 1949 wurde die neue Bonner Rheinbrücke für den Verkehr freigegeben. Der Fahrschein von diesem Tag ist Zeugnis der ersten Fahrt der Straßenbahnlinie 1 über die neue Rheinbrücke. Für 0,25 DM konnten die Bonner Bürgerinnen und Bürger an der historischen Fahrt teilhaben. Die Stadt Bonn und die damals noch selbstständige Gemeinde Beuel sind seither wieder bequem über ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen.
Die alte Rheinbrücke wurde im März 1945, auf dem Rückzug der Wehrmacht, gesprengt und seitdem war der Rhein nur per Fähre überquerbar. Die Notwendigkeit einer neuen Brücke zeigte sich schnell, sodass schon im März 1946 die bauliche Planung einer neuen Brücke begann. Im Jahr 1949 wurden durchschnittlich allein 525.000 Fußgänger pro Monat per Fähre übergesetzt, umso größer war also die Vorfreude auf eine neue Brücke.
Am 8. März 1949 konnte der tatsächliche Baubeginn starten. Auf den Fundamenten der Alten Rheinbrücke sollte eine moderne Stahlbrücke entstehen. Die ausführenden Firmen waren Stahlbau Rheinhausen und das Tiefbauunternehmen Grün & Bilfinger.
Nachdem am 6. September 1949 die Grundkonstruktion der Brücke fertiggestellt war, wurde diese am 12. September mit einem Richtfest eröffnet und im November letztlich für den Verkehr freigegeben. Die Bauarbeiten dauerten somit insgesamt nur 8 Monate an.
Heute trägt die Rheinbrücke den Namen „Kennedybrücke“. 1963 wurde sie zu Ehren des ermordeten John F. Kennedy umbenannt.
Zeitfenster Oktober: Bonn hat wieder eine Tageszeitung
Erste Nachkriegsausgabe des Bonner General Anzeigers erscheint am 1. Oktober 1949
„Wieder General-Anzeiger“, so titelt ein Beitrag ‚in eigener Sache‘ in der ersten Nachkriegsausgabe der am 1. Oktober 1949 – nach fast fünf Jahren Zwangspause – erstmals wieder in den Zeitungsauslagen der Stadt zu findenden beliebten Bonner Tageszeitung. Wenige Tage zuvor hatten die Alliierten die Lizenzpflicht für Zeitungen aufgehoben und damit, zumindest in den Westzonen, den Weg freigegeben für das Wiedererstarken der freien, unabhängigen Presse und die gewerbliche Wiederbelebung zahlreicher noch bestehender Vorkriegsverlage.
Zweiter Weltkrieg hatte dem Bonner Zeitungsverlag schwer zugesetzt
Bereits die nationalsozialistische Machtübernahme und besonders der Zweite Weltkrieg hatten dem auf die Familiendynastie Neusser zurückgehenden Bonner Zeitungsverlag schwer zugesetzt und dessen Existenz bedroht: Ungeachtet seiner unpolitischen Ausrichtung musste sich der Verlag unter Hermann Neusser II (1879-1937) den zunehmenden Zwängen der von den Nationalsozialisten gleichgeschalteten Presse beugen. Ab August 1944 wurde auf Druck der Reichspressestelle der General-Anzeiger in „Bonner Nachrichten, Tageszeitung für Bonn und Umgebung“ umbenannt, ab Oktober 1944 musste der Verlag den „Westdeutschen Beobachter“, eine der NSDAP zugehörigen Zeitung, drucken. Neben der eigenen Zeitung druckte man ab 1943 noch drei aus Köln, deren Druckereien kriegsbedingt zerstört waren. Bei dem bis dahin größten Bombenangriff auf Bonn am 18. Oktober 1944 wurde auch das Bonner Verlagshaus zerstört, worauf in außerhalb gelegenen Notquartieren unregelmäßige Ausgaben gedruckt und nach Bonn gebracht wurden. Die letzte Ausgabe erschien am 2. März 1945.
Ende des Lizenzzwangs ermöglichte den Neustart
Nach dem Krieg übernahm der aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte Hermann III Neusser (1917-2002) zusammen mit seinem Schwager Otto Weidert (1909-1982) die Geschäftsführung. Da der General-Anzeiger in den Augen der Alliierten eine in der NS-Zeit Propaganda verbreitende Zeitung war, erhielt das Blatt keine Erscheinungsgenehmigung (Lizenz). Man musste sich auf Fremddrucke beschränken, z.B. Massendrucksachen wie Kalender und Fahrpläne, später auch das Amtsblatt der Stadt Bonn und die Bonner Universitätszeitung. Jedoch übernahm der Verlag Teile einer Düsseldorfer Lizenzzeitung für das Bonner Gebiet. So konnte am 15. Juli 1949 die „Westdeutsche Zeitung / Bonn und Umgebung“ erscheinen. Nachdem die Alliierten den Lizenzzwang aufgehoben hatten, erschien am 1. Oktober 1949 der General-Anzeiger als 58. Jahrgang wieder und etablierte sich zur führenden, weit über Bonn hinaus beachteten Regionalzeitung im Raum der Bundeshauptstadt.
„Bonner Nachrichten“ in der ersten Nachkriegsausgabe - Von falschen Fünfern, neuen Kinoplätzen und verschütteten Dokumenten
Die bekannte Rubrik der Zeitung liefert einen interessanten Einblick in die Bonner Nachkriegs- und Wiederaufbauverhältnisse und lässt im „Interview mit jedermann“ auch die Meinung und Sorgen der Bonner Bevölkerung (z.B. zur Preisentwicklung) zu Wort kommen. Neben der Warnung vor dem Umlauf offensichtlich schlecht gefälschter Fünf-Mark-Scheine sowie der optimistischen Meldung eines neuen Kinos (Residenz-Theater) und damit steigender Kinoplatzzahlen für die „filmfreudige Bonner Bevölkerung“ sticht die Nachricht zu einem brisanten Aktenfund heraus: im Keller des zerstörten Hauses Hofgartenstraße 8 fand man bei Enttrümmerungsarbeiten offenbar die Akten der ehemaligen Geschäftsstelle der NSDAP-Ortsgruppe Bonn-Mitte – mit „Briefen und Dokumenten“. Wohin die Unterlagen im Anschluss kamen, bleibt unklar. Ins Bonner Stadtarchiv sind sie jedenfalls nicht gelangt …
Zeitfenster September: Sportlicher Herbst – zwischen Bundesfeier und Schulsportfest
Bundesfeier der deutschen Jugend und des deutschen Sports
Mit der „Bundesfeier der deutschen Jugend und des deutschen Sports“ am 24./25. September 1949 wurde die Konstituierung des ersten Deutschen Bundestages feierlich und sportlich gewürdigt. Im Mittelpunkt des von verschiedenen sportlichen Veranstaltungen begleiteten Großereignisses, das mit einer Feier der Schuljugend und der Jugendverbände auf dem Bonner Marktplatz eröffnet worden war, stand die Ansprache des frisch gewählten Bundespräsidenten Theodor Heuss am Nachmittag des 25. September vor etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Bonner Gronau-Stadion. Am Vortag war, ebenfalls im Rahmen der „Bundesfeier“, das Nationale Olympische Komitee im Festsaal des Museum Koenig gegründet worden.
Bisher wenig dokumentiert und daher kaum bekannt ist, dass fast zeitgleich am Rande dieser beiden prominent besetzten bundespolitischen Sportereignisse am 23./24. September das erste Schulsportfest der Gemeinde Beuel auf dem Ennertsportplatz stattfand.
Volksschule Niederholtorf gewinnt den Wanderwimpel des Amtes Beuel
In der Schulchronik der Volksschule Niederholtorf findet sich neben Fotografien auch ein Eintrag zur Sportveranstaltung, auf der die Schule den eigens gestifteten Wanderwimpel des Amtes Beuel gewinnen konnte: Unsere Schule errang auf dem Schulsportfest der Gemeinde Beuel mit der höchsten Durchschnittspunktzahl von 52,85 Punkten unter allen Schulen der Bürgermeisterei für dieses Jahr den Wanderwimpel des Amtes Beuel, der durch Schulrat Steinhauer in Anwesenheit des Bürgermeisters Reuter u. des Gemeindedirektors Hahn bei einer späteren dörflichen Veranstaltung überreicht wurde.
Im Folgejahr konnte dieser Erfolg sogar wiederholt werden.
Die Volksschule Niederholtorf wurde um 1853 gegründet und 1968 in eine katholische Grundschule (Hardtschule) umgewandelt. 1974 wurde die Schule aufgelöst. Der kleine Schulbestand im Bonner Stadtarchiv mit einer Laufzeit von 1854 bis 1974 umfasst insgesamt 14 Verzeichnungseinheiten.
Zeitfenster August: Bonn erlebt die erste Bundestagswahl
Bürger hatten nach langer Zeit wieder die Möglichkeit, aktiv an der Zukunft des neuen politischen Deutschlands mitzuwirken
Nachdem das Grundgesetz vom parlamentarischen Rat in Bonn erstellt und verabschiedet wurde und von den Besatzungsmächten genehmigt war, kam es am 14. August 1949 zur ersten Bundestagswahl in der neu gegründeten Bundesrepublik.
Mit zahlreichen Wahllokalen kam es in Bonn zu einer hohen Wahlbeteiligung von 77,57%. 75.303 Wahlberechtigte Bürger gab es in Bonn, wovon 57.434 ihre Stimme abgegeben haben. Die letzten Ergebnisse aus Bonn brachte der Bezirk 17 Clara-Schumann-Schule, sowie der Bezirk 28 Gaststätte zum Burggarten. Der Andrang war teilweise so groß, dass die Wahlleiter Mühe hatten alle Umschläge unterzubringen.
Daraus lässt sich eine mit Spannung und Aufregung aufgeladene Atmosphäre bei den Bonner Bürgern entnehmen, die nach langer Zeit wieder die Möglichkeit hatten, aktiv an der Zukunft des neuen politischen Deutschlands mitzuwirken. Politiker und Vertreter haben um die Gunst der Bonner Wähler geworben und mit nationalen wie lokalen Themen die Bürger zur Wahlurne gelockt. Lautsprecherwagen in Bonn appellierten daran zur Wahl zu gehen und sogar an der Kanzel erinnerten Geistliche an die Möglichkeit zur Wahl. Mobilbeeinträchtigte Menschen brachte man mit Wagen, die von den Parteien organisiert wurden, zur Wahlurne.
In Krankenhäusern, Kliniken, Altersheimen und Strafanstalten wurden zusätzliche Urnen aufgestellt, um auch den Menschen eine Möglichkeit zur Wahlbeteiligung zu geben, die die Wahllokale sonst nicht erreicht hätten.
Falscher Vorname auf Stimmzetteln
Natürlich gab es auch Pannen, sodass die Stimmzettel aufgrund eines falsch geschriebenen Vornamens, Fritz Heinen anstatt Franz Heinen (SPD), eingezogen und neu bedruckt werden mussten. Auf dem Wahlplakat, welches aus der Plakatsammlung des Stadtarchivs stammt, wird sein richtiger Vorname verwendet. Es zeigt ein Foto von Franz Heinen (SPD) aus dem Bonner Wahlkreis 10, mit der Aufforderung in den Worten „Den wählen wir“.
CDU/CSU und SPD bekamen die meisten Stimmen. Es kam zu einer Koalitionsregierung mit Konrad Adenauer als Kanzler und der SPD als Oppositionspartei.
Im Vergleich zu heutigen Bundestagswahlen hatten die Wähler bei dieser Bundestagswahl nur eine Stimme. Bis zum 1. Februar 1952 benötigte jede Partei eine Lizenz der Besatzungsmächte.
Zeitfenster Juli: McCloy und Robertson - Zwei Hohe Kommissare in Bonn
Georg Munkers Filmnegative zeigen Bonns Entwicklung als Bundeshaupt
Der Pressefotograf Georg Munker (1918-2002) war einer der bekanntesten Bonner Bildjournalisten, dessen Schwerpunkt auf politischen Ereignissen lag. Er hielt aber auch das einfache Tagesgeschehen im Bonner Raum fest. Das Stadtarchiv Bonn besitzt rund 60.000 Negative des Fotografen: Dieser Bestand zeigt vor allem Bonns Entwicklung als Bundeshauptstadt und ist somit ein bedeutendes Dokument der Zeitgeschichte.
So hat Munker am 8. Juli 1949 den Amerikaner John Jay McCloy (DA01_16233) sowie den Briten Brian Hubert Robertson (DA01_16232) beim Verlassen der Hochkommission fotografiert. Ganz im Gegensatz zum amerikanischen „Banker“, erscheint der Brite Robertson in Uniform mit Mütze. Beide waren seit 1949 Hohe Kommissare in Bonn, das heißt der jeweils höchste Vertreter der alliierten Siegermächte - warum Munker kein Foto des französischen Hohen Kommissars André François-Poncet gemacht hat, lässt sich nur erahnen…
Stadtsparkasse am Friedensplatz diente als Sitz der Militärregierung
Bei dem Gebäude, dessen Tür von salutierendem Wachpersonal flankiert ist, handelt es um die beschlagnahmte Stadtsparkasse am Friedensplatz, die zuvor lokales Hauptquartier der britischen Militärregierung war. Die Alliierte Hohe Kommission war dann kurze Zeit später, bis ins Jahr 1952, auf dem Petersberg ansässig.
Der amerikanische Präsident Harry S. Truman berief 1949 John Jay McCloy, der bis dahin Präsident der Weltbank war, als Militärgouverneur nach Deutschland. Als die Vereinigten Staaten von der Besatzung zur Beaufsichtigung übergingen, wurde McCloy zum Hohen Kommissar der USA und war bis August 1952 maßgeblich am politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau der neu gegründeten BRD beteiligt.
Sir Brian Robertson (1896-1974) – späterer Baron Robertson of Oakridge – war von 1945 bis 1949 Mitglied des Alliierten Kontrollrats in Deutschland. Ab Mai 1946 war er auch stellvertretender Militärgouverneur der britischen Besatzungszone und dann von November 1947 bis Mai 1949 deren Militärgouverneur, weshalb er entscheidenden Anteil an den britischen Beratungen zur territorialen Konzeption des Landes Nordrhein-Westfalen innehatte. Ab Juni 1949 amtierte er ein ganzes Jahr als Hoher Kommissar in der Alliierten Hohen Kommission in der BRD.
Zeitfenster Juni: Einladungskarte zum Richtfest des Alten Rathauses
Aus der Feder des Bonner Karikaturisten und Grafikers André Osterritter
Es sind vor allem die Zeichnungen auf der in der Sammlung der Einblattdrucke im Stadtarchiv verwahrten, leporello-artig gefalteten Einladungskarte zum Richtfest des Alten Rathauses, die ins Auge fallen. Sie stammen aus der Feder des Bonner Karikaturisten und Grafikers André Osterritter (1906-1957), der ab 1948 maßgeblich das grafische Erscheinungsbild der neu entstehenden Bundeshauptstadt prägte. Die Zeichnung der Titelseite zeigt das Rathausgebäude mit offenem Dachstuhl und einem Richtkranz.
Wichtiger Schritt zum Wiederaufbau des Rokokobaues
Auf einer weiteren Seite der Karte findet man neben den Programmpunkten einen feiernden Zimmermann abgebildet. Mit der Aufstellung des Dachstuhls im Juni 1949 war ein wichtiger und symbolträchtiger Schritt zum Wiederaufbau des 1737/38 errichteten Rokokobaues vollzogen.
Das Alte Rathaus war 1944 infolge von Bombentreffern bis auf die Außenmauern niedergebrannt. Erst 1948 begann man mit der Entrümpelung der mittlerweile zugewachsenen Ruine und 1949 startete der Wiederaufbau des Gebäudes. Die Außenfassade, in Stil des Rokokos, wurde wiederhergestellt – wenn auch mit weniger Prunk. Die Innenräume wurden vollständig neu verteilt und in ihrer Gestaltung und Ausstattung zeitgemäß angepasst.
Offizielles Richtfest am 30. Juni 1949
Der üblichen Anbringung eines Richtstraußes auf dem fertiggestellten Dachstuhl durch die Maurer und Zimmerleute, die das Alte Rathaus wiederaufbauten, folgte einige Tage später das offizielle Richtfest am 30. Juni 1949, veranstaltet von der Stadt Bonn als Bauherrin. Die Feier begann um 15:30 Uhr und umfasste neben musikalischen Beiträgen, gespielt von einem Waldhornquartett des städtischen Orchesters, Ansprachen des Leiters des städtischen Hochbauamtes, des Baumeisters sowie des damaligen Oberbürgermeisters Peter Stockhausen. Im Anschluss traf man zu einer schlichten Nachfeier im (noch fensterlosen) Saal des Rathauses zusammen.
Altes Rathaus als Kulisse für die erste Ansprache von Bundespräsident Theodor Heuss
Nur zweieinhalb Monate nach dem Richtfest diente das Alte Rathaus als Kulisse für die erste Ansprache des frisch gewählten ersten Bundespräsidenten der jungen Bundesrepublik, Theodor Heuss.
Es waren auch in den folgenden Jahrzehnten vor allem prominente Besucher, hochrangige Politiker und Staatsgäste der Bundesrepublik, die das Bonner Rathaus mit seiner Freitreppe als Wahrzeichen der Bundeshauptstadt prägten.
Die Stadtverwaltung bezog die Räumlichkeiten erst Mitte 1950, nach der vollständigen Beendigung der Wiederaufbauarbeiten.
Zeitfenster Mai: Plakat zum Beethovenfest 1949
Gesellschaftlicher und kultureller Höhepunkt des Jahres 1949
Vom 22. Mai bis zum 5. Juni 1949 fand das 17. Beethovenfest der Stadt Bonn statt – es war bereits das zweite Beethovenfest nach dem Kriegsende. Spielstätte war das 1946 zügig wiederaufgebaute und instand gesetzte Metropol-Theater am Markt, das nach dem Krieg lange Zeit einzige funktionsfähige Theater und Kino der Stadt, wo neben Filmvorführungen und Konzerten auch Oper, Operette, Schauspiel und Varieté stattfanden. Als gesellschaftlicher und kultureller Höhepunkt des Jahres bot sich mit dem Beethovenfest 1949 ein nicht ungelegenes Aushängeschild für die Beethovenstadt am Rhein – Bonn war am 10. Mai in geheimer Abstimmung vom Parlamentarischen Rat zum „vorläufigen Sitz der Bundesorgane“ bestimmt worden – und mit Blick die anstehenden Festwochen und künftige Beethovenfeste sah man sich bereits als „Salzburg des Westens“.
Kartensonderkontigente für Mitglieder des Parlamentarischen Rates
So ließ es die Stadt sich nicht nehmen, neben Vertretern der Militärregierung und der Landesregierung auch den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates, darunter etwa Konrad Adenauer und Carlo Schmidt, Kartensonderkontingente für Konzerte des Beethovenfestes zur Verfügung zu stellen. Neben mehreren Sinfonien, Kammermusikkonzerten, drei Violin-Sonaten- und einem Klavier-Sonaten-Abend standen Beethovens Egmont-Musik und die Missa Solemnis auf dem Spielplan – mit namhaften Solisten wie den Pianisten Wilhelm Backhaus und Wilhelm Kempff sowie dem Geiger Adolf Busch sollten neue ‚bundeshauptstädtische‘ Maßstäbe gesetzt werden. Gastdirigenten waren neben Gustav Classens und Karl Dammer aus Bonn Joseph Keilberth aus Dresden, Hermann Scherchen aus Zürich und Karl Maria Zwißler aus Mainz.
Das Motiv des in der Plakatsammlung des Stadtarchivs aufbewahrten Veranstaltungsplakates zum Beethovenfest 1949 (Signatur: DA10/9767) zeigt die Totenmaske Ludwig van Beethovens im Profil – es wurde von dem Beueler Kunstdozenten Theodor Pape (1899-1953) gestaltet, nachdem dieser von der Stadt Bonn im Februar 1949 um einen Plakatentwurf für das Beethovenfest gebeten worden war. Er erhielt hierfür 120 Mark von der Druckerei Roeder sowie für seinen Klischeeentwurf zum Programmheft weitere 30 Mark seitens der Stadt.
Zeitfenster April: Mit 180 Mark durch den Monat – die Haushaltungsbücher der Bonner Familie Rau
Einmalige Einblicke in das Alltagsleben und Konsumverhalten einer bürgerlichen Bonner Familie
Es ist eine auf den ersten Blick eher unscheinbare und unspektakuläre Quelle, die sich hinter diesen Zahlenkolonnen verbirgt: das im Schmalfolioformat gehaltene Haushaltungsbuch aus dem Besitz der seit 1927 in Bonn wohnhaften Familie des Justizbeamten Otto Rau (1885-1959) enthält tagesgenau und säuberlich von Hand notiert sämtliche Haushaltsausgaben der Familie im Zeitraum zwischen November 1942 und März 1951. Insgesamt 9 Bände dieser von 1920 bis 1976 durchgängig (!) geführten Haushaltungsbücher finden sich als Splitternachlass „Familie Rau“ im Stadtarchiv Bonn (Signatur SN018/007).
Die Handschrift ist die von Ottilie Rau geb. Strauß (1891-1976), der Ehefrau Otto Raus, die – wie damals üblich – als möglichst sparsam wirtschaftende Hausfrau die monatlichen Ausgaben für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs der Familie im Blick behalten und entsprechend ‚haushalten‘ musste. Die Eintragungen sind nicht nur ein Spiegel der damaligen Kaufkraft, sondern geben – über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahrhundert – vor allem auch einmalige Einblicke in das Alltagsleben und Konsumverhalten einer bürgerlichen Bonner Familie.
Ein Stück Lebensalltag in der Nachkriegszeit
Neben dem Sohn Günther (geb. 1927) – der älteste Sohn Werner (geb. 1921) war im Zweiten Weltkrieg gefallen – wurde offenbar auch die Mutter oder Schwiegermutter über den Haushalt mitversorgt. Sie erhielt monatlich ein Taschengeld in Höhe von 10 Pfennig, was regelmäßig vermerkt wurde. Die Lebensmittelversorgung der Familie scheint 1949 weitgehend stabil – Fleisch, Wurst, Butter und Käse standen regelmäßig auf dem Speiseplan. Lediglich die zum Monatsende aufgeführte Ausgabe für Lebensmittelkarten ist ein Beleg für die nach wie vor den Lebensalltag der Menschen bestimmende Mangelbewirtschaftung in der Nachkriegszeit. Vom monatlichen Haushaltungsgeld blieb meist sogar etwas übrig und neben Almosen, Trinkgeldern, Frisör, Zeitungen und Büchern waren sogar regelmäßige Kino- und Theaterbesuche drin. Ottilie Rau führte ihre unmittelbar nach der Heirat 1920 begonnenen Haushaltungsbücher auch nach dem Tod ihres Mannes weiter. Der letzte Eintrag, eine Ausgabe von 1,45 DM für Weißbrot, datiert auf den 17. Mai 1976, zwei Tage vor ihrem Tod.
Zeitfenster März: Von Bonn in die Welt – Zur Gestaltung des Nah- und Fernverkehrs
Zukünftige Gestaltung des Straßenverkehrs in der Bonner Innenstadt
Das Thema Straßenverkehr ist aktueller denn je, doch vor 75 Jahren sah man sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Der Zweite Weltkrieg war vorbei, der Wiederaufbau im Gange. Die zerstörten Teile der Bonner Innerstadt sollten neu angeordnet werden, grundsätzliche Veränderungen im Straßennetz waren eine Überlegung. Diese Veränderungen sollten sich jedoch nicht nur auf die Bonner Innenstadt beschränken, sie sollten im ganzen Bonner Stadtgebiet und darüber hinaus betrachtet werden. Die Stadt Bonn gab damals zusammen mit dem Wiederaufbauministerium des Landes NRW ein Gutachten in Auftrag, um die Möglichkeiten der Gestaltung zu prüfen und analysieren.
Auch der zukünftige öffentliche Nahverkehr stand im Fokus des Gutachtens: So wird etwa darauf hingewiesen, dass der ÖPNV sehr mit der Gestaltung des Straßennetzes zusammenhängt. Es stellt sich für die Verkehrsbetriebe die Frage, ob der Wiederaufbau der zerstörten Anlagen oder eine Änderung im Straßennetz oder sogar der Fahrzeuge wirtschaftlich besser wäre, dabei müssten auch die Betriebskosten mit eingebunden werden. Erst dann könnte entschieden werden, ob das alte Verkehrsnetz wiederaufgebaut werden soll oder sich der neuen Straßenführung anpasst.
Ein Beispiel hierfür ist der damals sogenannte „Lange Platz“. Von der Stadtbrücke – der heutigen Kennedybrücke – aus kommend über einen neuen Verkehrsplatz sollte eine Straße Richtung Friedrichsplatz führen. Dieser Verkehrs- „Lange“ Platz hatte keine typische Platzform. Sie war auf Grund der Umgebung eher länglich und würde sich daher für zukünftige Haltestellen der Straßenbahnen eignen. Heute sprechen wir vom Bertha-von-Suttner-Platz.
Bonns Anbindung an den Fernverkehr
Gleichzeitig – nicht zuletzt im Fahrwasser der Hauptstadtdebatte – gewann die Frage der Anbindung Bonns an den Fernverkehr immer mehr Bedeutung und damit verbunden auch die verkehrspolitische Rolle des Bonner Hauptbahnhofs, wo umfassende Umbau- und Erweiterungsarbeiten mit Hochdruck vorangetrieben wurden.
So wurde 1949 unter anderem ein eigener Regierungsbahnsteig am südöstlichen Ende der Quantiusstraße (im Bereich der heutigen „Radstation“) fertiggestellt, über dessen Zufahrt die mit dem Regierungszug an- und abreisenden Politiker und Verwaltungsbediensteten unmittelbar mit dem Fahrzeug abgeholt oder auf den Bahnsteig gefahren werden konnten.
Die beiden zur Sicherung des Reichsbahnverkehrs notwendigen Stellwerke am Bonner Hauptbahnhof wurden im Sommer 1949 wiederhergestellt und waren nunmehr elektrisch betrieben und dadurch deutlich schneller, wodurch eine reibungslose und sichere Abwicklung eines erhöhten Zugverkehrs gewährleistet werden sollte.
Eisenbahnfahrzeiten von Bonn nach deutschen Städten
Eine weitere Neuerung trat ab 1. September 1949 in Kraft: von einer kleinen Kabine aus mit freier Sicht auf das Bahnhofsgelände gab eine „Ansagerin“ erstmals durch Lautsprecher regelmäßig die Abfahrts- und Ankunftszeiten der Züge bekannt. Insgesamt 112 Züge hielten täglich an den Bahnhöfen in Bonn und Beuel.
Eine 1949 eigens (vermutlich im damaligen Stadtplanungsamt) auf Grundlage von Flemmings Organisationskarte angefertigte Deutschlandkarte der „Eisenbahnfahrzeiten von Bonn nach deutschen Städten“, heute in der Karten- und Plansammlung des Stadtarchivs, sollte die zentrale und bevorzugte Lage Bonns innerhalb des deutschen Reichsbahnnetzes entsprechend grafisch veranschaulichen und somit verkehrsstrategisch indirekt für den Hauptstadtsitz werben.
Zu sehen sind auf der Karte mit dem stattlichen Format von 121,5 x 86 cm – von Hand eingezeichnet bzw. mittels aufgeklebter Beschriftungen kenntlich gemacht – sämtliche Verbindungen und minutengenauen Fahrzeiten von Bonn in alle wichtigen und größeren Städte der vier Besatzungszonen.
Zeitfenster Februar: Bonn feiert (wieder) Rosenmontag
Initiiert durch die Bonner Karnevalsvereine wurde 1949 erstmals nach dem Krieg wieder groß in Bonn Karneval gefeiert. Am 28. Februar 1949 sollte es einen Rosenmontagszug geben!
Zum Start der Session am 11.11.1948 titelte die Bonner Ausgabe der Kölschen Rundschau optimistisch „Bonn mäht `ne Rusenmondachszoch!“ Vorher wurde über das Jahr hinweg zwischen der Stadtverwaltung und den Bonner Karnevalsvereinen besprochen ob und wie ein Karnevalsumzug zu realisieren wäre. Bei der Sitzung am 21. Dezember 1948 zwischen der Stadtverwaltung und Vertreterinnen und Vertretern der Bonner Karnevalsvereine wurde sich geeinigt, das der „Vaterstädtische Verein“ die Funktion als Festausschuss des Bonner Karnevals wieder übernehmen sollte. Es wurde aber auch beschlossen, dass ein Rosenmontagszug aus u.a. finanziellen Gründen nicht durchzuführen sei und nur eine „Kappenfahrt“ erfolgen würde. Diese war ein Umzug vom Bonner Stadtsoldaten-Corps, in den sich Teilnehmende eingliedern konnten. Diese finanzierte sich hauptsächlich über Spenden der Karnevalsvereine und Bonner Bürgerinnen und Bürger.
10.000 Schaulustige kamen zur Kappenfahrt
Die Kappenfahrt startete um 13:30 Uhr am Kaiserplatz, ging über den Münsterplatz hin zum Bottlerplatz (Stadthaus Umtrunk), weiter durch die heutige Altstadt, dann zurück zum Friedensplatz und durch die Gassen hin über den Markt und Münsterplatz zurück zum Kaiserplatz. Der Kappenfahrt schauten 10.000 Schaulustige zu.
Am Karnevalssonntag zuvor, hatte das Stadtsoldaten-Corps bereits einen kleinen Umzug veranstaltet. Sie zogen in Begleitung einer Musikkappelle vom Bottlerplatz durch die Innenstadt hin zum Markt. Das, noch nicht wieder in Stand gesetzte, alte Rathaus wurde hierfür dekoriert und mit Fahnen des Bonner Stadtsoldaten-Corps geschmückt.
Zeitfenster Januar: Kleine Aufmerksamkeiten für Mitglieder des Parlamentarischen Rates
Januar 1949 – die Arbeiten des Parlamentarischen Rates dauern auch im neuen Jahr weiter an und ein Ende ist noch nicht absehbar. Gleichzeitig entbrennt ein heißer Streit über die Frage, welche Stadt die vorläufige Hauptstadt der neuen Republik werden soll. Im Rennen sind Kassel, Stuttgart, vor allem aber Bonn und Frankfurt.
Als kleines Neujahrpräsent und wohl nicht ganz uneigennützig verschenkte die Stadt Bonn zum Jahreswechsel 1948/49 an Mitglieder des Parlamentarischen Rates einen Kalender für das Jahr 1949 in Taschenbuchformat sowie Freifahrtkarten für das Bonner Verkehrsnetz.
Einige Dankschreiben der angesichts der „vielen Aufmerksamkeiten“ der Bonner Stadtverwaltung berührten Parlamentarier sind in einer Akte des Werbe- und Verkehrsamtes (Signatur: N 03/5) überliefert.
Ein hübscher Taschenkalender und „freie Fahrt auf der Bonner Straßenbahn“
Unter den Dankenden finden sich die CDU/CSU-Abgeordneten Adolf Blomeyer (1900-1969), Paul de Chapeaurouge (1876-1952), Adolf Süsterhenn (1905-1974), Gerhard Kroll (1910-1963) und Robert Lehr (1883-1956) – allesamt Vertreter einer Bonn favorisierenden Entscheidung der Hauptstadtfrage.
Neben der Hoffnung, dass die Arbeiten des Parlamentarischen Rates bald zum Abschluss kommen mögen und somit die spendierten Freifahrtkarten „nicht bis zum Jahresende 1949 benötigt werden“ ist aus den betont wohlwollenden Wünschen für die künftige Entwicklung der Stadt deutlich das Werben um Stimmen für Bonn als künftigem Bundessitz herauszuhören